Dienstag, 4. September 2012

Cravens gesellschaftliche Farce im hauseigenen Gruselkabinett - Kritik: People unter the Stairs - Haus der Vergessenen





»See no Evil. Hear no Evil. Speak no Evil.« - Man könnte den deutschen Verleihtitel von Wes Cravens »People under the Stairs« durchaus ironisch nehmen und ihm fast einen wahren Gehalt an Craven selbst zusprechen - wiederum dafür weniger am Film - man könnte ja sagen, dass Cravens »Haus der Vergessenen« somit treffend beschrieben wird, irgendwann zur Schaffensphase Cravens Anfang der 90er Jahre gedreht (um genau zu sein: 1991, Wes Craven arbeitet zu »Scream« hin) und heutzutage wohl selbst kaum noch merklich bekannt. Irgendwo unter einer dicken Staubschicht -  die Schatzkarte hilft - liegt er verborgen, am Ende zwar grenzenloser Goldschatz, der nicht förmlich wartet als Heiligtum geweiht zu werden. Aber immer noch ein äußerst faszinierender Craven, den man sogar für Cravens Gesamtwerk als essentiell wertvoll betrachten darf. Im besonderen, falls es zutrifft, dass man selbst ein Fan von Wes Craven seie - ob ich mich dazu zähle ist bis dato nicht bekannt. Urteil: Weiter forschen.




Hierbei gibt Craven altbekanntes und mischt dazu viel neues. Wie immer eigentlich, bloß, dass nicht jedes Motiv oder jede neue Idee von Anfang an unbedingt glückt, auch wenn es Craven auf eine überdrehte Gesellschaftssatire anlegt. Da darf es auch öfter mal etwas plump bei der Gestaltung werden. Zu Anfang aber: Score loben. Tempotrauma und schauerlich komponiert - klingt reißerisch und ist es auch, aber bringt er doch das richtige Tempo mit. Problematisch scheint mir aber doch Wes Cravens Rassismuskritik - was seiner Meinung wohl mit Ghetto-»Touch« anfangen muss - die zwar Craven durchaus plausibel äußerst, aber stilistisch leider etwas altgebacken wirkt und im Zeitkontext verhaftet, was vom Design für mich doch gewöhnungsbedürftig schien.


Ich elitärer Nörgler der Kunst. Auch etwas unausgereift mag dabei Cravens Versuch sein, Tiefgang zu erwecken, um den Zuschauer gleich zu Beginn emotional auf eine Schiene mit seinen Protagonisten zu bringen. Leider wirkt auch dieser durch Einsatz von Kitsch und Pathos eher hemmend, aber immerhin diese stilistische Unart unterstützend. Jedoch die Innenarchitektur von Cravens »Haus der Vergessenen« macht den Stil, denn diese ist ansehnlich gestaltet. Denn wenn Craven mit seinem ethnischen Gefühlswallungen abschließt, begibt er sich auf die Pfade von den Gebrüder Grimm wie auch den Märchen an sich. Craven betreibt erneut Legendenbildung. Die Bezeichnung »Fool« (der Held) wird zur Metaphern für eine Variation des »Hänsel und Gretel«-Motivs und das Haus, welches den Schatz bergen soll zum düsteren Hexenhaus. Zu einem Gefängnis für jeden Eindringling.



Und eröffnet so doch auch Cravens doppelbödige Seite, bei welcher er somit die sozialen Disparitäten der Gesellschaft aufdeckt. Die psychopathischen Hausbesitzer (mit Waffengewalt) als markantes Symbol des Repulikaners, wobei er dazu auch nicht auf gewisse zynische Referenzen zu »Hills have Eyes« verzichtet und seinen dortigen Gefahren, the People under the Stairs als Variation seiner atomaren Degernierten. Der äußere Schein trügt, denn der Hexenkessel wird im Inneren entfacht, ersteres Prinzip lässt sich sowohl auf Cravens Figur des Paares beziehen als auch auf die Struktur von Cravens gesamten Films. Der Polizieiapparat ist wie immer nutzlos in dieser Tatsache und lässt sich blenden - die Justiz kritisiert, für unfähig erklärt wie einst schon »The Last House on the Left«.

Das Haus zunächst so idyllisch - bis die Fassade bröckelt und sich das wahre Gesicht zeigt - das Grauen. Für Craven demnach wohl auch dramaturgisch eine Reflexion der Gesellschaft. Auch wenn ich dafür einige Handlungsfragmente als abstrus bezeichnen würde und daher auch umständlich bewerkstelligt. Dennoch schafft es Craven dies einem durchaus schmackhaft zu machen, durch Absurdität. Denn ist auch hier ein schmaler Grat, den Craven beschreitet zwischen zunächst andeutenden und subtilen Grusel bis dann schließlich zur absolut durchgeknallten Groteske - auch hier schreit es nach deutlicher Referenz seines Frühwerks! - , bei welchen Craven die Konventionen an das Ziel des ad absurdum führt und seine Figuren genüsslich überzieht und wie bereits erwähnt metaphorisch anreichert, wenn auch albern teils doch amüsant zu betrachten.

Charakteristisch dabei klischeehaft, aber dadurch lässt sich auch Cravens politisches Interesse ablesen wie einst in seinen Frühwerken, sonst wird wieder einmal heiter das Genre bis auf seine Rundfesten duchreferiert. Mediale Kritik gibts auch mit Fernseher. Ist schließlich Pflicht. Zudem eine Entlarvung des totalitären Systems. Kenntlich an der biederen Familie, die ihre Tocher aus Kontrollwahn (wie in Rapunzel) in ihrem Haus einsperren. Für sie - das Symbol der Unschuld. Deutlich an ihrem weißen Kleid. Mit wunderbaren Einfügungen und wenn Cravens Setting altmodisch scheint so bietet sie doch eine reichliche Menge an weiteren Motiven des Märchens als Symbolik an.




Um es so zu sagen wirkt das Haus der Familie im Grunde wie ein Schreckenskabinett, in dem man immer wieder auf neue Attraktionen trifft. Ich würde fast meinen dies hätte etwas im Sinne von Argentos labyrinthartigen Gefilde - so verworben ist es dennoch nicht. eher einen Komplex gleich, auch wenn Craven surreale Tendezen aufzeichnet. Interessant bleibt anderswo der Aspekt, dass dieses Abenteuer aus Kindersicht schildert - eigentlich unpassend - jedoch ließe sich »People unter the Stairs«  somit auch als Coming of Age-Film (»I´m not running anymore«) deuten, in welchen sich Craven mit der Problematik des Erwachsenswerdens auseinandersetzt. Am Ende steht immerhin die explosive Sachzerstörung. Dies mag alles zusammengefasst faszinierend sein, dennoch ist das Werk in Cravens Intention durchaus überladen mit seinen unzähligen Metaphern, was ihn dann für mich etwas plump  in mancher Hinsicht wirken ließ. Trotzdem schuf Craven mit »People Under the Stairs« eine demnach delikate und wunderbar reißerische Gesellschaftssatire, bei welcher zwar nicht jedes Stilmittel gelungen in die Dramaturgie einfügt aber an sich stets mit ironischen Augenzwinkern kommentiert wird. Und dies sollte man Wes Craven in jedem Fall zu Gute halten, auch da dieser Film für Craven wahrscheinlich nur eine Vorübung für Kommendes sein sollte.



7.0 / 10

Autor: Hoffman

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