»I want to touch you!« - Was macht man als staatlich anerkannter Romanautor, wenn die Verfilmung eines seiner Romane ansteht? Es wäre plausibel zu hoffen es würde der passende Regisseur gewählt. Warum denn als Romanautor nicht selbst Regie führen? Es möge immerhin der eigene Stoff sein, wieso also nicht? Einige würden aufschreien, man könne zwar schreiben, aber nicht eine solche Produktion leiten. Im Zweifel für den Angeklagten. Es muss nicht jeder ein Stephen King sein, der sich zumeist mit den Verfilmungen seiner Romane selbst entwürdigte. Bestes Beispiel dafür: Rhea M. Der einzig als Handfeuertrash geeignet ist. Das es auch anders geht, bewies schließlich Clive Barker selbst als er sich dazu entschied als ausführender Regisseur bei der Verfilmung seines Romans »The Hellbound Heart« zu fungieren. Eine glückliche Fügung des Schicksals, dass Barker überraschenderweise doch das Feingefühl als Regisseur für das heutzutage zum Kultfilm avancierten Debüt »Hellraiser« aus dem Jahre 1987 bewies, um diese gebührend auf die Leinwand zu bannen und ein albtraumhaftes Szenario zu entwerfen, die Nähe zum Roman versteht sich von allein.
Der Geschmack schon bei der Ouvertüre schmackhaft gemacht mit den schönsten Elementen: Erst entführt in den wundersamen Orient. Um gleichauf Zeuge zu werden des schockierenden Grauens, die Last wird aufgelegt und der Pakt mit dem Teufel geschlossen - mag dies etwa ein goethisches Faust-Motiv sein? - das Grauen nun also präsent. Pinhead als Mephisto. Jedoch müsse man hierbei differenzieren. Ob acht dieser im ersten Teil demnach nur den Part des führenden »Lead Zenobite« übernimmt, erst in folgendem Teil entwickelte sich aus der Figur ein maßprägender Franchisecharakter, was nicht immer für mich vom Vorteil schien. Hierbei treten dieser Charakter des »Pinheads« wie auch der anderen Zenobiten in den Hintergrund. Sie dienen metaphorisch gesagt als Richter über dem Menschen. Wie man meinte sowohl Engel als auch Dämon.
Zweifelsfrei lässt sich Barkers »Hellraiser« auch als düstere Reflexion des Menschen lesen, wobei der Charakter des Frank hierbei wiederum als fleischliche Metaphern des verkommenen Menschens dient. In seiner grenzenlosen Sehnsucht nach der Erfüllung seiner tiefsten Wünsche und den Streben nach Macht verdammt und Barker offenbart seinen Teufelskreis um Erlösung und Verdammnis - nicht nur bei seiner cleveren Visualisierung, immer wieder scheint Barkers Film um diese Motive zu kreisen und im stetigen Wechsel mit religiöser Symbolik von Schuld und Sühne.
Ich bin dabei stets aufs neue überraschend wie gekonnt dabei doch Barkers Regie ist - clever verschachtelt anfängliche Rückblenden oder die surrealistischen Tendenzen, die sich insofern wohl auch am deutlichsten direkt in den wenigen Sekunden in der Parallelwelt aufzeigen oder mit dem Erscheinen der Zenobiten eintreten. Auch die Ambivalenz der Bilder faszinierend gestaltet, obgleich sie Eleganz zeigen, reflektieren sie im späteren auch das blutige Grauen des entfesselten Horrors. Ein gewisses Paradoxon. Jedoch macht dies wohl auch einen großen Teil von Barkers meisterhafter Visualisierung aus - an dieser sei auch nochmal das subtile Spiel von Licht und Schatten hervorgehoben - Erlösung und Verdammnis. Licht und Schatten. Sonnenschein und die pure Finsternis.
Christopher Youngs Score untermalt einfühlsam und subtil, stets zur Stimmung passend. Atmosphärisch unverkennbar schwingend die Bilder zwischen Sinnlichkeit und Perversität - grandios. »Die Box« spiegelt dies wider, eine Grenze zwischen Schmerz und Sehnsucht und zugleich bewirkt sie eine Steigerung von Lust und Verlangen. Eben durch Schmerz. Ein bekanntes Motiv oder nicht? Bizarr, aber äußerst komplex in der Studie der Abgründe des Menschen - auch durch das Sadomaso-Motiv, wiederum metaphorisch durch die steinernden Fesseln der Verurteilten. Typisch das Element der jungen Protagonistin Kirsty als letzter Quell der Hoffnung in einer verkommenen Welt - anderswo auch bei Craven zu finden jener Zeit - dabei beweist Barker Feingefühl und zeichnet seine Charaktere sogar äußerst behutsam und weiß dabei doch stets effektiv das schleichende Grauen zu entfesseln, welches unter die Haut geht. Dieses Mal für mich jedoch trotzdem irgendwie kurzweilig.
Obgleich dabei Barkers Fokus sich eigentlich nur auf ein Haus richtet, um dort sein albtraumartiges Szenario zu inszenieren. Frank als Verführer als verwandelter Faust - ein Flüchtiger - und doch der Lust entgegen, die ihm einst seine Schwägerin Julia brachte, die daraufhin als Instrument seiner Machenschaften benutzt, getrieben von Neid, Eifersucht auf seinen Bruder und grenzenlosen Begierde - bekannte Motive der Leidenschaft - virtuos zusammengefügt von Barker und selbstredend mit Gretchen-Tragödie.»The Human Nature«. Das Blut als nährendes Lebenselixier und Errettung aus den Qualen - Blut, das Element mit welchem man einst den Pakt besiegelte - eine abgründige Reflexion des Menschen. »Hellraiser« als »Faust« des Genres und Clive Barker als Goethe des Horrorfilms. Mit bekanntem und doch geliebten Ausgang: Der Bestie Mensch.
8.0 / 10
Autor: Hoffman
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