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Samstag, 13. Oktober 2012

Die existenzielle Sehnsucht der Romantik - Kritik: Nosferatu - Phantom der Nacht




»Blut ist Leben.« / »Zeit ist ein Abgrund - tausend Nächte tief.« - Ich verstehe, was Werner Herzog dazu bewogen haben muss diesen Film zu drehen. Wahrscheinlich kann man dies als eine Art Wunsch von Herzog betrachten oder gar weckte Friedrich Wilhelm Murnaus Film auch sein Interesse, um ihn neuaufzulegen oder viel mehr hiermit sich vor ihm zu Verbeugen. Denn so ist Herzogs »Nosferatu« aus dem Jahre 1978 wohl weit mehr Hommage, durch die eigene Interpretationen des Stoffes als denn Remake. Als Beispiel wäre hierbei die Bram Stokers getreue Charakterbezeichnung, die Murnau damals noch wegem rechtlicher Gründe abwandelte. Auch wenn selbst Herzog da seinem eigenen Geist folgt, wenn es um die Schilderung der Figuren geht. Was Herzog so an dem für ihn doch eigentlich so ungewöhnlichen Stoff reizte? Verständlich: Die Natur. Herzogs Speziellgebiet. Nebenher: Ist jemanden schon mal aufgefallen, dass ich immer wenn ich über Herzog rede seine geliebte Natur in den Vordergrund rücke und meist thematisch als ersten Punkt seiner Filme beleuchte? Wenn nicht. Gut so. Ich mache es trotzdem. Vielleicht auch nur unterbewusst. Folgen wir weiter dem vertrauten Zyklus einer geistigen Sperrlichkeit meinerseits.



Zunächst aber nochmal symbolisch mit Schreien und Flüstern - im Tode geeint im Angesicht der mumienhafter Figuren. Dann die scheinheilige Welt mit ihrem erleuchtend-tristen Farben, wie in der stilistischen Romantik begibt sich Herzog nahezu auf poetische Pfade - die Farben kühl, die Inszenierung legt Eleganz an den Tag, wirkt wie maßgeschneidert und wirkt in seiner Form dem Gedicht verbunden. Auch dramaturgisch malt Herzog dichterische Bilder und verwendet bekannte Motive: Die Liebenden (Jonathan & Lucy) und der fromme Ritter (Jonathan Harker), der auf Reisen gehen muss, des Auftrags Willen. Auftragsort: Transsylvanien, das Symbol des Unheils (Wölfe, Banditen, Geister) für eine glückselige Welt. Wer jetzt noch nicht vermutet, dem sei gesagt: Ja Herzog betreibt hier Legendenbildung von Spuk und Geisterschlössen. Furchtsame Dorfbewohner pflastern den Weg und warnen und warnen erneut, doch der Naivling Harker will nicht hören. Der Unschuldige Jonathan Harker (schnittig-empfindsam: Bruno Ganz) wird zum Suchenden (wie im Grunde alle Protagonisten Herzogs hierbei), durch und in die Natur. Hin zur Selbstreferenz.

Man bahnt sich Weg durch Fluss und Land, durch Tiefen und Täler - eine imposante Natürlichkeit der Bilder bleibt bestehen. In diesem Momenten erreicht Herzogs Film auch seine szenischen Höhepunkte und funktioniert im Grundriss zumindest völlig unabhängig von Murnaus Original. Der Werner weiß wie man schöne Bilder zeigt, das fördert Ruhe wie Melancholie des Werkes. Wenn zugleich dazu ganz zwischen Gounod und Wagner. Popol Vuhs Klänge ertönen, so erhebt sich Herzogs Werk fast schon zur Sinfonie. Nicht zu vergessen: Harmonie und Disharmonie, der Einklang zwischen Natur und Mensch, die Sonne und die Finsternis, während man Spiele treibt mit Licht und Schatten. Es ist also wenig überraschend, dass Herzog somit diesen einen Fokus auf die unberührte Landschaft, samt ihren sanften Facetten und ihrer existenziellen Schönheit, legt.




Andererseits die Requisite auch minimalisiert und im engen Raum auch sowohl Kamera als auch Regie zurückhaltend agieren. Worauf das hinaus läuft? Auf herzogisches Theather! Ich mag Theather. Und ich mag Werner Herzog. So weiß, so grau, so karge. Das Schloss Nosferatus als Gegenpols zur befreiten Natur. Vom Prinzip her mag das, im besonderen für Herzog selbst, ungewöhnlich sein. Aber vielleicht auch in Anbetracht zu den weiteren deutschen Regisseuren des Autorenkinos, wahrscheinlich waren sich in dieser Hinsicht Herzog und Fassbinder inszenatorisch nie näher - als Ausnahme höchstens noch eines von Herzogs Vorwerken: Stroszek, wobei in dieser Hinsicht Herzogs »Nosferatu« als Fortführung dessen karger Tristesse betrachtet werden darf, vermischt mit der ländlichen Nähe eines »Aguirre«.

