Samstag, 31. Oktober 2015

Michael Myers Entmystifizierung und die undurchdringliche Schwärze der Nacht - Kritik: Halloween II (2009)

Zwei Jahre nach Rob Zombies missglücktem Versuch, den Mythos der Halloween-Reihe wieder neu entflammen zu lassen, erblickte ein Sequel das Licht der Welt, welches in mehrerlei Hinsicht eine Außenseiterstellung einnimmt und als oftmals leider verkannter Murks abgestempelt wird, für manche Menschen mit einer Affinität zu Horrorfilmen aber eine wahre Offenbarung darstellen dürfte. Zuerst wurden zahlreiche Fehler des Vorgängers beseitigt: Dieser bietet eine überlange Exposition, in der Michael Myers ein Hintergrund in prekären Familienverhältnissen angedichtet wird, die sein später entfachtes, mörderisches Verhalten offenbar erklären sollen, nur um anschließend nahezu zwanghaft Carpenters bahnbrechendes Original nachzustellen. Dieser wahrlich überflüssige Film (der mit Remakes von anderen stilbildenden Horrorfilmen wie A NIGHTMARE ON ELM STREET verglichen gar nicht so schlecht abschneidet) ist betrüblicherweise das schwächste Werk des Schockrockers, der sich seit 2005 auch als Regisseur versucht. An die ungezügelte TEXAS CHAINSAW MASSACRE-Hommage HOUSE OF THE 1000 CORPSES (die auch Zombies Regiedebüt darstellt) und die äußerst gewalttätige Fortführung in Road Movie-Manier namens THE DEVIL'S REJECTS reicht der Einstand des stets maskierten Killers nie heran. Umso schöner, dass nun eingehalten wird, was die Federführungs Zombies verspricht.


Der surrealen Einführungssequenz (die mit ihrem Krankenhaus-Setting Erinnerungen an Rick Rosenthals dürftigen HALLOWEEN II von 1981 weckt) zum Trotz sind auch in Haddonfield zwei Jahre vergangen. Laurie Strode (sehr manisch: Scout Taylor-Compton) hat zwar das Massaker zur Halloween-Nacht überlebt, trägt aber starke seelische Wunden, die sich in Schlafstörungen, schweren Schuldvorwürfen und vor allem schmerzhaften Erinnerungen manifestieren. Michael Myers Leiche wurde nie gefunden, was ihre Therapeutin in den nicht besonders hilfreichen Sitzungen offen anspricht. Statt moralische Bedenken zu zeigen tourt Dr. Samuel Loomis (grandios verkommen: Malcolm McDowell), Michaels ehemaliger Psychater, mit seinem Bestseller durchs Land, der seine Sicht auf den inzwischen berüchtigten Mörder darlegt und nebenbei schwerwiegende Verwandschaftsverhältnisse enhüllt. Zugleich meuchelt sich ein bärtiger und zotteliger Hüne durchs amerikanische Hinterland, indem er sich kurzzeitiger Bekanntschaften aus dem White-Trash-Milieu (das ihn einst determinierte)entledigt. Erscheinungen von einer geisterhaften weißen Frau (Sheri Moon Zombie) treiben Myers voran, sich seiner Heimatstadt und seinem letzten noch lebenden Familienmitglied stetig nähernd.


Dass der in einem nicht gerade abwechslungsreichen Franchise reichlich aufgebrauchte Myers nun sein Antlitz zeigt und nicht mehr seine ikonische Maske trägt, war für viele HALLOWEEN-Fans ein Sakrileg. Nur wie sonst soll sich seine Filmreihe von seinen streng konventionellen Wurzeln des Slasher-Genres lösen, ohne den eigentlich stummen Antagonisten zu demaskieren und eine Wende einzuläuten? Dieser konsequente Schritt scheint für Einige die Vorzüge des Films zu verhüllen, die besonders in der atmosphärischen und visuellen Gestaltung liegen. Die Nacht war selten schwärzer, der unablässige Regen erstickender und der Einsatz von Licht atemberaubender. Was hierbei an schattenlastigen Bildern entsteht verdient im Grunde ein eigenes Atelier. Zombies ganzes Können als Kreateur von Horrorshows zahlt sich vollkommen aus. Der visuellen Ebene steht die Beziehung zwischen Laurie und ihrem schicksalhaften Verfolger gegenüber, die sie an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit treibt. Grundsätzlich scheint die einzige sympathische Figur ihre Freundin Annie (Danielle Harris, die bereits als Jamie Lee Curtis Tochter Erfahrungen in der Filmreihe sammelte) zu sein, die ebenfalls den vorigen Film überlebte und im Gegensatz zu Laurie eher bodenständig bleibt, was sie jedoch auch nicht vor der Urgewalt retten kann, die sich unweigerlich und unerbittlich Bahn bricht. Selbst für allerlei grausamen Verhältnisse im Horrorfilm fällt das Ende noch mal besonders nihilistisch aus. Es wird nicht auf die mögliche nächste Fortsetzung geschielt (obgleich natürlich eine angekündigt wurde, die bis heute keine konkreten Formen annahm), sondern ein Schlussstrich gesetzt in einem Genre, das über 30 Jahre nach der (vermeintlichen, jedenfalls aber berühmtesten) Geburtsstunde des Slasherfilms einen neuen Meister gefunden hat. Mit Zombie sollten Anhänger des Genres weiterhin rechnen, ob sie wollen oder nicht. Da kommt noch Großes!

                                                                    9 / 10

Autor: DeDavid

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