Mittwoch, 28. Oktober 2015

Carpenterman Returns - Kritik: John Carpenters The Ward (2010)



John Carpenter macht es mir mit seinem ersten Langfilm nach fast zehnjähriger Pause ("Ghosts of Mars" wollte ich hier eigentlich nicht namentlich erwähnen, da selbst ich als Carpenter Fanboy bis in den Tod diesen Streifen einfach unterirdisch beschissen und nahe an der Grenze zum eigen Begräbnis, des von mir sehr bewunderten Regisseurs, fand. Aber gut, ich brauche einen Bezugspunkt, um "The Ward" bewerten zu können, denn - so viel sei gesagt -, er ist besser als "Ghosts of Mars". Daher auch diese riesige Klammer, da ich den Film "Ghosts of Mars" nicht im eigentlichen Text erwähnen will. Verschweigen und vergessen, sozusagen.) alles andere als leicht. Ich muss zugeben, ich habe nicht mal irgendwas Großartiges, geschweige denn Innovatives, erwartet, denn trotz Fanboy Bonus waren meine Erwartungen an dieses Filmwerk irgendwo im nirgendwo der Filmgeschichte; und genau dort befindet sich "The Ward" auch nach der Sichtung. Er ist nicht total schlecht, auch nicht einfach nur schlecht, allerdings auch nicht mittelmäßig, gut, genial oder sonstwas. Die einzige richtige Erkenntnis, die mir Kauf und Sichtung der DVD erbracht hat ist, dass John Carpenter tatsächlich wieder auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, um einen abendfüllenden Film zu drehen. (Das war jetzt ein Ausflug in die Erkenntnistheorie, da man ja nie wissen kann, ob etwas wirklich existiert, solange man es nicht selbst gesehen hat. Allerdings ist das bei einer DVD auch wieder anstreitbar, da man ja nicht unmittelbar am Geschehen beteiligt ist, aber egal, ich muss bei der Sache bleiben...)



In Ordnung, John Carpenter sitzt auf dem Regiestuhl. Und wer ist sonst noch dabei? Aber sicher doch, ein Haufen junge Dinger, angeführt von Blondchen Amber Heard. Und wo sind die denn? Genau, in einer Psychiatrie in den 1960er Jahren. Gut, das ist schon mal nichts Neues, denn auch im Horrorfilm ist die Psychiatrie - in der Regel in geschlossener Form - ein gern gewählter Schauplatz, um den Zuschauer das Fürchten zu lehren. Man könnte jetzt allerdings auch ausschalten, da solche Irrenanstaltfilme immer nach einem ähnlichen Muster ablaufen, und man sich das nicht noch mal ansehen muss. Aber, aber. Schon vergessen, wer da Regie führt? Genau, der alte Onkel Carpenter! Und was ist eines seiner Lieblingsthemen? Kleiner Tipp: Jetzt bei Unkenntnis eventuell aufhören zu lesen, und sich "Dark Star", "Assault on Pricinct 13", "The Thing" (von Carpenter natürlich), "Escape from New York", "Halloween" oder einfach sonst welche Carpenter Filme ansehen, dann kommt man drauf, denn die Antwort dürfte auf der Hand liegen: Isolation. Und durch Isolation entsteht Klaustrophobie, und durch die entsteht Angst. (oder andersrum? Auch egal, ich bin kein Psychologe.) Und genau diese soll ein guter Horrorfilm in der Regel beim Zuschauer auslösen. Und da Mr. Carpenter schon gute bzw. sehr gute bzw. geniale Horrorfilme gedreht hat, ist das durchaus ein legitimer Grund, sich "The Ward" zu widmen. Gut, wer das jetzt also dann doch macht, dem tut das zwar nicht weh, aber irgendwie ist man auch enttäuscht: man ist die erste halbe Stunde mehr oder weniger stiller Beobachter der Ereignisse, und fragt sich beispielsweise, warum Carpenter die Eröffnungsszene, die darüberhinaus von einem merkwürdigen Score begleitet wird (Man stellt sich hier auch die Frage, warum Carpenter nicht selbst komponiert hat. "Halloween" zum Beispiel wäre niemals so gut ohne den Carpenter-Score. Vermutlich kann er es nicht mehr, oder er traut es sich nicht mehr. Macht mich irgendwie traurig der Gedanke.), nicht für eine Exposition alá "Halloween" (nicht wie in "Halloween", aber halt mit ähnlicher Wirkung), die den Zuschauer schon zu Beginn fesseln kann, nutzt. Stattdessen führt Carpenter das Geschehen und die Story um die geistig umnachtete Kristin in die Psychatrie, lässt aber in meinen Augen kaum eine Gelegenheit aus, um dem Zuschauer darauf hinzuweisen, auf was das Alles gegen Ende des Films hinauslaufen soll. (100%ig habe ich es natürlich nicht vorausgesehen, aber so etwas wie die Auflösung am Ende des Films schwirrte mir schon nach zehn Minuten im Kopf herum) Das klingt jetzt negativer, als ich es erlebt habe, denn inszenatorisch kann man das schon als durchaus gelungen bezeichnen, und Carpenter erzeugt, sobald man sich in der Psychiatrie befindet, auch seine für ihn typische Isolation. Das kann er halt, hat er schon oft genug bewiesen.

