Mittwoch, 11. April 2018

Wie du mir, so ich dir - Kritik: LenaLove (2016)


Florian Gaags zweiter abendfüllender Spielfilm »LenaLove« hat mit seinem Debütfilm auf den ersten Blick vor allem eines gemein, nämlich die Liebe zur Urban Art Graffiti, die in seinem Erstling »Wholetrain« noch zum Milieu gehörte, das er bebilderte. In diesem Film dagegen werden die gewaltigen und schauerlichen Graffitigemälde zu seelischen Gespenstern, die sich in der Protagonistin manifestieren und sie schlussendlich auch heimsuchen werden. Der Film versteht das Graffiti folglich als symbolische Bilder, die groß und protzig präsentiert werden, aber im Kern eigentlich wenig mit der eigentlichen Figur zu tun haben, außer, dass sie davon angezogen wird und vielleicht ihren heulerischen Umkreis in diesen Bildern gespiegelt sieht (was mehr gewünscht ist denn wirklich umgesetzt wird). Der Film dreht sich um die Schülerin Lena (Emilia Schüle), die sich mit ihrer alten Freundin Nicole verworfen und Augen auf den süßen, aber auch straffällig gewordenden Tim (Jannik Schümann) geworfen hat, der neu in der Schule ist, der ein Heim sein Zuhause nennt und auch immer noch gerne ein paar Drogen vertickt. Lenas Mutter hat eine Affäre mit dem Vater ihrer ehemals besten Freundin von nebenan Nicole und chatten tut sie nebenbei mit einem Fake-Profil der Mutter von Nicole, die auch gerne anderen Freundinnen, die in dem Tanzteams ihres Mannes sind, mal psychologische Ratschläge erteilt. Als Lena und Tim sich näherkommen, machen sich aber Nicole und ihre neue biestige Freundin Stelle daran, die Beziehung zu zerstören bevor sie begonnen hat. Und so hängt sich Nicole bei einer Party an Tim ran, der hilflos Opfer dieser Gelüste wird. Für Lena zerbricht eine Welt und kurz darauf verbrennt sie die Hausarbeit, die sie für Nicole geschrieben hat. Das kann Nicole nicht auf sich sitzen lassen. Besonders, als die Eltern ihr wegen schlechter Noten damit drohen, den Englandurlaub zu streichen. So beginnt Nicole ein soziales Brandfeuer gegen Lena zu legen, in dem sie sich mit Stella das männliche Fake-Profil ihrer Mutter zu eigen macht, um Lena so aufs Glatteis zu führen und zu demütigen bis es zur Eskalation kommt.


Schaut man sich also den Plot des Films an, wird man schnell erkennen, dass dieses Werk vollkommen überfrachtet ist. Der Film gibt vor komplex zu sein, weil er ein großes Figurenensemble beherbergt, das er miteinander verzahnt und dessen Aktion auch immer schwerwiegende Reaktionen auslösen, aber in Wirklichkeit trifft er nur triviale Aussagen. Das Internet verleitet Menschen zu bösen Taten. Das Internet ist ein Katalysator. Drogen sind nicht gut. Der Film macht vor keinem Klischee halt, er brettet voll durch die Wand: Fake-Profile, heimliche Flirts im Internet, diffamierende Videos mit niederschmetternden Hater-Kommentaren. Über all dem liegt immer ein erhobender Zeigefinger, der am Ende die bestraft, die Böses getan haben, obgleich der Film damit dem Prinzip Auge um Auge seinen Tribut zollt. Dabei ist das Internet eigentlich immer nur Beiwerk dieses Films, denn im Zentrum steht als Thema die Rache. Denn Rache ist hier anscheinend doch eine Lösung, nach dem sie zunächst das Leben von Lena im Film zerstört. Jeder Figur kommt nichts anderes in den Sinn als den anderen Figuren etwa zu drohen oder sich an ihnen boshaft zu rächen. Man beobachtet hier kein menschliches Verhalten mehr, sondern man ist nur Zeuge wie sich ein Drehbuchautor seinen wirren Plot zurecht biegt und seine Figuren hin und herschiebt bis es ihm passt. So weiß man hier nie, was erzählt werden soll.


Es ist ein sehr plakativer Film, in dem die Figuren von ihren Eifersüchten getrieben werden, denn, wenn die Noten nicht stimmen und Mami mal sagt, dass der Englandurlaub gestrichen wird, zeigt man aus Frust gerne all seine Abgründe. Die Konflikte des Films werden stark aufgebauscht. Es sind aber Konflikte aus einer konstruierten Seifenoper, welche die Figuren bis an den Rande des Suizids treiben. Dieser Film ist eine post-pubertäre Kinofantasie, der vollkommen der Bezug zur Realität fehlt, im Kern nur reißerisch ihre Inhalte ausschaltet und daran große Lust findet, sie dramatisch zu inszenieren. Der Film überspitzt und dramatisiert, wo es ihm passt. Um eine wirklich authentische Wiedergabe der Geschichte geht es ihm nicht. Die Geschichte muss möglichst audiovisuell pompös und schick erzählt werden. Das Audiovisuelle beherrscht Florian Gaag auch, der dort so manchen Trick in der Tasche hat. Seine Figuren kennt er dafür umso weniger, denn seine Darsteller starren meist mit leerem Blick in das Nichts, in ihre Seelen, die mehr Behauptung sind als wirklich vorhanden, denn diese (anscheinend überprivilegierten) Figuren reagieren komplett affektiv. Das Laute kann Gaag, das Leise dagegen misslingt. Zwischentöne bleiben leider fern, alles wird offensichtlich gezeigt.


Wir sehen Zankereien, Gossip, Zickereien, Eifersüchte und natürlich löst das eine Probleme das nächste aus. Wir sind hier in einer großen Spirale gefangen, wo alles miteinander zu tun hat und das Unheil heraufbeschwört. Am Ende muss dann auch noch ein Haus in Brand stehen, ausgelöst von einem bis dato komplett überflüssigen Nebenplot, der nichts zur eigentlichen Geschichte beiträgt, sie nur größer erscheinen ließ und schlussendlich auch nur für einen Twist missbraucht wird. Dem Film geht schlichtweg jegliche Sensibilität abhanden. Die Konflikte der Figuren sind oberflächlich. Zufälle werden zum Narrativ des Films, der durch eben diese Zufälle seinen Plot zusammengestrickt, der die sowieso ausgelutschte Problematik des Internetmobbings auf effekthascherische Art unterbricht. So dürfen die Gestalten auf dem Graffiti an den Wänden die Protagonistin am Ende auch in Horrorfilmmanier verfolgen und sie an den Rande des Wahnsinns treiben. Wir sehen in diesem Film Menschen auf Abwegen, aber irgendwie ist das alles ziemlich abgedroschen, nicht ansatzweise kommt der Film der Wahrheit näher, auch wenn dieser Film natürlich mal wieder mal auf einer wahren Begebenheit aus der Zeitung beruhen muss, von der sich der Regisseur seine Geschichte zusammengeschustert hat. Das merkt man leider auch, dass hier für den Effekt mehr verbogen wurde als einem guten Film wirklich zuträglich ist.

4.0 / 10

Autor: Hoffman 

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