Es wird wieder pulpig (nach amerikanischen Vorbild) im Godarduniversum, samt Ménage à trois (so wie sie Truffaut bereits hatte; doch auch für Godard ist es nicht das erste Mal, dass er eine solche erzählt). Den altbekannten Stoff bietet Godard frech, verspielt und vergleichsweise zugänglich an. Wie?! Welche Worte vernahm ich dort eben, ein »zugänglicher Godard«? Diese Konstellation ist möglich? Für wahr! Unglaublich möchte meinen, dass es so etwas gegeben hat und immer noch gibt (man hätte ja damit rechnen können, dass Godard ihn mittlerweile vernichtet haben könnte)! Und wie harmonisch, frei und doch einfach dazu die Bilder Coutards sind, vielleicht auch gerade deswegen, weil sie im widersprüchlich kargen Banlieue angelegt sind, ist absolut verblüffend. Auf ein neues wurde mir hier meine Faszination für diese Natürlichkeit der Bilder so bewusst. Umrahmt vom einen Erzähler schildert Godard also eine Dreiecksgeschichte über einen Überfall und einen Schrank voller Geld, welches das erhoffte Glück und die Freiheit bringen soll. Die wesentlichen Anhaltspunkte dafür sind demnach ein Haus am Fluss, ein romantisches junges Mädchen und ein Englischkurs, bei dem man über Tradition und Moderne spricht und Godard romantisch die Liebe zwischen Charakteren vermittelt, während im Hintergrund aus Shakespeares »Romeo & Julia« ungestüm gelesen wird.
Karina strahlt eine gewisse Schüchternheit als Odile aus, als wäre sie ein altmodisches Schulmädchen, gibt sich brav, zierlich und schaut unschuldig drein und das äußerst glaubwürdig. An sich wirken Godards Figuren wie Jugendliche, die noch nicht ganz mündig von ihrer Mentalität her scheinen, aber gewillt sind ihre Pläne (= den Raub aus Eifer) in die Tat umzusetzen. Passend und im Kontrast zu Karinas Charakter geben sich Frey (mit Hut!) und Brasseur oft draufgängerisch, manchmal fast gedankenlos bei ihren Possen. Godard lässt hier die Bilder sprechen, sie zeigen die Gefühle der Charaktere. Wohl dosiert sind so die Dialoge. Das ist ungewohnt zurückhaltend für Jean-Luc, aber charmant. So beherrschen Gags und Spielereien diesen Godard, so dient die oftmals eingängige musikalische Untermalung (natürlich) der Unterstützung der Stimmung, im Verhältnis von Einsatz und Abbruch wird dies recht klassisch von Godard verwendet. Mit der Zeit gibt sich Godard aber umso aufgeweckter, ändert bewusst die Positionierung der Figuren in Szenen und lässt sich die absolute Schweigeminute auf Kommando nicht nehmen, wahrscheinlich um ganz nebenbei etwas zu provozieren: »Das ist zum Kotzen langweilig!«, so die Worte von Freys Charakter auf diese Aktion, eine originelle Abwandlung des berühmten Zitates aus Godards Erstlings.
Ein flottes, durchchoreographiertes Tänzchen, das es in sich hat, will man da auch nicht missen, welches Godard zudem durch die Einschübe des Erzählers dabei ironisiert und die Figuren deutet. Aufgeweckt präsentiert er sich auch wenn er seine drei Protagonisten zum temporeichen Louvre-Besuch (in 9 Minuten und 43 Sekunden! Und hier bin ich mir sicher, dass es eine Bezugnahme auf Truffauts »Jules und Jim« ist) einlädt und Karinas Gesicht direkt zum Zuschauer gerichtet in der Großaufnahme filmt. Das weckt Emotionen, das weckt Euphorie. Was soll bei einem solchen Überfall somit noch schiefgehen? Der erste Versuch erfolgt maskiert mit Strümpfen. Wenn dann hält sie nur die Liebe auf, die sie spaltet und die Unbarmherzigkeit des Lebens, die sie dezimiert. Das Ende schippert dahin, die Fortsetzung (in Farbe) folgte bis dato dafür nicht. Vielleicht hat er sie vergessen oder gar verdrängt. Was solls, bei »Bande á part« will und darf ein Godard spielen. Später soll er diesen Streifen wiederum gehasst haben, vielleicht war es für ihn tatsächlich nur noch »billiger Schund«. Fragt sich nur wieso.
7.5 / 10
Autor: Hoffman
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