Samstag, 29. Juni 2013

The Evil is among us! - Klassiker der Extraklasse: Im Zeichen des Bösen (1958)


"Touch of Evil" zeigt eine Welt, in der einem Idealisten (ungewöhnlich: Charlton Heston), der gegen ein System, das formell zwar die gute Seite repräsentiert, aber selbst in verbrecherische Machenschaften verwickelt ist, ankämpft, die Hände gebunden sind. Ähnlich erging es Orson Welles in Hollywood, er wollte Filme nach seinen Vorstellungen drehen, doch Hollywood machte ihm aus kommerziellen Gründen einen Strich durch die Rechnung, so dass viele seiner Werke ohne sein Einvernehmen verstümmelt wurden. So geschehen auch bei diesem Film, der 40 Jahre lang nur in stark gekürzter Fassung existierte, und nach dem Welles enttäuscht und wütend Hollywood für immer den Rücken kehrte. Gewinnstreben hat in Welles' Augen in Hollywood Vorrang, nicht die Filmkunst. In "Touch of Evil" ist es ähnlich: Die Polizei, der selbstloses Handeln für die Gesellschaft eigentlich inhärent sein sollte, macht gemeinsame Sache mit dem organisierten Verbrechen, da dort eben (mehr) Geld zu machen ist. Polizist Hank Quinlan - Welles' Rolle im Film - ist dabei sehr interessant. Er ist in seinem Handeln und Denken eine zynische Weiterentwicklung von Welles' legendärer Rolle als Harry Lime in "The Third Man" wenige Jahre zuvor. Hatte man mit Harry Lime noch Sympathien, da dieser in einer ohnehin schon chaotischen Phase der Geschichte zum Verbrecher wird, und damit nur einer von vielen ist, erscheint Quinlan von vorne hin unsympathisch: er ist fett, er säuft, er hat ein loses Mundwerk und er hat jeglichen Glauben an das Gute im Menschen verloren, obwohl er im Gegensatz zu Harry Lime in einer freien Gesellschaft lebt. Der Film weißt mehrmals auf die damals noch offenen Grenzen zwischen den USA und Mexiko hin, was einen Gegenentwurf zum geteilten und besetzten Wien aus "The Third Man" darstellt. Welles macht damit allerdings deutlich, dass zwischen einer vom Krieg gezeichneten Stadt, einer freien Stadt und eben auch, wenn man den Film so lesen will, Hollywood nur ein minimaler Unterschied besteht. Das Böse lauert im Endeffekt überall. Weitere Parallelen zu "The Third Man" sind auch in visueller Hinsicht gegeben. Welles setzt wie Reed Licht und Schatten sehr virtuos ein und schafft es damit, dem Film eine bisweilen sehr surreale Atmosphäre zu verleihen, die gepaart mit den zwiespältigen Charakteren dafür sorgt, dass "Touch of Evil" trotz der Salsa-Musik, die oft im Hintergrund zu hören ist, durchweg pessimistisch wirkt. Und das obwohl der Film aus erzählerischer Sicht recht konventionell ist, doch ein wirkliches Happy End hat "Touch of Evil" nicht. Quinlan mag am Ende sein, doch was bleibt dem Idealisten Vargas, der sich gegen die Repressionen der Polizei zur Wehr gesetzt hat: Die Flucht. Einem Visionär wie Welles ebenfalls. Großes Kino mit unangenehmen Beigeschmack.  

9.0/10

Autor: MacReady

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