Freitag, 25. April 2014

Ein Mönch in Marseille - Kritik: Xi You - Journey to the West (2014)





Tsai Ming-Liangs neuster Film dokumentiert mit viel Geduld den Weg eines buddhistischen Mönches, welcher in ein hervorstechend rotes Gewalt gekleidet ist, durch die französische Stadt Marseille. Er wandert durch diese belebte Stadt mit kleinsten Bewegungen. Tsai Ming-Liang stellt diese zwei Seiten in seinen Bildern direkt gegenüber. Die Bewegungen des Mönches sind vollkommen entschleunigt, aber es gibt sie, diese Bewegungen, es gibt im Grunde keinen Stillstand. Wobei sich nach einer gewissen Zeit hier die Frage stellt: Gibt es überhaupt so etwas wie den absoluten Stillstand? Daneben beobachtet Ming-Liang hin und wieder das markante Gesicht Denis Lavants. Er zeigt das Gesicht in der Nahaufnahme. Gesichter werden bei ihm zu Bergen oder Gebirgen, zu eigenen Landschaften, die ebenso mit der naturellen Landschaft verschmelzen können, als wären diesen ein Teil dieser Landschaft. Ming Liangs Film ist dabei unaufdringlich, leise und still, wie sein Protagonist, der unauffällig-auffällig wirkende Mönch in dieser Szenerie. Er ist die Ruhe selbst bei dieser Aktion. Langsamkeit und Entschleunigung beherrschen diesen naturellen Film.

Ming-Liang nimmt sich viel Zeit für Beobachtungen und jede einzelne noch so minimale Bewegung. Dabei könnte man seinen Film auch irgendwie als meditativ bezeichnen. Zumindest war das mein Eindruck von ihm. Dadurch, dass Ming-Liang die Bewegungen des Mönches überaus ausführlich beobachtet, beginnt man die Bilder zu studieren, man sucht alles ab, man beginnt jeden Winkel zu untersuchen und auch die Reaktionen des Umfelds und der Menschen auf den Mönch zu studieren. Ming-Liang gibt einem dabei einen großen Freiraum um die Bilder zu begutachten. Der Hafen, eine Treppe, ein Cafe oder auch Fußgängerwege zimmern den Pfad des Mönches. Drumherum blicken die Menschen auf den Mönch, beobachten ihn, bleiben stehen und schauen auf ihn oder gehen einfach weiter. Mir stellte sich nach einer Weile die Frage, ob die Kamera für die vorbeilaufenden Leute sichtbar war oder ob den Menschen bewusst war, dass dort gedreht wurde? Interessant ist auch, dass ein Mann beginnt den Mönch und seine Bewegungen zu imitieren (oder ihm vielleicht zu folgen?). Einmal steht das Bild sogar Kopf, wir beobachten die Welt verdreht. Umso mehr Zeit verging, umso faszinierter war ich von diesem Prozess und von dem Film selbst. Zuletzt heißt es dann: »Wie ein Stern, eine Luftspiegelung, Butterlampe, wie Illusion, Tautropfen im Wasser, Luftblasen im Wasser, wie einen Traum, einen Blitz, eine Wolke, so sieh alles an, was zusammengesetzt ist.«

6.5 / 10

Autor: Hoffman 

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