Dienstag, 22. Oktober 2013

»...so mußte leben!« - Klassiker der Extraklasse: Die Halbstarken (1956)




Es wirkt  fast so, als verlege Georg Tressler hier anfangs Rays farbenprächtigen und imponierenden »Rebel without a Cause« nach Deutschland (= Berlin), tauscht hingegen aber die goldenen Farben gegen die Nüchternheit der Schwarzweißbilder und interpretiert beziehungsweise beleuchtet das Leben der damaligen deutschen Jugend mit ganz eigenen Zeitkolorit. Das fühlt sich nah an, im Schwimmbad, in der Wohnung oder auf der Straße - dieser Realismus ist beachtenswert, der sich besonders in den lebendigen Figuren aufzeigt. Diese Dynamik der Charaktere wiederum überträgt sich auf die Bilder oder genau andersherum, das Bedeutende daran ist: Es funktioniert dadurch, dass Tressler dicht dran ist an den Figuren und an dem Leben, mit Prügel und Randal, der aus jugendlicher Naivität, Mut und Übermut profitiert, oder dem Widerstand gegen die Alten (= Erwachsenen), die noch mit ihren eigenen Problemen (= dem Geld) zu kämpfen haben. Spott über diese und der Versuch den eigenen Weg einzuschlagen, prägen sie wie auch der Traum von der Nobelkarosse und der Wohnung, sie streben nach Materialismus und festem Besitz (»...so mußte leben!«).



Horst Buchholz spielt beseelt die Rolle des Aufschneiders und Sprücheklopfers Freddy Borschert, der große Versprechungen (besonders den Frauen gegenüber) macht. Sein grinsender Blick in die Kamera ist glamourös, verdeutlicht zugleich aber seine Unreife und das Unbewusstsein seiner eigenen Situation, so ist er bestrebt darin seine (natürliche) jugendliche Unsicherheit hinter der Prahlerei zu verbergen. Bruder Jan Borschert (Christian Doermer), der den selbstständig gemachten Freddy nach einer gefühlten Weile wieder trifft, ist die direkte Figur zum Zuschauer, derjenige durch den Tressler dieses Zeitbild der Jugend vermittelt, er nährt sich der Gruppe von Halbstarken um seinen Bruder. Wie dem Zuschauer wird ihm diese Umgebung zugänglich gemacht, diese direkte Übertragung von Figur zu Zuschauer erleichtert somit die Teilnahme und das Verständnis am Handeln und Denken der Figuren, die versuchen sich durch Rebellion und Auflehnung zu verwirklichen. Der Plot um Raub und das Unglück dahinter kommt dagegen unausgegoren, ja geradezu unschöpferisch und altbacken daher. Das große und schnelle Geld durch kriminelle Machenschaften gibt es also mit Klischees und altbekannten Zutaten, die Untermalung bei einer solcher Aktion ist aber turbulent und eine Femme Fatale (Karin Baal) liefert Tressler auch noch, die einzig zu ihrem Vorteil, um alles zu besitzen, handelt. Da fragt sich nur, ob sie vor (oder nach) ihrem Handeln aus jugendlichem Übermut Bilanz ziehen werden und damit auch irgendwann die Erkenntnis des Lebens wahrnehmen werden und bereit sind es zu verstehen.



7.0 / 10

Autor: Hoffman 

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