In seiner Ungewohntheit aber auch gewohnt, schließlich liebte Herzog bei seinen Werk stets Gegensätze und Symbiosen seiner Stilmittel und tatsächlich ergibt dadurch doch ein faszinierendes Gesamtbild. Dennoch verschätzt hat er sich trotzdem, der Herzog in seiner Ambition. Das fängt schon bei recht fragwürdigen Katzenbabys (soll das etwa exzentrische Symbolik sein?) im gereimten Anfangsbild an. Die Dialoge theatralisch und hölzern und dabei für mich passend verwendet, denn im Grunde tut doch Herzog so nichts anderes als deutlich klassische Theatherkonventionen heraufzubeschwören und sie dramaturgisch-traditionell einzubetten. Reibungsflächen verschafft dies Herzogs Film dafür zweifelsfrei, lässt ihn aber auch des öfteren (bei aller Bedächtigkeit von Herzogs Inszenierung) ungelenk wirken. Aber Theather darf das - als Experiment. Währenddessen darf Klaus Kinski sorgsam die Sehnsüchte, Trauer, Melancholie und Einsamkeit (beziehungsweise: hingegen auch die daraus profitierende Nähe zum Naturellen) des Nosferatu reflektieren, obgleich Kinski aber auch dabei irgendwie (im besonderem im Dialog) unpassend oder gar fehl am Platze wirkt - vielleicht gerade weil es Theather ist und sich Herzog gerade nach jenen Regeln richtet. Wobei die Maske Kinskis beachtlich ist. Herzog entmystifiziert seinen Nosferatu, sieht ihn weniger als Vampir denn als Menschen, Herzogs Interpretation dieses Charakters wäre gleichzusetzten, mit der einen Verzweifelten oder Suchenden. Obwohl auch das konträr zur Legendenbildung seitens Herzog ist. Persönlich meine ich, Murnau gelingt die Ambivalenz seines Charakters ausgewogener. Herzog verzichtet schließlich. Wenngleich ein Vergleich in Frage zu stellen wäre.




Die Handlung bleibt ansonsten nahezu simulant zum Werke von Murnau und an sich schon verweist Herzog (andeutungsvoll) auf sein großes Ideal zu seiner Hommage, wenn auch vielleicht schon wieder viel zu oft und festgesessen am Original, Szenen werden exakt imitiert, gar kopiert und Metaphern, wie die Ratten als Symbol des Unglücks beziehungsweise der Pest zwar radikalisiert, sind aber zugleich gar nicht mehr so hintersinnig wie einst bei Murnau, aber doch präsentiert in unwirklicher und mystischer Atmosphäre. Immerhin widmet Herzog sich ja auch dem Mythos des Vampires, hinterfragt ihn, verfällt ihm und missachtet ihn - letztlich ein dualistisches, pessimistisches Unterfangen, das widersprechen mag - faszinierend. Aber plump in seiner poetischen Ader. So schenkt der Glaube die Sicherheit - indes Herzog auch diesen letztlich anzweifelt - doch es bleibt der Glaube, der stärkt, infolgedessen abgelöst von drastischer Spiritualität im Soge seiner dichterischen Bilder und im Antlitz der Pest, hier nimmt Herzogs Werk einzig wirklich düstere, fast schon apokalyptische Züge an, dazu ein zu deutendes, schattiges Feldermausmotiv. Das was ich an Herzogs Werk wohl noch irgendwie am meisten schätzte, neben der Tatsache, dass es sich hierbei um verfilmtes Vampir-Theater von Werner Herzog handelt, mit naturellen wie dichterischen Verweisen.




7.0 / 10

Autor: Hoffman

Samstag, 15. September 2012

Der Wahnwitz der menschlichen Gier - Klassiker der Extraklasse: Aguirre, der Zorn Gottes




»Ich bin der Zorn Gottes. Die Erde, über die ich gehe, sieht mich und bebt.«  - Ich weiß nicht wieso, aber es gibt zwei Dinge, die mich bei diesem Werke im weiteren Sinne beschäftigen beziehungsweise um es anders zu sagen, ich wieder reflektiere. Doch bevor man zur eigenen Entlarvung der Gefühle steuert noch die Ambition des Schwelgens in der Natur, die Werner Herzog wie kein anderer in »Aguirre« (1972) inszeniert, weder Trick noch Technik stecken dahinter, Herzog filmt die ungebrochene, ungezähmte Schönheit der Natur in ihrer strahlenden Ausdruckskraft. Die erste Einstellung und Kulisse lassen sprachlos zurück in imposanter Manier, diese Gebirgskette, diese unbändige Kraft in Herzog Bilder - wunderbar! Dafür finde ich keine Worte. Nur prätentiöse Schwärmereien. Doch wenn Herzog eins ohne Zweifel bietet dann: Naturelle Bildgewalt, also die schönste Bildgewalt.



