»You´ve hurt yourself...the Blood! The precious Blood!« - Hier jagt Max Schreck uns einen Riesenschreck ein - dies sogar wortwörtlich! In Friedrich Wilhelm Murnaus »Nosferatu« aus dem Jahre 1922. Wo auch sonst? Der erste filmische Vampir, das zweite Ungetüm, nachdem zwei Jahre zuvor bereits Robert Wiene den Zombie in seiner Urgestalt andeutete, so tat dies auch Murnau in vampirischer Hinsicht - und es lässt sich behaupten: Er definierte vorzüglich. Mit Eleganz, Wahnsinn und Elan und Nachwirkung. Erreichte technische Perfektion und revolutionierte. Heutzutage ist es fast schon schier unfassbar mit welcher Dynamik Murnaus Film selbst heute noch aufwartet wie auch szenisch nahezu perfekt in einander überfließt, auch dank des flotten Schnitts - regelrecht temporeich inszeniert für seine Zeit. Fein unterteilt in 5 Akte und schlau Nosferatu synomysiert vor der Bram Stoker Vorlage - nach der Murnau schließlich drehte, wegen der Rechte aber den Titel und Namen veränderte.
Damit fast schon wieder seine eigenständige Form abseits des Urvampires schuf, so gesagt aus Murnaus Umsetzung des Vampires sogar zwei koexistente, aber individuelle Interpretationen des Vampires entstammen - dabei ist »Nosferatu« geprägt von Harmonie und Disharmonie, welche im besonderen auch deutlich wird durch die glanzvolle, wiederum auch wieder absolut dynamische musikalische Untermalung (Wer sich nun nebenher fragen sollte, was hierbei nicht dynamisch wäre dem wäre mit Schweigen zu entgegen, es ist schließlich auch ein Stummfilm), die für Murnau nicht nur zur treibenden Kraft wird, sondern sein Werk auch in Hinsicht seiner Verdeutlichungen der expressionistischen Darstellungen und seiner surrealistischen Motive stützt, Hans Erdmanns enthusiastischen Score sei dank, ein wahrer Genuss in seinen nahezu geweihten Tönen. Ich könnte noch ganze Absätze über diese Filmmusik - mache ich auch - oder unterlasse es einfach. Ergreifen wir zweitere Partei. Dazu reiht sich noch Murnaus bestechend inszenierter Bilderregen. Sogar Farbdramaturgie hat dieser! Funkelnd zwischen Tag und Nacht! Durch Farbkodex, Sinnbilder der blauen Nacht und Morgenröte und im gelb erhellend der Sonnenschein, detailverliebt in seinen Ausführungen.
Inzwischen die Kamera immer mehr andeutungsvoll die naturelle Nähe sucht - dies erklärt für mich zumindest Werner Herzogs Vorliebe und Interesse an diesem Film und seiner eigenen Interpretation des Stoffes - der Mensch und die Natur, ihre Symbiose oder ihre Entzweiung davon. Naturalismus heißt das Stichwort! Murnaus Werk (gekleidet in vielerlei Widersprüche) reflektiert Schönheit wie auch Grauen zugleich. Sonnenschein und Finsternis. Angst und Versöhnlichkeit. Kontraste. Andererseits kommentiert Murnau seine Charakere dabei oft ironisch-hintersinnig, in dem er ihren eigenen Irrglauben oder gar ihre Naivität an das Unheil, welches er oft genug symbolisch andeutet (wie der Schlag der Glockenuhr oder die Unsicherheit der Dorfbewohner) entlarvt und seinen eigenen Mythos damit humorvoll-schaurig festigt (»Is this your wife? What a lovely throat.«). Die Geschichte ist routiniert und vermag keiner weiteren Worte, hoffe ich. Das universelle Grauen - der Einbruch in die Gesellschaft - eine Stadt in Angst. Konfrontiert mit ihrem Glauben. - paralysiert, gar metaphorisch zu deuten. Vielleicht sogar im zeitlichen Kontext der Weimarer Republik, wobei sich daraus auch schlussfolgern lässt, dass sich Murnaus Werk weniger auf seine eigentliche Prägung des Horrorfilms beruft, als auf seinen Fokus auf die Charaktere, im besonderen natürlich auch auf die ambivalente Figur des Grafen Nosferatu. Einerseits die Ur-Definition des Verführers und Sehnsüchtigen, aber simultan dazu der Tyrann und missverstandener Außenseiter seiner Gesellschaft, der somit dieser Klassik des tragischen Individums folgt wie auch diesen nach Wiene definiert.
So kann Nosferatu aber auch als Suchender beschrieben werden, als Suchender seiner eigenen Identität wie ein hilfloses Kind, das sich nach seiner Mutter sehnt (in diesem Fall Ellen), jenes Prinzip kann aber auch verdreht werden in Ansicht der Figurenkonstellation, als Vater-Sohn-Konflikt zwischen Nosferatu und Hutter, welches im besonderen deutlich wird durch das scheue Verhalten Hutters zu Nosferatu und durch die Repression unter der er durch den Grafen leidet, was wiederum zum Tyrannen-Motiv zurückführt. Wobei somit Murnau aber seinen Vampir auch mit Zwietracht betrachtet, gar sogar mit ihm sympathisiert. Das impliziert aber darüber hinaus die thematisch hintergründige Annäherung der Sexualität. Heißt: Selbst in dieser Hinsicht kann man die Figur des Nosferatu als Reflexion der Homosexualität sehen. Dargestellt durch seinen Durst nach Blut, im besonderen kenntlich an der schnittigen Szene mit Hutter, der zurückweicht als sich Nosferatu in seinem Verlangen ihm nährt. Max Schreck agiert dazu schleichend (wie Murnaus Film an sich) in präziser Ausübung seiner kalten Blicke. Ein weiterer hintersinniger Aspekt lässt sich in Murnaus Symbolik finden, wie der Ratte als Verallgemeingerung der Verbreitung der Pest gesehen werden darf und die aus ihnen profiterende Angst der Bürger, auch dies lässt sich im zeitlichen Kontext deuten, sodass die Angst vor der Pest als Reflexion der Kriegsangst der Weimarer Republik dient. Eine Stadt atemlos vor Angst, zerfressen von der eigenen Paranoia. Ein weiteres Symbol des Unheils. So wiegen sich schließlich die expressionistischen Schatten - auf Heil und Sorge folgt Heimsuchung und Unglück - doch anders als man selbst meinte. Während der Hahn krähte, zwischen Schmerz, Rehabilitierung und Erlösung. Bringt Dämmerung Hoffnung? Oder wirft sie erst die tiefen Schatten? Was bleibt ist eine Musik der Stille. Murnaus »Nosferatu« wahrscheinlich eine Sinfonie, doch mehr der Trauer denn des Grauens, obgleich vielleicht auch gerade die Symbiose aus den scheinbaren Widersprüchen Murnaus revolutionäre Filmdefinition so unvergesslich macht. Natürlich auch meiner Vorliebe geschuldet: Den expressionistischen Schatten!
8.0 / 10
Autor: Hoffman
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