Mittwoch, 3. Juli 2013

Truffaut Retrospektive #4 - Klassiker der Extraklasse: Ein schönes Mädchen wie ich (1972)




Truffauts »Ein schönes Mädchen wie ich« kann wohl im besten Fall als interessantes Kontrastprogramm zu seinem vorhergehenden Film (»Les Deux anglaises et le continent«) gesehen werden, anders als dieser ist sein »schönes Mädchen« sorgenfrei und ulkig. Sein Film erinnert mich da ansatzweise auch an die Emanzipationsgeschichte einer Frau, aber Truffauts Film ist wohl viel mehr an einer Ironisierung des Femme Fatale-Motivs interessiert. Alles dreht und wendet sich um eine Frau in Truffauts Werk. Truffaut gibt sich fasziniert von seiner Protagonistin, er will alles wissen, die Befragungen erfolgen nur über sie und dabei ist diese überhaupt keine grazile und elegante Schönheit, nein die inhaftierte Kriminelle Camille Bliss (ordinär: Bernadette Lafont) wirkt schroff, bäuerlich und ungehobelt. Den Gegensatz dazu bildet der nervöse Soziologiestudent (André Dussollier), der Camille interviewt, und so versucht mit möglichst intellektuellen Mitteln diese Frau zu analysieren, in Form von weit hergeholten und abwegig wissenschaftlichen Theorien über ihr Wesen, da er selbst doch eine heimliche Anziehung zur ihr spürt. Truffaut fokussiert sich also ganz auf die Geschichte dieser Frau, springt recht linear vom Interview zu den Rückblenden und wieder zurück. Truffauts Protagonistin macht sich die Naivität und Torheit der Männer zu nutze, ergreift jede Gelegenheit und fasst das Glück beim Schopf, sie schmuggelt sich durch das Leben und lügt gekonnt.



Damit dominiert sie (vielleicht sogar unbewusst) die schwachen Männer in Truffauts Film, von Ehemännern, Sängern, Zufallsbegegnungen wie Rattenbekämpfern (herrlich moralisch und prüde: Charles Denner) und begierigen Anwälten (Claude Brasseur), das sind die verschiedensten Männertypen und doch verbindet sie alle die männliche Begierde zur Frau, die Camille für ihre Zwecke nutzt. Das verpackt Truffaut sowohl schwarzhumorig als auch mit überraschend makaberen Witz, Truffauts Intention einfach mal ein Komödie zu drehen, bei der man alle Hemmungen mal über Bord wirft, ist sicherlich in ihrem Zwecke erfüllt worden. Es ist ein frecher, unverblümter und überschwänglicher Film geworden, mit seiner schroffen Protagonistin. Nur beschlich aber auch das Gefühl, dass sich diese Art auch auf den Film selbst niederschlug, so grob wie er manchmal daherkommt. Das liegt vielleicht auch an der Hauptfigur, die größtenteils durch ihr uncharmantes Wesen strahlt und so wirkliche Sympathien ihr gegenüber nicht möglich sind, übrigens zu keine der Figuren. Auch wenn die überzogene Inszenierung dieses Truffauts doch auch ihre komischen Momente hervorruft. In Truffauts Gesamtwerk sehe ich ihn dann doch eher als zweitrangig an, wenngleich die Variation der verhängnisvollen Liebe durchaus gefällt, sodass der Soziologiestudent sich in diese verführerische Liebe hineinsteigert und die wahre Zuneigung übersieht, die seine Gehilfin für ihn hegt. Das Ende ist damit wohl die Ironie des Schicksals. Das ist schon eine enorm böse Abrundung des Ganzen. Das Werk selbst ist ein kurzweiliger und ungezügelter Spaß vom Meister.


6.5 / 10 

Autor: Hoffman 

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