Nicht selten wird das Spätwerk einiger sogenannter Altmeister belächelt. Zu weit liegen offenbar die einstigen Meisterwerke, die Filmgeschichte schrieben, und die davon stark abweichenden, neueren Arbeiten offenbar nicht nur zeitlich, sondern auch qualitativ auseinander. Was sich beispielsweise bei Dario Argento lediglich schwer leugnen lässt (der seit Jahren überwiegend Billo-Giallos und Horrorfilme der Marke Krekel/Ittenbach produziert), äußerst sich andererseits bei Jean-Luc Godard in extrem schwer zugänglichen Essayfilmen. In die zweite Richtung ist auch Francis Ford Coppola einzuordnen, dessen Romanadaption "Youth without Youth" etwa nur wenige Anhänger fand. Zumindest etwas beweisen muss er niemandem mehr. Umso entspannter fällt das späte Schaffen aus, was natürlich einen ganz eigenen Reiz entwickelt. Selbst der auf Coppolas eigener Kurzgeschichte basierende Horrorfilm "Twixt" (der Film zum Schokoriegel, jaja lustig) trieb sich zwar auf einigen Festivals herum, fand aber hierzulande nur eine Heimkino-Veröffentlichtung, obwohl die schauerromantische Erzählung (die sich wiederum Coppolas Frühwerk annähert) auch ihre Vorzüge hat. Der mittlerweile wenig ansehliche Val Kilmer spielt hier die Hauptfigur namens Hall Baltimore, einen wenig populären Autor von Hexenromanen, der zur Signierstunde in das verschlafene Städtchen Swann Valley kommt. Der Ort erweckt augenblicklich einen absonderlichen Eindruck und sei es nur wegen des Glockenturms mit sieben (!) Zifferblättern wegen, die allesamt unterschiedliche Uhrzeiten anzeigen. Statt treuen Fans trifft er den aufdringlichen Sheriff Bobby LaGrange (Bruce Dern), der unbedingt seine Idee eines gemeinsamen Romans über den jüngsten Mord eines Mädchens mit Holzpflock verwirklichen will. Anfangs wenig begeistert, wird der problemgebeutelte Autor mehr und mehr in den Bann des Falls gezogen, sodass er sogar in seinen Träumen von einem mysteriösen Mädchen und Edgar Allan Poe (!), der einst in Swann Valley residierte, heimgesucht wird.
Anders als jüngst Argento versteht es Coppola, die Träume auf eine eigentümliche Art zu inszenieren, die nachhaltig beeindruckt (und nicht belustigt). Beinahe alle Farben sind der bleichen Traumwelt entzogen, die sich zunehmend schwerer von der Wirklichkeit trennen lässt. Zudem bedingen sich die Träume und die Realität in dem Sinne, dass Hall Baltimore den im Schlaf gegebenen Hinweisen tagsüber nachgeht. Eine Trennlinie ist ohnehin nicht eindeutig ziehbar, da außerdem der Plot von Baltimores neuem Roman "The Vampire Execution" mitunter auf den Filmplot übergreift. Unter einem weniger versierten Regisseur könnte dieses Spiel mit den verschiedenen Realitäten ziemlich konfus enden, doch Coppola versteht es, sie sogar beiläufig zu integrieren. Insgesamt macht dies zwar einen diskontinuierlichen Eindruck, allerdings ist das Spiel mit den autobiographischen Elementen sowieso spannender. So ist zwar nicht die langsam zerbröckelnde Ehe der Hauptfigur eine Spiegelung von Coppolas Privatleben (der ja bereits seit über 50 Jahren verheiratet ist und sein Glück etwa auch nicht durch die Strapazen des Drehs von "Apocalypse Now" verlor), dafür jedoch der Unfalltod der Tochter, der dem Tod von Coppolas Sohn Gian-Carlo Coppola verblüffend genau entspricht. Hall bedauert, dass er zu dem Zeitpunkt nicht bei seiner Tochter war, jedoch hattte er sich damals fatalerweise in der Uhrzeit geirrt und war somit abwesend. Das Innenleben der Figur spiegelt sich demnach in seiner Umgebung wieder (man bedenke die zeitlich zerissene Wiedergabe des Glockenturms). Besonders frech fällt hierbei letztlich das Ende aus, das in seiner Plötzlichkeit und mit seinen losen Enden für einige verwirrte Gesichter gesorgt haben düfte. Dabei ist der Schlussgag sensationell! Dass man Coppola noch so viel Chuzpe zugestehen darf, ist schön. So schön wie der alles andere als makellose, aber sonderbare "Twixt".
6/10
Autor: DeDavid
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