Freitag, 21. November 2014

Die ungebrochene Beliebtheit von Widerlingen - Kritik: Nightcrawler (2014)



Mit Darstellungen von Psychopathen in Filmen ist es immer so eine Sache: Einerseits stoßen sie ab, weil ihr (selbst-)zerstörerischer Charakter gründlich durchschimmert oder zumindest durchschimmern sollte. Andererseits faszinieren sie ungemein, was sich an der anhaltenen Popularität von beispielsweise Tyler Durden (Fight Club) oder Travis Bickle (Taxi Driver) offenbart. Diese bewegt sich öfters in Bereiche der Verehrung oder mündet in einer neuen Stilikone, die fortan T-Shirts, Tassen und Bildschirmschöner schmückt. Nun wüsste ich nicht, ob eine solche Bewegung an den minderjährigen Anhängern jener Filme liegt, die sich leicht empfänglich für derartige normbrechenden Ideologien zeigen, tendenziell würde ich aber verneinen, dass es eine Angelegenheit des Alters ist. Nun schätze ich eben die beiden genannten Filme sehr und halte die Abbildung der Figuren für ambivalent genug, dass eigentlich jeder Rezipient fähig sein sollte, keine Sympathie aufzubringen. Faszination ist bis zu einem bestimmen Grad in Ordnung, nur sollte sich bestenfalls am Ende offenbaren, dass man selbst in die Falle der präsentierten, anarchistischen Denksweise geraten ist. Jedenfalls bewegen sich jene Werke auf dünnem Eis. Ein neues Beispiel für diese Figurengruppe ist Lou Bloom (Jake Gyllenhaal), der bereits im Trailer mit einer unfassbaren Frisur und einer schmierig-schleimigen Intensität (pure Sleaze!) entzückte.  Lou ist allerdings kein Taxifahrer, produziert keine Seife und lässt seinen Aggressionen auch nicht in der Wall Street freien Lauf. Lou ist Kameramann und filmt nachts die drastischsten Auswirkungen von Unfällen (in Anwesenheit der Polizei und Sanitäter), um die Aufnahmen an kleine Nachrichtensender zu verkaufen. Er ist ein sogenannter Nichtcrawler.


Lou Bloom ist das Bindeglied, das Dan Gilroys Regiedebüt NIGHTCRAWLER zusammenhält. Ohne seiner kontinuierlichen Präsenz würde es nicht viel geben, was besonders heraussticht. Nächtliche (Digital-)Aufnahmen, die eine Stadt nach Sonnenuntergang zum Faszinosum, zur eigenen Welt erklären, gab es zuletzt unter anderem in DRIVE oder LOCKE, obgleich das Morgengrauen hier stark in Szene gesetzt ist. Die Erschöpfung einer durchgemachten Nacht lässt sich regelrecht in den Knochen spüren. Indes funktioniert NIGHTCRAWLER als Mediensatire nur bedingt bis überhaupt nicht. Von der Senderchefin, die sich letztlich als verzweifelte Karrieristin erweist bis zur allgegenwärtigen Sensationsgeilheit entsteht hier gewiss nicht neues. Das schockt nicht, ist undifferenziert und abgestanden. Es ist vielmehr das Portrait eines unglaublichen Egozentrikers, welches nachhaltig überzeugt. Dieser geradezu entwaffnende Charme ist es, der andere Figuren in den Abgrund zieht, der intrigiert und der eindeutig keinen Respekt vor Menschenleben besitzt. Öfters wird Gyllenhaal für seine Rolle die stärkste Leistung seiner Laufbahn attestiert. (für die er sich sogar runterhungerte. Ist Method Acting nun doch ein Erfolgsgarant), wogegen ich nicht widersprechen würde. Gelegentlich musste ich sogar laut auflachen angesichts Blooms misanthropischen Weisheiten  ("What if my problem wasn't that I don't understand people but that I don't like them?". "A friend is a gift you give yourself."). Bin ich nun einem weiteren Blender auf den Leim gegangen, was ich im ersten Absatz im Grunde noch als Schuld des Rezipienten angegeben habe? Ich weiß es nicht. Nur eines kann ich mit Sicherheit sagen: Es ist geil, ein (filmisches) Arschloch zu sein.


                                                            7.0 / 10

Autor: DeDavid

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