Mittwoch, 18. Februar 2015

It's a shpadoinkle day! - Kritik: Cannibal - The Musical (1996)



Jahre bevor Trey Parker mit seiner anarchischen Schöpfung "South Park" zum unzweifelhaften Genie der gezeichneten Satire avancieren sollte (neben Kollege Matt Stone versteht sich), schuf er als erstes Projekt in Spielfilmlänge ein Musical, das den wahren Fall des Goldgräbers Alfred (oder eben Alferd) Packers behandelt. Dieser brach mit fünf Begleitern Ende 1873 auf, um die Rocky Mountains zu durchqueren. Ein Unterfangen, welches für sämtliche Begleiter böse enden sollte, denn die bittere Kälte und die körperlichen Strapazen der Reise überlebten sie nicht. Immer wenn einer der Männer umkam, verzehrten die Übriggebliebenen als letzte Möglichkeit dessen Fleisch. Packer blieb als einziger Überlebender übrig und erreichte im April 1874 wieder die Zivilisation. Durch widersprüchliche Aussagen verstrickte er sich in Verdächtigungen gegen ihn, die nach einer fragwürdigen Gerichtsverhandlung in ein Todesursteil mündeten, welches jedoch aufgehoben wurde. So weit, so gut. Die historische Figur des Alfred Packer dürfte nur den wenigsten hierzulande ein Begriff sein. Anders sieht es selbstredend für Trey Parker aus, der in Colorado geboren, mit der in die Populärkultur  eingegangenen Person mehrfach konfrontiert wurde. Aus ebenjener Erzählung jedoch ein Filmmusical zu kreieren, ist eine Idee, die - ebenso absonderlich wie amüsant - ganz eigene Reize entwickelt. Anfangs als Trailer gedacht, wuchs das Projekt mit einem geringen Budget von 125.000$ zum Spielfilm, der bereits 1993 erstmalig aufgeführt wurde, jedoch erst unter der Ägide des Trash-Verleihs Troma Entertainment eine breitere Veröffentlichung spendiert bekam. Zum Glück, denn für ein Debüt ist "Cannibal - The Musical" trotz aller finanzieller Bescheidenheit schlichtweg beachtlich.


Das mag in erster Linie an Parkers Gespür für Musicalnummern liegen, die ja auch "South Park" ausschmücken und im dazugehörigen Film sogar für eine Oscarnominierung sorgten. (Der herrlich ungezwungene Auftritt von Parker und Stone bei der Oscarverleihung ist hier zu finden). Von "Shpadoinkle Day" über "That's All I'm Asking For", den "Trapper Song" und "Hang the Bastard" sind diese zwar fast schon zu rar gesäht, dafür allerdings nie zu lang und schön schwarzhumorig. Sentimentalere Töne werden getroffen, wenn Alfred seinem verlorenen Pferd mit "When I Was on Top of You" hinterhersingt, was natürlich an sich schon intendierter Komik gebiert. Das Pferd ist übrigens nach Parkers ehemaliger Freundin Liane benannt. Auch eine Möglichkeit, sich für eine gescheiterte Beziehung zu rächen. Doch auch abseits der Musicalnummern geht es irrsinnig zur Sache: Eine schwarze Katze teilt den Goldgräbern mit donnernder Stimme mit, dass sie verdammt seinen, die Fehde zwischen ihnen und den sich überlegen fühlenden Trappern mutet besonders blödsinnig an und ein Indianerstamm besteht überdeutlich hinweisend aus Japanern, die ihre Katanas mit sich tragen. Die Querverweise zu "South Park", die sich am ehesten als Vorbild lesen lassen, dürften insbesondere den Kennern auffallen: An einer Stelle ist die technisch veränderte Stimme von Eric Cartman zu hören (eventuell als Easter Egg im Nachhinein eingefügt?), die Reporterin Polly Pry erinnert namentlich und äußerlich sehr an Cartmans Polly Prissy Pants (Deutscher Name: Polly Pupspüppchen) und einer der Goldgräber nimmt kurzzeitig seine Mütze ab, nur um eine rote afroartige Mähne zu enthüllen wie die Serienfigur Kyle Brovslovsky. Von da her sei "Cannibal - The Musical" an erster Stelle den Komplettisten empfohlen, die Trey Parker filmisches Gesamtwerk kennen wohlen und dann erst den Musical-Anhängern, denen die Produktion nicht zu billig (hat doch auch seinen Charme?) ist. Nächste Station dann: Die hoffentlich demnächst verwirklichte Filmadaption von "The Book of Mormon".


                                                                       7 / 10

Autor: DeDavid

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