Bisweilen ist es schon eine verlockende Vorstellung, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und fortan als Obdachloser fern von allen Pflichten leben zu dürfen. Doch mag dieser Wunsch einen Fluchtgedanken ausdrücken - Flucht vor dem Alltag, vor den einhergehenden Problemen -, so folgen die drei Protagonisten einer solchen Eingebung. Seitdem bilden der einstmalige Vater Gin, die transexuelle Hana und die junge Ausreißerin Miyuki quasi eine neue Familie, die an Heiligabend auch noch Zuwachs in Form einen gefundenen Babys findet. Die Suche nach den Eltern zwingt alle drei, sich damit auseinanderzusetzen, wovor sie doch bewusst weggelaufen sind. Die Reise durchs nächtliche Tokio gestaltet sich unvermeidlich zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, in dessen Verlauf sich die unwahrscheinlichsten Zufälle und Begegnungen ereignen. Allerdings sind es nicht nur die Heimatlosen, die ein zerrüttetes Inneres ihr Eigen nennen. Vielmehr scheinen Tragödien auch die Leben derer zu bestimmen, die in der Bahn so despektierlich die Nase rümpfen angesichts der müffelnden Zwecksgemeinschaft, die da mit ihrem plärrenden Säugling die Ohren aller Insassen malträtieren. Wie schnell könnten sie selbst in so eine Lage geraten? Und wie aussichtlos wäre die Situation der Protagonisten, wenn es sie nicht tatsächlich geben würde: Weihnachtswunder, wie klein oder gar göttlichen Eingriffs sie auch sein mögen.
Satoshi Kons TOKYO GODFATHERS lässt sich im Verhältnis zu seinen anderen Werken wie PERFECT BLUE und PAPRIKA, die sich nicht selten in ihrem Wirrwarr und ihrer Schrillheit verzetteln, als bodenständig und simpel bezeichnen. Die optischen Spielereien halten sich in Grenzen, was der Atmosphäre zu Gute kommt und weder ablenkt noch irritiert. Ja, TOKYO GODFATHERS besitzt eine aufrichtige Herzlichkeit, die ihn aus dem Schaffenswerk des verstorbenen Kon herausstechen lässt und als das auszeichnet, was er nicht besser sein könnte: Ein purer Weihnachtsfilm.
7.0 / 10
Autor: DeDavid
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