Donnerstag, 23. August 2012

Von Schreien, Kreischen, Tönen und Flüstern - Kritik: Blow Out - der Tod löscht alle Spuren



»No one wants to know about conspiracy any more!« - Es mag für mich durchaus befemdlich erscheinen, einen der damaligen Erstlinge meiner Bekanntschaft mit Regisseur Brian de Palma erneut zu sichten und gleichauf mit Hinterwissen, die vielerlei auftretenden Referenzen anderer Werke zu beobachten, die mir damals noch recht unbekannt schienen. So ist es vermeintlicherweise sichtlich auch kein Geheimnis, dass De Palmas gesamtes Frühwerk eigentlich eine Komplettierung von Hitchcock Zitaten sein möge - man wolle es ihm nicht verübeln - »Blow Out« (1981). Hier erinnert der Titel nicht bisweilen an Hitchcock, sondern lässt sich wiederum als eine Referenz zum berüchtigten Kultfilm »Blow Up« von Michelangelo Antonioni. Aber keine Angst unser lieber Alfred kommt sicher nicht kurz, dazu ist De Palma in seiner Hitchcock-Marnie viel zu obsessiv und über Kopf verliebt. Soll er ruhig. Denn hier heißt statt »Wir schauen, aber wir sehen nicht«, ist exaktes Hinhören gefragt.



Denn obgleich De Palmas Film zunächst als Hommage an Antonionis »Blow Up« gedacht ist, lässt es sich De Palma mal wieder nicht nehmen seinem Idol schon in den ersten 5 Minuten - mehrmals - zu huldigen und zu zitieren, wie überraschenderweise sogar ironisch zu parodieren. Liebevoll natürlich - man könnte dabei auch Referenzen auch zu Carpenter oder Wes Craven ziehen, wie dem »Film im Film«-Prinzip, welches De Palma anfangs trickreich einsetzt. Die Handlung mutet als faszinierende Mischung zwischen Antonionis Werk, Pakula und Coppolas »Conversation« an, mit überkonstruierter politisch-irrelevanter Ambition und einen Hauch zeitlichem Hintergrund, clever erdacht, wenngleich nicht nicht immer absolut logisch nachvollziehbar in Hinsicht einzelner Versatzstücke.

De Palmas gewitztes Spiel mit der Realität. Tontechniker, für billig produzierte Horrorfilme, wird zum zufälligen Zeugen eines Mordes. Ein Geräusch eine Aufnahme als Stichfester Beweis der Wahrheit. Doch was ist Wahrheit? De Palma verschwört sich und John Travolta wird Zeuge dieser Verschwörung. Die Geschichte präzise geschildert. De Palma schärft seinen Blick für Trugbilder, wie einst Antonioni mit Bildern. De Palma mit Tönen, essentiell für seinen Film. Genauso die Referenz zu Coppola und der zeitlichen Paranoia. Ein akustischer Film, ganz im Sinne des guten Francis Ford. Aber auch Antonioni findet des öfteren Einzug und dabei nicht mal nur mit »Blow Out«, nicht wenn es um Schreie geht.

Passend dazu ein verzückender Score von (Herrmann der II.) Pino Donaggio, mit einer Vielzahl an pompösen Motiven und nervenaufreibenden Klängen, beachtlich stimmig komponiert für De Palmas Film und harmonisch das Zusammenspiel von Bild und Ton. Die Kameraarbeit erstklassig und fast schon obsessiv-düster gefilmt - wie es De Palma gern hat - optisch dabei herausragend, stilvoll und atmosphärisch angelegt. Es schimmert auch ein Schatten des Film noir durch und insgesamt effektvoll in Szene gesetzt. Als Zeuge der Verschwörung und misstrauischer Tontechniker: John Travolta (überzeugend) mit natürlichen Spiel. Daneben mimt John Lithgow zwielichtig wie gekonnt.

 Aber auch Brians Spielereien werden nicht vergessen: Hübsche Spiltscreens und hochdramatische Zeitluptenaufnahmen - hat was von Pathos - hat aber stilistisch-ansehnlichen Wert. Aber auch der Brian brauch halt seine Highlights, dann eben so. Dazu noch seine kleinen Stereotypen, die De Palma wiederum hintergründig beleuchten lässt, zumindest in ihrer Konstellation zueinander. Selbstredend nie ohne die Relevanz des Tons zu missachten - so wird gemischt, gerauscht, geklingelt - ironisch kommentiert - oder einfach gezittert. Das aber nur meist beim Zuschauer selbst. Feines Spannungskino, welches De Palma erneut hierbei kreiert und sich selbst auch nebenbei vor dem Medium Film wie auch den zitierten Filmen verneigt - wie immer - so auch voller Details und visuell bestechend. Vom verschwörenden Anfang schließlich zum spektakulären, funkensprühemdem Finale mir Rasanz und emotional aufgegladener Melodramatik, während sich die Referenzen wuchtig selbst überschlagen.



Eine großartige Komposition. Wie auch die Verbeugung vor Antonioni, dem ewigen Spiel zwischen Schein und Sein. Trugbilder werden gemalt. Die Täuschung perfekt - der Meister erfreut. Ein Audiofilm. »Blow Out«, das Werk zur Akustik und dem Geräusch dahinter. Also Achtsamkeit sei geboten: Präzises Hören, nicht lauschen. Und abschließend sitzt jeder Klang zwischen Sehnsucht, Trauer, Verzweifelung und purer, drastischer, melodramatischer filmischer Emotion - grandios! Deshalb genau hinhören: Denn alles führt zusammen. Das was Antonioni schon früh präge, nun von De Palma zitiert in Vollendung. Die Realität wird zur Fiktion. . Der Schrei zum bloßen Effekt.



7.5 / 10

Autor: Hoffman

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