Immer
wieder kommt ein Film daher, der sehr ruhig erscheint, unter dessen
stiller Oberfläche es aber brodelt. Die Konflikte der Figuren lassen die
Oberfläche erzittern, beben, erschaudern. So weiß der Zuschauer mit
Bestimmtheit: Diese Spannungen werden sich in einer Katastrophe
entladen. In Bennett Millers "Foxcatcher" sind es eben diese schlechten
Vorzeichen, die die zurückgenommene Darstellung unterlaufen und aus
denen ein nahezu exzellentes Drama entwächst. Erzählt wird die wahre
Geschichte der Brüder Mark (Channing Tatum) und David Schultz (Mark Ruffalo), die als professionelle
Ringer bereits einige Titel ihr Eigen nennen, jedoch mitnichten somit großen
Reichtum besitzen. Hat der deutlich ältere David bereits ein eigenes Reihenhaus samt Frau und Nachwuchs, fristet Mark ein eher tristes Dasein in
seiner abgedunkelten Junggesellenwohnung. Schon hier wird deutlich, dass der
Ringsport nicht die angemessene Entlohnung erhält oder auch Bedeutung trägt,
die er auf so hohem Niveau eigentlich verdient. Dann erhält Mark einen
Anruf vom zwielichtigen Millionär John du Pont, der plant, eine
Ringermannschaft für die anstehende Weltmeisterschaft und Olympia zu
trainieren. Eine solche einmalige Chance sollte sich keiner entgehen
lassen, deshalb fliegt Mark direkt nach Pennsylvania zum Anwesen der du
Pont-Familie. Sein Bruder lehnt das unausschlagbare Angebot indes mit
Verweis auf seine Familie ab. Mark aber wird schon bald das wichtigste
Mitglied im Team "Foxcatcher" und ist zudem sehr erfolgreich. Das
Verhältnis des ungleichen Paars Schultz und du Pont bekommt tiefe Risse, als der schwerreiche Choleriker es doch
noch schafft, dass der überlegene Bruder dazu stößt. Nun klafft eine
gewaltige Kluft zwischen den Beteiligten auf, die sich nicht mehr kitten
lässt.
"Foxcatcher" ist zwar bei der 87.
Oscarverleihung bedacht, jedoch nicht ausgezeichnet worden - im
Gegensatz zu den 8 für den Hauptpreis nominierten Filmen, unter denen
jeder mindestens einen (Trost-)Preis in einer mehr oder weniger
relevanten Kategorie erhielt. Diese Vernachlässigung ist sehr schade,
denn gerade der The Office-Darsteller Steve Carell, der eigentlich auf
komödiantische Rollen festgelegt scheint, überzeugt als verkommener
Millionärssohn sowie selbsternannter Ornithologe, Philatelist
und Philanthrop [sic!], mit einer sehr markant gebogenen Nase und spürbarem
Mutterkomplex. Während diese ihre Trophäen mit gezähmten Pferden
verdient, verachtet ihr Sohn dieses Hobby ausdrücklich ("Horses are
stupid. Horses eat and shit. That's all they do. It's very silly. It's
all very silly."). Eine Geringschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht,
denn Mutter du Pont hält ihrerseits nicht viel vom niederen physischen
Sport des Ringens, sodass sich die Reaktion ihres Sohnemanns eher als
trotziger Versuch lesen lässt, ihr ebenbürtig zu sein. Das luxuriöse
Anwesen der du Ponts steht ganz in tiefer Faszination der Ahnen und der
Schlacht, die einst auf dem Gelände stattfand. Ein depressiver Ort, der
von den Geistern der Vorfahren heimgesucht wird und ständig in Nebel
gehüllt ist. Das Stimmungsbild des Film wird durch die herbstliche bis
winterliche Tristesse verstärkt. Wobei die anfangs gute (angedeutet
homoerotische) Beziehung zwischen Ringer und Millionär diesen kargen
Zustand durchbricht. Es ist eine Freundschaft, die gar nicht bis in alle
Ewigkeit gut gehen kann und die nicht völlig von den Launen des reichen
Gönners abhängt. Schon bevor beide Brüder im Team Foxcatcher abermals
aufeinandertreffen, scheint Mark etwas zu quälen. Er steht im Schatten
seines Bruders, aus den er nicht heraus kann. Ironischerweise findet das
Brüdergespann eher wieder zueinander und bringt den sogar
eifersüchtigen du Pont gegen sich auf. "Foxcatcher" ist kein braves
Biopic, sondern nimmt sich einige Freiheiten (die Mutter ist schon vor
der Entstehung des Ringerteams gestorben) und ist auch nicht an braver
Nachstellung der Ereignisse interessiert. Es ist aber auch kein
Sportfilm, der eine Karriere mit Höhen und Tiefen verfolgt. Es ist ein
bitteres, kluges Drama, bisweilen sogar mit komischen Untertönen, dass
die Psyche des Figurengefüges erforscht und darin ist Millers drittes Werk schlichtweg umwerfend.
7 / 10
Autor: DeDavid
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen