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Freitag, 15. April 2016

Es geschah am helllichten Tag - Kritik: Reise nach Indien (1984)



Ein letztes Mal setzt sich der große David Lean auf den Regiestuhl, oder besser gesagt: ein letztes Mal nimmt David Lean den Zuschauer mit auf eine Reise. Die Reise führt abermals in ein fremdes Land, welches aber in diesem Fall ein besonderes Verhältnis zum Heimatland des Briten hat: Indien.
Indien, für uns Europäer schon immer ein geheimnisvoller und faszinierender Subkontinent. Ein Land, welches schon immer seinen Reiz hatte, sei es durch seine Kultur, seine Menschen, seine Landschaft oder eben durch seine Ressourcen, weshalb es zur wichtigsten Kolonie des damaligen Britischen Empire wurde. Aber gut, ich will hier nicht den Geschichtslehrer spielen, kommen wir zum Film:



Denkt man an David Lean, denkt man in erster Linie an großartige Filme wie "Lawrence of Arabia" oder "Doctor Zhivago", sein letzter Film, "A Passage to India", scheint im kollektiven Bewusstsein leider etwas untergegangen zu sein (genau wie sein Frühwerk, welches mir leider noch unbekannt ist). Woran das liegt, weiß ich nicht, und groß darüber mutmaßen, will ich ehrlich gesagt auch gar nicht. Der Film "A Passage to India" existiert auf jeden Fall, und er ist von David Lean. Der Plot des Films klingt eigentlich nach einer biederen Schnulze: die reiche, junge Britin Adela (bezaubernd: Judy Davis) begibt sich Mitte der 1920er Jahre auf eine Reise nach Indien, um dort ihren Verlobten zu heiraten, dabei lernt sie das ihr fremde Land kennen. Ach, wie schön, eine perfekte Sonntagsnachmittagsschnulze für ZDF Schauer fortgeschrittenen Alters mit Fernweh.. Doch weit gefehlt! Natürlich erweist sich Lean auch in seinem letzten Film wieder als großer Leinwandmagier, und bietet ähnlich wie in seinen vorherigen Monumentalfilmen, Bilder, an denen man sich nicht satt sehen kann. Er fängt die exotische Landschaft und das hektische Treiben in den Städten Indiens schlicht perfekt ein, was "A Passage to India" - ähnlich wie seine früheren Werke - einfach zu einem Film macht, der eigentlich auf die große Leinwand gehört. Lean legt den Schwerpunkt aber bei weitem nicht nur darauf, den Zuschauer auf eine Kaffeefahrt durch Indien mit zu nehmen, der Film hat noch ganz andere - und wichtigere - Ambitionen:

Adela und ihre Begleiter werden von den einheimischen Indern zwar mit großer Gastfreundschaft empfangen und durch das Land geführt, doch die Reise durch Indien wird von einem Eklat überschattet, und plötzlich beschuldigt die, durch die Reise in das fremde Land, ziemlich verwirrte Adela den freundlichen indischen Reiseführer der versuchten Vergewaltigung. Auch wenn die Beweislage recht dünn ist und niemand wirklich weiß, ob überhaupt irgendwas zwischen den Beiden geschehen ist, sind die britischen Kolonialherren von seiner Schuld überzeugt. Lean macht deutlich, dass die damaligen Kolonialherren die Inder schlicht als Menschen zweiter Klasse gesehen haben. Es käme einem Kolonialherren einfach nicht in den Sinn, dass sich möglicherweise eine Britin an einen Einheimischen rangemacht hätte, nein, laut ihnen fühlen sich die Dunkelhäutigen zu den Weißen hingezogen - und nicht andersrum, das sie nicht möglich. Eine abstoßende Ideologie, die auch im Kopf von Adela verankert zu sein scheint, so dass sie, obgleich sie selbst nicht weiß, was wirklich geschehen ist, fest davon überzeugt ist, dass der böse unzivilisierte Inder sich an ihr vergehen wollte. Ein Umdenken bei Adela geschieht erst dann, als sie merkt, dass ihre Landsleute krampfhaft vor Gericht ein Bauernopfer in Form des Reiseführers wollen, wodurch sie ihren Kopf frei bekommt und die ungerechtfertigten Anschuldigungen zurücknimmt. Jedoch scheint sie dadurch den Graben, der zwischen Briten und Indern besteht, nur noch größer gemacht zu haben...



Leans Werk ist somit viel weniger eine Abenteuergeschichte, denn ein hervorragendes gefilmtes Mahnmal für Toleranz und Menschlichkeit und ein äußerst kritischer Blick auf den Kolonialismus, den die Europäer betrieben haben, und seine dunklen Seiten, die er unweigerlich mit sich bringt. Für mich bisher der beste Film von David Lean, da er meisterlich den Spagat zwischen Leinwandmagie und kritischem Gerechtigkeitsdrama schafft. Ein geniales letztes Werk eines großen Meisters.



9.5 / 10

Autor: MacReady

Mittwoch, 16. März 2016

Zu zweit verloren in einer fremden Metropole - Kritik: Lost in Translation (2003)



In gewisser Weise hat mich "Lost in Translation" bei der letzten Sichtung an Filme wie "Blade Runner" erinnert: eine Metropole, in der ein Individuum schnell untergeht; Dominanz der asiatischen Kultur; zwei Menschen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten, finden zusammen; usw... Natürlich erscheint es ein wenig weit hergeholt, diese zwei Filme miteinander zu vergleichen, doch in ihrer Wirkung fand ich persönlich sie doch sehr ähnlich. Beide erzeugen eine sehr melancholische, fast schon deprimierende Stimmung, aber trotzdem sind sie sehr schön gefilmt und gespielt, und ein Genuss für die Augen.

Egal: Bill Murray gibt den - scheinbar - gescheiterten Schauspieler in der Midlife Crisis, der nach Japan fährt, nur um Werbung für Whisky zu machen. Fast schon wie ein Protagonist aus einem Film noir. Da darf natürlich so etwas wie eine Femme fatale nicht fehlen; hier verkörpert durch die sehr junge Scarlett Johansson, als Ehefrau, die noch am Anfang ihres Lebens steckt, doch auch nicht wirklich weiß, was sie machen soll. Diese beiden tragischen Figuren treffen in den Wirren der japanischen Hauptstadt und Weltmetropole, Tokio, aufeinander. Äußerlich mögen sie völlig unterschiedlich sein, und die ganze Handlung wirkt auf den ersten Blick etwas... Nun ja.... Pädophil. Doch "Patentochter" Coppola gibt ihre wahre Ambition nicht preis. Sie zeigt nur zwei verlorene Seelen, die sich über den Weg laufen, und sich einfach brauchen; ob diese Begegnung von sexueller oder romantischer Natur sein soll, bleibt unklar. Und das macht für mich auch den Reiz an diesem Werk aus. Es bleibt unklar, was die zwei Protagonisten eigentlich wollen. So überwiegt bei mir mehr die Faszination an der Geschichte von zwei Menschen, die sich vielleicht nie wieder sehen werden, aber die Zeit miteinander einfach genießen, und sich in eine Odyssee durch eine fremde Metropole stürzen. Flucht vor der Einsamkeit, Flucht vor den Problemen, Flucht vor dem Kummer, Flucht in die Freiheit.



Coppola stellt zur Verdeutlichung der Einsamkeit der zwei Protagonisten Tokio als etwas wirklich Fremdes dar: die Menschen sprechen kein Englisch bzw. nur sehr klischeehaft schlecht; überall grelle Lichter, Spielautomaten, Nachtclubs, kaum ein Ort, an dem man nicht alleine und für sich ist. Die ziemlich überspitzte, klischeehafte Darstellung der Tokioter mag nicht jedem gefallen, was ich verstehen kann - mir gefällt so etwas in der Regel auch nicht. Doch hier sollte man es meiner Meinung nach mehr als Mittel zum Zweck auffassen, ohne das der Film niemals diese Wirkung des verloren seins entfalten könnte. Coppola untermauert dadurch schlicht die Verlorenheit der Zwei in einer wirklich fremden Stadt, in der sie nur zu zweit so etwas wie Glückseligkeit empfinden können.
Diese Mischung aus Fremdheit, Melancholie, Sehnsucht und Freiheit macht "Lost in Translation" für mich einfach zu einem wunderschönen und tollen Filmerlebnis, das ich immer wieder gerne erleben kann.


8 / 10

Autor: MacReady