Mittwoch, 21. Dezember 2016

Eine postmoderne Rekonstruktion - Kritik: Psycho (1998)


In Hollywood etabliert mit »Good Will Hunting«, begann Gus Van Sant sofort Quatsch zu machen, in anderen Worten, er nahm ein Remake von Hitchocks »Psycho« in Angriff.  Ein Rätsel - noch heute. Oder: Ein filmisches Experiment, in dem Van Sant Hitchcocks Klassiker in Farbe taucht. Und das sind von Beginn mitunter grelle Farben, die irritieren. Da ist dieses giftige Grün zwischen das Schwarz gemischt, was sofort den Richtungswechsel in Van Sants Film vorgibt, das sofort festhält, das trotz gleicher Musik von Bernard Herrmann, die der Film immer wieder grob aufgreift, und fast gleich gestalteter Title-Sequenz, ein anderer Wind weht in diesem Werk. Danach folgt ein eleganter Establishing-Shot -Flug über die Stadt Arizonas, der schließlich ins Hotelzimmer gleitet, in dem die Bilder zwar kalt, aber intim kadriert bleiben. Damit modernisiert Van Sant gleichzeitig Hitchocks Film auf der einen Seite, andererseits wird er bestimmte markante Elemente von Hitchcock (namentlich: Rück-Projektionen) ebenso gut wieder aufgreifen. Dahinter steckt aber ein Konzept. Denn es steckt etwas befremdliches in diesem durchweg unterkühlten Film. 



Die Farben spielen ein bedeutendes Element für dieses Remake, wie der pinke Dress von Marion, überhaupt diese ganzen knalligen Farben, die im Film verteilt sind, stechen ins Auge, tun beinahe weh, weil der Film besondes zu Beginn dadurch lächerlich erscheint, wie eine Parodie. Man könnte auch sagen, dass Van Sant den Originalstoff überziehe mit plakativen Karikaturen (Julianne Moore und ihr Walkman, Viggo Mortensen als stereotypischer Cowboy-Kerl). Es liegt eine betonte Künstlichkeit in der Inszenierung von Van Sant und so kann man seinen Film auch fraglos als ein postmodernes Werk lesen, ein Zitat, ein Widerspruch. Diese Nachahmung erscheint nämlich so ungeheuer steril, wie purer Schein, ein äußerer Film, dessen Inneres aber letztlich komplett hohl ist. Der Film erscheint einfach falsch (an dieser Stelle sei wieder auf Ausstattung und die Rückprojektionen verwiesen). Er passt irgendwie nicht. Er wirkt nicht oder zumindest in dem klassischen Sinne wie es Hitchocks Film tat. Wirkt er also deshalb gerade? Bloß anders? 

Er kommt einen wie eine Groteske, wie eine Fehlgeburt, vor in seinen farbenfrohen Kleidern und Details. Es ist kein guter Film, aber in Bezug auf Hitchcocks Original interessant, wenn man den Vergleich sucht, den der Film zweifellos anstrebt. Der Film stellt zwar das Original nach, wandelt es aber in kleinen Aspekten um. Der Film ergänzt Dialogzeilen (insbesondere das Gespräch von Marion und Norman ist hier hervorzuheben, weil Van Sant keinen Hehl um seinen Wahnsinn zu machen scheint, ganz im Gegenteil das Ganze sogar übersteigert darstellt), damit psychologisiert der Film mit seinen Ausführungen mehr noch als Hitchcock und das auch noch äußerst krude. Van Sant potenziert dazu an manchen Stellen das Original. Zwei interessante Beispiele dazu: Nach dem Mord an Marion im Bad, setzt die Kamera von Christopher Doyle mit einer überaus gewieften Kamerafahrt bei dem verdrehten Auge von der toten Marion an , macht eine 180-Grad-Umdrehung um das Auge in der Detailaufnahme und entfernt sich in dieser Plansequenz wieder langsam von dem Auge und schließlich von Marion und gleitet hinüber zu dem kleinen Tisch neben dem Bett, wo in die Zeitung das gestohlene Geld eingewickelt ist und mündet dort. 


Weiterhin interessant ist, dass Van Sant bei dem Mord an Marion auch ein Bild von donnernden Wolken des Unheils zwischen schneidet. Es ist ein Bild, das Van Sant einige Jahre ähnlich in »Elephant« benutzen wird, dort in der Nacht vor dem Amoklauf. Man könnte außerdem auf die Idee kommen, dass es sich bei Van Sants Film an manchen Stellen fast um einen Neo-Noir handelt, wenn man die Bilder der Neonlichter des Motels betrachtet oder beim ersten Auftritt von William H. Macy als Privatdetektiv. Besonders dort oder auch in anderen Momenten (Marions Ankunft beim Motel) meint man, dass dieser Film aus der Zeit gefallen wäre. Denn man möchte beinahe sagen, dass es ein schäbiger Film ist, der irgendwie abseitig ist. Er ist ein Paradoxon, wohl auch, weil der Film viel schleppender als das Original wirkt, trotz dem Umstand, dass er unter anderem kürzer ist, was wohl auch daran liegen mag, dass Van Sants Film (komischerweise?) erklärlastiger ist. Man könnte auch den Eindruck bekommen, dass man bei diesem Film in einem befremdlichen Märchen sitzt oder man könnte eben den Eindruck bekommen, dass es Van Sant hier nur um eine Spielerei ginge. 



5.0 / 10

Autor: Hoffman


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