Mittwoch, 30. April 2014

Die Leiden der Unsterblichen - Kritik: Begierde (1983)


Tony Scott experimentiert in seinen ersten Spielfilm, welcher thematisch in gewisser Weise als Vampirfilm bezeichnet werden kann, mit seiner angetrauten Videoclipästhetik und dem Genre an sich, er liefert dazu doch einen überraschend eigenwilligen Film als sein Debüt ab. Schon die erste Szene enthüllt Scotts technisches Verständnis für das Visuelle: Eine Disko, Menschen und Körper in Bewegung, eine qualmende Zigarette, Deneuve und Bowie, ein wilder, beinahe schon fragmentarischer Schnitt; eine Szene, welche den Geist der 80er Jahre ganz eigensinnig widerspiegelt. Schon dort bemerkt man, dass Scott ganz auf den Stil seines Films bedacht ist, formal ist das bestechend inszeniert, wie Scott diese Spaltung von Licht und Schattenmotiven vornimmt, wie er die weißen Schleier wehen lässt, wie bedacht er auf die Fotografie einiger Momente und Posen ist, als Beispiel wie verführerisch er Catherine Deneuve in Szene setzt, die sich hier mit ihrer Performance wahrscheinlich vor der »Blutgräfin« Delphine Seyrig verneigt. Besonders mutig ist hier natürlich der Moment, in dem Scott die erotischen Spannungen zwischen Deneuve (= der Verführerin) und Sarandon (= diejenige, die verführt wird) in einer elegant-sinnlichen Liebesszene gipfeln lässt. 



Weiterhin lebt Scott hier für das ästhetische Spiel mit den Bildern. Manchmal ist er exzessiv wie ein Biss, manchmal ist er aber auch ganz leise und still wie ein Sonnenaufgang. Dabei kreist sein Film um Themen der Ewigkeit von Leben und Tod, von der ewigen Liebe, von Sterblichkeit und der Tragik der Unsterblichkeit, von dem Leid, der Ewigkeit als Fluch, von der Gier (= wie ein Herzschlag) nach der Selbsterhaltung und der Unmöglichkeit des Sterbens. Scotts Film lebt von seiner Bildsprache, hier ersetzen die Bilder die Erzählung. Es wird bebildert, nicht  unbedingt erzählt, denn wenn man es aus der narrativen Perspektive betrachtet, so wirkt Scotts Film dabei uneinheitlich, ja geradezu ziellos und ungelenkig. Dagegen muss man die Bilder halten, welche kühl daherkommen und damit auch eine gewisse Distanz halten, aber das Faszinierende ist daran, dass diese edlen Bilder ebenso etwas sehr fragiles an sich haben, was sich weiterhin durch die blassen, hellblauen Stiche in etwas wehmütiges und ja sehnsüchtiges in Hinsicht der Bildsprache verwandelt, was wiederum auch thematisch sehr gut zu der inhaltlichen Melancholie des Films passt, die den Film antreibt. Diese Leere reflektiert das Innere der Protagonisten, so kommt es einem vor, wenn man auf Bowies Charakter schaut, dies drückt seine Qualen aus, macht sie für den Zuschauer durch die Bilder greifbar. Die Form wird also zu etwas inhaltlichem. Vielleicht ist es in dieser Hinsicht das interessanteste Werk in Tony Scotts Filmographie, ein ambitioniertes Debüt ist ihm mit »The Hunger« auf jeden Fall gelungen.


7.0 / 10

Autor: Hoffman

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