Isolation ist ja auch schön und gut, doch es bleibt erstmal nur bei selbiger, der für Carpenter typische klaustrophobische Funke will nicht so recht überspringen; vielmehr hatte ich das Gefühl, als dass der Meister sich hier munter selbst zitiert, denn es werden noch andere Figuren eingeführt: die restlichen weiblichen Insassen, die sich zwar nicht sonderlich leiden können, aber sich über kurz oder lang gegen einen - nennen wir es mal - "bösen Eindringling" zur Wehr setzen müssen, der sie Eine nach der Anderen killt. Okay, das kommt einem doch bekannt vor: ein paar Leute sitzen an einem isolierten Ort fest und werden von einem bösen Feind bedroht, müssen - ob sie es wollen oder nicht - einander vertrauen und zusammenarbeiten (bzw. sollten sie das, wenn sie lebendig da rauskommen wollen) und sind nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen. Das ist in etwa die Ausgangslage von "Dark Star", "Assault on Precinct 13", "The Thing" oder einem anderen Carpenter Klassiker. Diesmal jedoch mit der Einschränkung, dass die "Helden" hier alle "Heldinnen" sind: alle jung und - wenn auch nicht Traumfrauen - zumindest, sagen wir mal, ansprechend. Grundsätzlich ist das auch kein Problem (Emanzipation und so...), aber man hat anhand der in Szene Setzung des Ganzen irgendwie das Gefühl  als ob - der mittlerweile doch recht in die Jahre gekommene - Carpenter hier eine Altherrenfantasie aufs Zelluloid bannen will, da beispielsweise eine Duschszene von einer ausgiebigen Kamerafahrt durch die Gruppendusche der Damen begleitet wird. Prinzipiell bin ich ja auch durchaus ein Freund von weiblicher Nacktheit, doch man beginnt sich dann schon zu fragen, ob dem Regisseur nichts anderes einfällt, als seine Darstellerinnen beim duschen in Szene zu setzen. (An alle, die den Film jetzt deswegen sehen wollen: alles softcore. Ein schöner Rücken kann auch entzücken.)


Wie auch immer, genug genörgelt, mit fortschreitender Laufzeit - und unmittelbar nach besagter Szene in der Dusche - kommt "The Ward" langsam in Fahrt. Betonung auf "langsam", und diesmal durchaus im etwas negativeren Sinne, denn es kommt zwar Atmosphäre auf, die sogar in Abstrichen die - zugegeben mittlerweile etwas schlampige - Handschrift eines John Carpenters trägt. Toll.
Jedoch biedert sich Carpenter mehrmals dem Torture Porn an, versäumt dabei aber wirklich Spannung oder Empathie für die Figuren aufzubauen, weshalb man sich wieder mal frägt, ob sich der gute Mann nicht anders zu helfen weiß. Wo ist der John Carpenter aus "The Fog", "Halloween" oder "Assault", der mit minimalen Mitteln größtmögliche Spannung erschaffen konnte?
Dieser Carpenter hätte solche Torture Porn Einlagen nicht nötig gehabt. Als Fan bekommt man einen leichten Klos im Hals, da einem der Mann irgendwo fast schon Leid tut. Allerdings fand ich den Film zu keinem Zeitpunkt so schlecht, wie ich ihn hier beschreibe, denn immer wieder taucht da wieder diese einmalige Atmosphäre, die nur John Carpenter erschaffen kann, auf. Jedoch bleibt sie nicht dauerhaft, es ist eine atmosphärische Achterbahnfahrt: mal hoch, mal tief, mal kurz, mal lang... Dies führte bei mir auch zu einem Wechselbad der Gefühle, das von Ärger und Mitleid über Nostalgie bis Erstaunen irgendwie alles beinhaltete. Schließlich endete der Film für mich wenig überraschend, und ich sah den Abspann an mir vorbeirauschen, aber ich wusste und weiß noch immer nicht, was ich davon halten soll.



Fakt ist, mit einem guten Carpenter, wie ich ihn schätze, hat das wenig zu tun, und von einem gelungenen Comeback zu sprechen oder enthusiastische "Carpenter ist zurück!"-Rufe in den Nachthimmel zu brüllen, wäre auch absolut falsch und vermessen. "The Ward" ist einfach ein Film, den, ganz ehrlich, niemand wirklich gebraucht hätte: weder Carpenter, der hier nichts Neues bietet, noch die Schauspieler, die durch den Film sicherlich nicht am Schauspielhimmel landen werden, und auch die Film- oder Carpenterfans nicht, da er - unabhängig von Carpenter und seinem sonstigen Spätwerk - einfach total belanglos ist. Aber - und da spreche ich als Carpenter Fanboy -, ich habe nichts erwartet und ich bekam auch ein großes Nichts von Film, weshalb ich dem Film nicht vorwerfen kann, mich enttäuscht zu haben, denn auch wenn ich ihn eher negativ schildere, war die Sichtung doch unterm Strich ein recht ordentliches Erlebnis, nicht total schlecht, aber auch nicht wirklich gut, obgleich das Pendel des Film stellenweise in beide Richtungen ausschlug. Als Fazit bleibt mir nur zu sagen: John Carpenter ist wieder da, und das ist ganz okay.


5.0 /10

Autor: MacReady

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