Mittwoch, 18. September 2013

Ein milchig-sommerlicher Familienalptraum - Klassiker der Extraklasse: Burnt Offerings - Das Landhaus der toten Seelen (1976)



»This house will be here long, long after you have departed.« - Um dies als ersten Gedanken hier festzuhalten und zu warnen: Tote Seelen wird man hier keine finden. Das ist mal wieder eine drastische Erfindung der deutschen Titelübersetzter, die wieder einmal zu ihren hochtrabenden Visionen griffen bei »Burnt Offerings« von Dan Curtis. Übrigens auch eine Romanverfilmung. So erinnert der Streifen aus dem Jahre 1976 nicht ganz ohne Grund den strukturellen Motiven von »Shining« (nach Kubrick; nicht nach King) oder »The Amityville Horror«, denn es geht um ein Haunted House (im weiteren Sinne). Sehr charakteristisch wird die Ouvertüre im Vergleich. Gerade die Fahrt zur Betrachtung des vorübergehenden Wohnheimes (= eine Villa zwischen Klassizismus und Neoklassizismus) lässt im Sekundentakt an Kubricks Werk denken, wobei zu beachten wäre das Kubrick es damals noch nicht einmal gedreht hatte, wenn die dreistellige Figurenkonstellation (= Mutter, Vater, Kind) mit dem Auto auf das Anwesen fährt. Die Einstellungen im Auto wirken fast absolut kongruent zu Kubricks Werk. Das kann aber auch nur Zufall sein. Dann folgen Bedingung und erste Rätsel, das Haus (übrigens selbiges welches Coscarelli in »Phantasm« als Krematorium nutzte)  ist gigantisch, zwar leicht morsch, aber für einen Spottpreis zu bekommen. Der Mann zögert, die Frau zeigt sofort Begeisterung. Und der Sohn? Der verletzt sich. Angebot angenommen? Eine Nacht wird überdacht und die Rückkehr ist nahezu vorherbestimmt.





Einzige Bedingung: Sich um die Mutter der beiden älteren Geschwister zu kümmern. Die meinen, dass die sich sowieso kaum blicken ließe und die Gemütlichkeit des eigenen Zimmers bevorzuge. Man wird sie wohl kaum zu Gesicht bekommen. Abgemacht! Dieses Mal wird mit Tantchen (da noch kämpferisch-humorvoll: Bette Davis) angereist. Gemächlich entwickelt Curtis die Geschichte wie auch seine Charaktere, letzteres ist nicht unbedingt schwer, da sich die Figuren recht attributiv zuordnen lassen wie auch (scheinbar) als familiäre Klischees angelegt wurden, diese dafür aber auch interessant konzipiert sind. Ungefähr selbiges ließe sich auch über die altmodische Ausstattung sagen. Schon von Beginn an umgeben Curtis´s Film Andeutungen und schon früh zeichnen sich mal mehr und mal weniger subtile Verweise auf das Unheil ab, zumeist symbolisiert durch die musikalische Untermalung, die das Werk förmlich unter dem Aspekt der zurückhaltenden Erzählung beflügelt. Das Konzept setzt für Curtis damit voraus, dass man sich selbst nun vorerst in die Geschichte finden kann und langsam ins sie abgleitet, kurzum in deren Bahn gezogen wird. Das ist durchaus wirkungsvoll gemacht.



Dadurch entsteht in der Villa selbst ein räumliches Denken für den Zuschauer, er signalisiert, was er sieht und was das Haus bietet. Vorerst ein wichtiger Schritt für die spätere Umstellung des Konstrukts. Dies wird stetig verstärkt durch die Musik, um so einen Effekt des Unheils heraufzubeschwören, während Curtis dazu nahe simultan eine vollendete Idylle zunächst entstehen lässt. Humorvoll wird kommentiert und dadurch baut sich doch eine immense Faszination auf, die auch durch die oftmals minimalisierten Mittel der Produktion ihre ganz eigene Intensität im Zusammenhang entwickelt, allein die fehlerlos abgestimmte, sommerliche Atmosphäre, die des weiteren zur Verdeutlichung dieser Idylle dient, wäre hierbei zu nennen, die sich von dieser Position aus zum surrealistischen Traum wie Alptraum wandelt. Ab da an wandert »Burnt Offerings« nun immer schmäler werdend auf einem Grat zwischen Realität und Traum, wohl dosiert bricht nun Curtis sein vorhergehendes Verfahren mit alptraumhaften Sequenzen. Risse tun sich auf und die Charaktere werden mit den Schatten der Vergangenheit konfrontiert. Curtis deutet nun damalige Geheimnisse und familiäre Konflikte der Familie an und zerstückelt nun wieder langsam seine Idylle, wie perfide!



Die Charaktere geraten in Selbstzweifel, besonders an dieser Stelle kommt die Stärke der Darsteller zur Geltung und ihr bedeutender Einfluss zur Gewichtung der Geschichte. Wenn Oliver Reed (der allseits Unterschätzte) intensiv und einfühlsam den Vater mimt, während Karen Black entzückt in den Bann des neuen Heimes gezogen wird, sich fasziniert gibt von schauderhaften Spieluhren und den old-fashioned Style bevorzugt. Mit Zweifel kommen Schatten und Irritation in das Szenario. Die Protagonisten sind gefangen zwischen Angst, Sehnsucht, Entkräftung, Liebe und Hass. Die Ruhe weicht und doch die Villa strahlt mehr und mehr! Ist umso eleganter und gepflegter. Es sind  Tage der Restauration für dieses Haus, bis es auf Hochglanz gebracht ist und die Uhren intakt laufen! Das System scheint rekonstruiert, aber nein es spaltet doch zugleich die Familie! Umso strahlender und hitziger, umso surrealistischer mutet das Szenario an. Ähnlich wie bei Kubrick (nur um einiges nüchterner) scheint sich die Realität immer mehr in eine Illusion zu verwandeln, mehr und mehr driftet Curtis in Traum und Altraum ab. Nicht immer ganz geschickt, aber oftmals effektiv. So wiegt Curtis den Zuschauer aber auch selbst in Zweifel, variiert stets aufs neue Figurenkonstellation und Sympathiewerte, von einem Moment zum anderen. So laufen letztlich alle Fäden in einem Punkt zusammen, der ansatzweise durchschimmert, aber in seiner furiosen Kombinierung des Twists - mit deutlichem Zitat! - absolut durchschlagend wie auch profitabel für die gesamte Konstruktion ist. Das ist eine äußerst stimmige Konstruktion, sei abschließend gesagt.



7.0 / 10



Autor: Hoffman

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