Das wollte ich noch gesagt haben, bevor sinniert werden darf über Sinngebung und Orientierung in Herzos Werk. Kurzum: Es gibt sie nicht. Gar ein linearer Handlungsstrang, ein roter Faden? Brauchte Herzog nicht, wird Herzog nie brauchen. Und doch kann Herzogs Film - ganz seiner Inspiration nach - als Reise ins Herz der Zerstörung gelten, Beleuchtung politischer Systeme, Aufstände, dem Glauben, dem Irrsin, dem Wahnwitz, der Einfältigkeit des Menschen und der menschlichen Gier - samt Herzogs hier ab Lieblingsthematik des Kampfes zwischen Menschen und Natur. Herzogs größte Schwäche zugleich seine größte Stärke. Chronologisch? Bedingt. Handlung: Die ewige Suche nach El Dorado (dem Symbol des absoluten Glücks und Reichtums), folglich dem Weg voller Besessenheit und Kompromisslosigkeit. Herzog lässt inszenatorisch Einfachheit wirken.

Momente vergehen, wie Minuten vergehen, mittendrin lässt Herzog Bilder sprechen - kurz darauf Klaus Kinski steigern - hinauf zu reißenden Flüssen und wieder der unmögliche Kampf gegen die Natur. Die Natur zwischen Schönheit, Faszination und Gefahr. Und nicht mal Identifikationsfiguren gibt er uns - dieser Herzog! Nur den Aguirre, den Zorn Gottes. Nur den personifizierten Wahnsinn (alias Klaus Kinski)! Fieser, fieser Herzog. Kennt keine Konventionen, zersträubt sie, verdreht sie und metaphorisiert dabei noch seinen eigenen Film, so darf Herzogs ungestümer und wilder Regiestil als Reflexion des verwilderten Amazonasdschungels gelten - so ergibt sich daraus ein perfektes Zusammenspiel. Auch die Kamera agiert auf diesem Niveau und dokumentiert ohne Scheu, wackelt und desillusioniert den Zuschauer, dringt dicht zu den befremdlichen Charakteren, so aber auch dicht an der Natur - Herzog experimentiert, fasziniert aber auch.

Und dann Klaus Kinski als eigene Urgewalt. Erst Blicke, dann unheilvolle Gesten, dann große Worte und Ausbrüche. Wie ein Vulkan bricht er aus und bis schließlich der Wahnsinn Überhand gewinnt - mehr Macht und mehr Gier, auf Ausbruch folgt Orientierungslosigkeit. Aguirre als Symbol für den klassischen Mephistopheles, aber als Verführer wie auch Manipulator und Verräter, ein Undurchsichtiger. Herzogs Film nimmt Gestalt an. Mehr und mehr ähnelt er einen sich immer weiter drehenden und geschwinder werdenenden Karussell - auch anfangs, ja es dreht sich nur und hat kein Ziel. Und dennoch besteht auch hier Herzogs Film aus Widersprüchen wie Symbiosen, zwischen Zerstörung und Entzweiung. Erschaffung und Erneuerung. Wie die Konquistadores eine neue Gesellschaft bilden, Narren zu Königen werden. Zerstörte Dörfer durchkreuzt werden. Fragen auftreten nach Sinn und Sinnlosigkeit. Nach der Natur seiner Existenz. So äußerst sich auch Herzogs Zivilisationskritik. Wie einstige Eroberungen zum Verderben werden. Der Mensch scheitert an seinem Größenwahn und seiner Gier. Die Welt in ihrer eigenen Absurdität und Lächerlichkeit.





Herzogs Stimmung zwischen meditativen Klängen (eines Popol Vuh) und der Ruhe und Unruhe des eigenen Films - die ganz eigenen Atmosphäre. Und irgendwie sympathisiere ich so mit Herzog, er als Filmemacher, ich als Schreiber: Reflektieren scheinbare Sinnlosigkeit und Orientierungslosigkeit. Verfolgen dabei doch eigene, vielleicht sogar hintersinnige Ziele. Ich mag den Herzog. Der rechnet sogar ironisch ab mit dem Irrglauben des Menschen. Versteht aber auch: Bei Kinski wie auch solcher filmischer Wucht muss man die Definition prägnant formulieren und kraftvoll sein Werk vollenden. Ganz ohne Konstrukt. Mit der Mystik des Urkampfes Kinski gegen Natur (und Herzog) und der Mensch mit seiner unsagbaren Gier, der daraus folgenden Selbstzerstörung. Dann Affen, überall Affen. Gar ein Planet von Affen! Größenwahn! Das Scheitern einer Gesellschaft, nur mit innerer Explosion. Kurzum: Eins zu Null für die Natur.



8.0 / 10

Autor: Hoffman