Freitag, 14. August 2015

Die komische Welt der Entfremdung - Klassiker der Extraklasse: Den Mörder trifft man am Buffet (1979)



Am Anfang steht hier eine große Bahnhofshalle, große Räume, die große Leere beherbergen und nur zwei voneinander separate Männer sind in dieser gewaltigen Sterilität zu sehen: Gerard Depardieu und Michel Serrault. Zwei Männer, die einander fremd sind. Der Eine (Depardieu), sein Name ist Alphonse und er ist arbeitslos, sucht Gesellschaft und erzählt dem Unbekannten davon, dass er gerne morden würde, einfach nur so, als wäre es das Normalste der Welt. Der Unbekannte bittet um Abstand. Das Messer wird gezogen, dass man dabei hat, um Wurst zu schneiden, wird wieder weggelegt und verschwindet spurlos. Die Wege der Beiden trennen sich. Der Unbekannte flieht in die Bahn. Später wiederum steckt das Messer in dem Unbekannten drin. Und Alphonse zweifelt, ob er es war oder nicht? Erinnern kann er sich nicht. Schon zu Beginn macht Bertrand Blier hier also seine Themen von Entfremdung der Gesellschaft und der Anonymität der Großstadt klar und kreiert einen überaus skurrilen und dabei beinahe schon surrealen Film, in dem das Sterben eben als Gefühl einer auslaufenden Wanne gleichkommt, in dem der Tod und der Mord kaum eine Besonderheit darstellen.



Es ist eine komische und gleichzeitig kaltblütige Welt, die Blier präsentiert. In weiten Aufnahmen zeigt Blier das große Nichts und Blier beobachtet mit distanzierten Blicken die Distanzen zwischen seinen Figuren, bei denen es keine wirkliche Intimität mehr zu geben scheint. Diese kühle Szenerie mutet bizarr an. Alphonse wohnt gemeinsam einsam mit seiner Frau in einem leeren Hochhaus. Zuhause trägt Alphonse eine Jacke. Ein neuer Nachbar zieht ein, ein Polizeikommissar (Vater Bernard Blier). Er ist der einzige Nachbar. Das Leben ist ein Beieinander, aber kein Miteinander mehr. Es ist eine Gesellschaft, in der scheinbar Morde ohne Grund geschehen und in der es irgendwann jeden erwischt. Sei es drum. Irgendwann später - oder im folgenden Schnitt, da sich Blier hier konsequent verwehrt Zeit und Raum genauer zu verorten; der Schnitt trennt eigenwillig die Orte und Straße voneinander, alles steht hier separat - wird die Frau tot aufgefunden. Gleichmut ist bei Alphonse und dem Polizisten zu sehen. Es ist eben weiter nichts besonderes. Kurz darauf steht der Mörder (Jean Carmet) vor der Tür, der freundlich als Besucher behandelt wird und sich für das Leben seines Opfers interessiert. Das ist ein Mörder, der vor seinem eigenen Schatten Angst hat, der wie ein kleines Kind wirkt, den der Beton verrückt gemacht hat und der sich nach Kontakt sehnt, den er nur noch durch das morden erreicht. Und auch der Kommissar kommt zu Besuch, gemeinsam sitzen sie zusammen und trinken etwas. Und ein weiterer Mann taucht auf, der den Mord von Alphonse gesehen haben will und das Trio anheuert, um einen anderen Mann zu töten, der er selbst ist. Für manchen ist es sogar der erste Mord (»Ich kam immer zu spät.«).



Immer ergeben sich hier kuriose Verstrickungen und mehr und mehr Leichen pflastern den Weg des Trios. Der Plot mag daher diffus sein, entbehrt sich aber durchaus liebenswert seinem Sinn. Es gibt hier keine Einheitlichkeit, alles ist absurd und soll auch absurd sein. Blier zeigt einzelne Situationen, die Anfang und Ende schließlich doch zusammen laufen lassen. Hier wird sprunghaft mit wechselnder Szenerie durch die Nacht gestreift. Es dominieren dunkle Farben und die Einsamkeit der Bilder. Blier zeigt hier eine Gesellschaft, in der jeder zum potenziellen Mörder werden kann. Er zeigt den Verfall von Werten und Moralen in einer Gesellschaft, die verroht ist und in der die Menschen letztlich untauglich sind (wie das letzte Drittel des Films zeigt) in der Natur zu sein und die dortige Ruhe zu genießen. Der Mensch ist abgestumpft. Insgesamt ist Bliers Film ein ebenso spielfreudiges wie auch düsteres Werk geworden, dass letztlich sein (damit durchaus ironisches) Ende im Ursprung, in der Natur findet,  zwischen Seen und Bergen.


6.5 / 10

Autor: Hoffman 

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