Dienstag, 9. Oktober 2012

Scorsese hat das Kino gern - Kritik: Hugo Cabret



Ich mag Martin Scorsese. Sehr sogar. Wer tut das eigentlich nicht? Hat der Herr uns doch mit Meisterwerken wie "Taxi Driver", "GoodFellas" oder "Raging Bull" beglückt. Den kann man nur mögen, meiner Meinung nach. Aber trotzdem, wie bei so vielen Regisseuren ist auch bei Scorsese meiner Meinung nach ein Abwärtstrend zu erkennen. Seine Zusammenarbeit mit Leonardo DiCaprio ist nicht schlecht, keine Frage. Ich fand alle Filme eigentlich gelungen, beziehungsweise im Falle von "Departed" ausserordentlich gelungen. Doch im Vergleich zu seinen Filmen, die er mit De Niro drehte, merkt man schon, dass Scorsese mit keinem seiner Di Caprio Filme in der selben Liga spielt. Aber gut, es waren und sind nach wie vor meist gute Filme dabei raus gekommen und Scorsese hat im Vergleich zu Regisseuren wie John Carpenter im Lauf der Jahre nicht sein eigenes Grab ausgehoben. Ich mag ihn noch immer, ganz einfach. Eventuell ist er ja der beste lebende Regisseur, auch wenn ich mich mit solchen Aussagen immer eher etwas zurückhalten möchte. Nun, im Jahr 2011 kommt also selbiger, von mir sehr geschätzter (um das noch einmal zu betonen), Herr Scorsese mit einem neuen Film daher: "Hugo Cabret". Okay, wenn ich ehrlich bin: Schon den Namen fand ich komisch und als ich dann noch die Beschreibung las, dachte ich, dass das der erste Scorsese sein würde, mit dem ich rein gar nichts anfangen könnte. Das wäre das Ende einer Ära gewesen. Das wollte ich nicht riskieren. Und daher mied ich den Kinobesuch und verdrängte den Film einfach und schwelgte weiter in der Vergangenheit, mit Meisterwerken wie "Taxi Driver" und "GoodFellas"...


Hinterköpfe im Fokus. Ganz klar eine Hommage an Tarkovskys ›Stalker‹


Aber gut, auch wenn ich ein Hinterwäldler bin, habe ich trotzdem Zugang zu diesem "Weltnetz", oder wie man das nennt, und daher bekam ich Wind von all den Lobeshymnen auf "Hugo". Zuvor wurde mir dieser Film nur privat von Personen, die ich filmtechnisch für nicht zurechnungsfähig halte, empfohlen. Ich wusste nicht wirklich ob ich mir das antuen sollte, ich war, wie so oft, misstrauisch und dachte, dass das nur wieder einer dieser manipulativen Hypefilme wie "(500) Days of Summer" wäre, dem ich sogar in die Falle gegangen bin. Das durfte nicht noch einmal passieren! Doch von großen Vorsätzen bleibt oftmals nicht viel übrig und so  gelangte die DVD durch puren Zufall vor ein paar Tagen in meine skeptischen Hände.
Und so machte ich es mir auf dem heimischen Sofa bequem um einen weiteren Film dieses sehr verehrten Regisseures zu sehen. Jedoch verlor ich schon nach zwanzig Minuten das Interesse an dem Film und war in Gedanken ganz wo anders... Kann auch sein, dass ich für ca. zehn Minuten kurz wegdöste, da mir der Film schon nach kurzer Zeit nicht wirklich zusagen wollte. Die Inszenierung war mir ein wenig zu viel des Guten, zu gewollt, zu viel CGI, zu verträumt... Kurz: ich fands kitschig und das ist eigentlich immer doof. So wurde diese Sichtung eigentlich zu einer kompletten Farce, da es eigentlich, aufgrund meiner geistigen Abwesenheit, keine war. Ich war einfach ziemlich enttäuscht. Ich dachte wirklich, dass sei der erste Scorsese, den ich doof finde. Aber irgendwie wollte ich ihm dann doch eine neue Chance geben, da mein Verhalten nicht gerade schön war und ich gehört hatte, dass das, was den Film so toll macht, erst nach einer Weile zur Geltung kommt. Und ausserdem spielten Christopher Lee, Ben Kingsley und der von mir, trotz "Brüno", sehr geschätzte Sacha Baron Cohen mit, den ich für einen großen Künstler, Komiker und Schauspieler halte.




Also gut, neuer Tag, neues Glück: Den Anfang spulte ich weg und setzte den Film ab ca. Minute 30 einfach mal fort. Und hey! Er gefiel mir auf einmal. Die Geschichte vom kleinen Waisenjungen Hugo Cabret, der im Paris des Jahres 1930 einer Spur seines toten Vaters nachgeht und dabei dem Filmpionier Georges Méliès hilft, seine, für Verschollen geglaubten, Filme zurückzubekommen ist einfach eine richtig schöne Liebeserklärung eines richtig großen Regisseurs an das Kino. Ich war schon ein wenig sauer auf mich selbst, dass ich mich am Vortag so ignorant verhalten hatte. Denn Scorsese versucht und schafft es hier, das Publikum für einen Pionier des Films und seine Werke zu begeistern. Es ist einfach eine richtig tolle Zeitreise mit lauter Anspielungen und Hommagen an die großen Klassiker der Stummfilmzeit, von "Die Reise zum Mond" über die Filme Charlie Chaplins und Fritz Langs "Metropolis" bis zu Pabsts "Die Büchse der Pandora". Alles dabei. Dem geneigten Filmfreund, Filmkenner oder auch Cineasten wird hier wirklich fast schon warm ums Herz. Und - und das finde ich viel wichtiger - Scorsese versucht hier auch ein jüngeres Publikum anzusprechen und dieses für die Pioniere des Films zu begeistern. Eventuell war Scorsese um die Entwicklung des Mediums besorgt und deshalb lag ihm dieser Film so am Herzen, denn durch Filme wie "Hugo Cabret" könnte ein jüngeres Publikum wieder erkennen, was Film wirklich bedeutet und nicht auf Dilettanten wie Michael Bay und Marcus Nispel reinfallen. Die Sichtung hat wirklich Spaß gemacht und konnte selbst einem notorischen Pessimisten und Griesgram wie mir oftmals ein Lächeln auf die Fratze zaubern. Das ist wirklich die pure Magie des Films. Wunderbar. 

Jedoch muss ich auch noch anmerken, dass "Hugo" primär eher ein Kinderfilm ist und ich merkte auch bei der Zweitsichtung, dass ich nicht unbedingt zur Zielgruppe gehöre, da Scorseses Inszenierung zwar schön ist, aber nach wie vor für mich ein wenig zu CGI-lastig, verträumt und kitschig war. Aber ihr, wenn ihr das Geschwafel überhaupt lest, und den Film noch nicht gesehen habt, sollt euch von meinem Genörgel nicht abschrecken lassen. Es ist ein schöner Film, den ich jeden weiterempfehlen kann, da man hier wirklich noch die Magie des Films spürt, was heute nur noch auf wenige Hollywoodproduktionen zutrifft. Alleine schon dafür mein Dank an Scorsese, dass er zeigt, dass die Magie des Kinos noch nicht völlig verschunden ist. Und natürlich freut es mich auch, dass mir auch dieser Scorsese, auch wenn er sehr untypisch war, gefallen hat und der gute Mann bei mir weiterhin seine weiße Weste behält.







7,5/10


Autor: MacReady

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