Donnerstag, 15. August 2013

Truffaut Retrospektive #7 - Kritik: Die Frau nebenan (1981)




Lange hatte Truffaut gewartet bis er den Stoff von »Die Frau nebenan« verwirklichen konnte. Was ihm persönlich fehlte war so ein gewisser Antrieb, er suchte nach dem idealen Darstellerpaar, um die Rollen der ehemaligen Geliebten, die wieder aufeinander treffen und erneut für einander entfachen, zu besetzen. Dann traf Truffaut auf Fanny Ardant und um ihn war es geschehen, als er dann noch Depardieu bei einem Treffen um den männlichen Rollenpart bat, den er bereits in »Die letzte Metro« in der Hauptrolle besetzte, hatte er sein Paar gefunden. Interessant ist hier übrigens auch, dass Depardieus Rolle denselben Namen trägt wie in dem anderen Truffautfilm: Bernard. Anders als in seinem vorherigen Film wollte Truffaut mit »Die Frau nebenan« einen leichteren, schnelleren und moderneren Stoff angehen, sodass daraus ein kleinerer Film entstehen würde. Und tatsächlich ist Truffauts Werk ein zurückgezogener, ländlicher, wenn nicht sogar schon dörflicher Film geworden, was sehr gut zu dieser bodenständigen Geschichte passt, bei der Truffaut ein weiteres Mal von der Unmöglichkeit der Liebe, von einer »Amour Fou«, berichtet, denn das schafft so zunächst eine intime und behagliche Stimmung und so baut Truffaut auch wieder eine ungezwungene Nähe zu seinen Figuren auf. Ganz typisch bei Truffaut leitet eine freundliche Erzählerin die Geschichte ein, eine Außenstehende und objektive Betrachterin des Geschehenen, was man weiß sind eine Affäre und ein Unglück: Zwei Straßenseite, zwei Häuser, zwei Familien, zwei verheiratete Liebende (Ardant und Depardieu) und eine gemeinsame Vergangenheit. Truffauts Ton ist ernst und voller Trauer, die Erzählung ist streng, aber schlicht. Die Bilder dazu sind realitätsnah, vielleicht dabei aber sogar etwas zu steif geraten. Natürlich ist das immer noch im gewissen Maße manchmal lässig, aber für einen Truffaut doch äußerst passiv und destruktiv gefärbt.



Das Glück, das sich durch diese Liebe in Unglück verwandelt. Wobei sich hier die Frage stellt, ob es in diesem Fall wirklich Liebe ist? Truffaut beschwört förmlich unheilvoll diese Liebe herauf.  Zwei Menschen, die nicht mit, aber auch nicht ohne einander leben können. Die Vergangenheit von schwerwiegender Schuld liegt hinter ihnen, sie meiden sich, sie wollen Freunde sein, sind sehnsüchtig nacheinander. Lieben oder verliebt sein? Zwei Menschen, die zwischen Abhängigkeit und Feindseligkeit, Liebe und Hass, Zärtlichkeit und Zerrissenheit, Gewalt und Leidenschaft gefangen sind. Es ist eine heimliche wie verhängnisvolle Liebe, sie ist fatal. Alles oder nichts? Liebe, die scheinbar ohne Schmerz und dessen Folgen von Besessenheit, Eifersucht, Zweifel, Labilität, Einsamkeit und Depression nicht sein kann. Das ist eine dramatische Angelegenheit für Truffaut, welche nicht ohne melodramatische Züge in der Geschichte auskommt, da scheinen einige wenige Szenenausgänge von ihm doch etwas unglücklich konstruiert zu sein, wie die Szene des zerreißenden Kleides von Ardant auf der Party. Ein anderer, kleinerer Kritikpunkt ist meinerseits, dass Bernards Frau viel zu oberflächlich gezeichnet ist und somit stark von anderen Charakteren abfällt, da sie für diese Beziehung von ihr zu Mathilde (Ardant) eigentlich einen bedeutenden Standpunkt darstellen müsste, da Truffauts Film dennoch eher auf die Figuren von Ardant und Depardieu gestützt ist, lässt sich das verkraften. Wiederum dafür ein faszinierender Aspekt ist, dass Truffaut hier so ganz nebenbei noch einige Theorien über das Geschichtenerzählen aufstellt und sie seinen Charakteren in dem Mund legt, wie, dass eine Geschichte stets Anfang, Mitte und Ende besitzen muss (JLG lässt grüßen) oder, dass die Gültigkeit für tragische Geschichten mit der Zeit verjährt, sodass man sich der damaligen Wahrheit stellen kann. Ansonsten ist dies ein düsterer Film geworden. Eine Tragödie, bei der nur noch der pathologische Bericht die Ernüchterung herbeibringt. Truffauts Film zeigt letztlich das Bild einer zermürbenden und zerstörerischen Liebe. Dieser vorletzte Truffaut ist nun die konsequente Weiterführung seines Schaffens: Nun ist die Liebe keine Utopie mehr (wie sie es noch in »Les Deux anglaises et le continent« war), sondern eine Dystopie.



7.5 / 10

Autor: Hoffman 

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