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Donnerstag, 21. Februar 2013

Fassbinder Retroperspektive # 7/7 - Kritik: Die Sehnsucht der Veronika Voss (1982)




»Sie dürfen Veronika zu mir sagen!« - Das war er also jetzt, Fassbinders vorletzter Film und der Abschluss seiner BRD-Trilogie, besonders wenn man letzteren Aspekt Vorzug gewährt, entpuppt sich seine BRD-Trilogie stilistisch als faszinierend (dank der stetigen Umstellung in der Visualisierung). Wo Ballhaus in »Die Ehe der Maria Braun« noch auf einen recht nüchternen, zurückhaltenden und atmosphärisch beengten Stil setzte, folgte Xaver Schwarzenberger in »Lola« mit der absoluten Groteske. Bunt, überdreht und visuell einem extravaganten Comic oder gar Knallbonbon nahe, eine echte Pracht. Und dann wäre hier noch zuletzt »Die Sehnsucht der Veronika Voss« aus dem Jahre 1981 (Kamera erneut: Xaver Schwarzenberger) im besten Stile des Film noir. Schwarzenberger übertrumpft sich selbst nochmal, denn gerade mit seinen bestechenden Schwarz-Weiß-Bildern experimentiert er vorzüglichst mit Licht und Schatten (verweist auf und beweist die eigene Theorie: »Licht und Schatten sind die beiden Geheimnisse des Films.«) und erzeugt dadurch Intensität, eine besonders imposante Intensität wohlgemerkt.



Anderseits funktioniert Fassbinders Film noir auch symbiotisch mit seiner charakteristischen Künstlichkeit. Dies hinterlässt eine Wirkung, die ich seitens Fassbinder noch nicht erlebt habe. Auch kann dies für Fassbinder selbst als eine Art Rückbesinnung auf seine (schwarz-weißen) Ursprünge gesehen werden und seinen damaligen Referenzen zum Nouvelle Vague oder zum amerikanischen Film. Stilistisch also noch mit weiterer Inspiration und Innovation in Hinsicht der Trilogie gepflastert, bei der Handlung aber seie Fassbinders Interesse (wie er selbst meinte) allein auf einen deutschen Noir oder Krimi gerichtet, was im Zuge dessen auch Fassbinders Bezug der Geschichte zu Sybille Schmitz erklärt (eine von Fassbinders Lieblingsschauspielerinnen, u.a: in Dreyers »Vampyr« vertreten), an deren letzte Lebensjahre sein Film angelehnt ist. Angelegt in den 50er Jahren.

Auch hier verweist Fassbinder optisch auf den Noir. Clever wie Fassbinder das anlegt, vordergründig ließe sich sein Werk als Kriminalfilm umschreiben, von einer skrupellosen Ärztin, die ihre Patiententen, unter anderem die ehemalig-berühmte UFA-Schauspielerin, Veronika Voss zu Grunde richtet mit Hilfe von Morphium und Tabletten, um an deren Vermögen zu kommen. Ein engagierter wie besorgter Sportrepoter (Hilmar Thate) hält dagegen, er als ihre letzte Rettung. Mord für Geld, so heißt das kriminalistische Urteil. Wiederum hintergründig ist Fassbinders Film nun die weiterhin konsequent fortgeführte Abrechnung mit der BRD, Fassbinder desillusioniert das Bild einer intakten Welt und referiert  (wenn sein Film nicht sogar als Hommage an diesen Film zu sehen ist) Wilder und dessen legendären »Sunset Boulevard«, nimmt seine Diva, variiert diese Legende aber mit Eigenständigkeit. Weitere Hinweise darauf geben auch der Film noir zur Verdeutlichung und Straßenschilder als hintersinniges Zitat seitens Fassbinder.



Wie auch Norma Desmond zeichnet sich Veronika Voss (eindringlich: Rosel Zech) durch das Bild ihrer eigen geschaffenen Illusion aus, sie lebt noch in ihrem eigenen Traum der großen Diva. Lebt in der Nostalgie (»Kino ist natürlich nicht die Realität.«) der strahlenden, vergangen Tage (überdeutlich in Rückblenden funkelnd visualisiert). Eine Gefangene, sowohl von Ärztin als auch von ihrer eigenen Vorspiegelung der nostalgischen Erinnerungen  In Wahrheit ist sie doch eine längst vergessene und zerfallene Diva. Damit baut Fassbinder überdies auch eine Distanzierung zu ihrem Charakter auf, wobei entgegen meiner Erwartungen  Fassbinders inszenatorisches Vermögen äußerst befreit wirkt, so scheint es als wäge Fassbinder (auch im thematischen Sinne) ab. Dosiert (wie ich finde) jene kraftvolle, wohlschmeckende Melodramatik zu passenden Zeiten und Momenten, mit profitabler Wirkung. Peer Raben liefert die stimmige, musikalische Untermalung, die erneut Anspannung, Melancholie und Sehnsucht von Fassbinders Werk betont und auch auf eine separate Tonspur verweist. Wie auch in seinen Vorgängern dienen Fassbinders Figuren, konkretisierter die Patienten der Ärztin, zugleich aber auch als Symbole der BRD. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne zeichnen sich bei ihnen die Nachwirkungen der Vergangenheit ab. Sie können nicht vergessen, ob Ruhm oder Grauen. Sie wollen vergessen, doch jene Schatten der Vergangenheit überwiegen die menschliche Verdrängung. Ihre einzige Milderung scheint in der Betäubung (= der Tablette; dem Morphium) zu liegen. Letztlich bleibt es dennoch beim Leben unmöglich. Das ist Fassbinders Reflexion der BRD. Zuletzt kontert er scharf und bringt Betäubung wie Abhängigkeit zum letzten Schluck, im letzten Angesichts des Spiegels (ein besonderes Motiv!) im kammerspielartigen, klinischen, vereinsamten, verschlossenen Raum. Eine der einprägsamsten Szenen in Fasssbinders gesamten Werk. Es ist für mich der Höhepunkt von Fassbinders BRD-Trilogie.



8.5 / 10


Demnächst folgt an dieser Stelle: Die Jean-Luc Godard-Retroperspektive



Autor: Hoffman

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Eine Reise in die Welt der Schatten - Klassiker der Extraklasse: Vampyr - Der Traum des Allan Grey




Wie lässt sich ein solcher Film nur beschreiben? Geboren zwischen Zeit der großen Stummfilme und der Zeit des Tonfilms. Gefangen in einer Zwischenwelt, weder geboren noch gestorben. So zumindest mutet Carl Theodors Dreyers (mein neuer, dänischer Heiliger) »Vampyr« aus dem Jahre 1932 an. Irgendwo dazwischen. Eine wirkliche Einordnung wird ihm weder im Genre gerecht noch in der Klassifizierung seiner Gattung. Heute wie damals. Damals nur als Misserfolg, heute als Meilenstein des klassischen Horrorfilms, wie auch neben Murnaus »Nosferatu« (1922) als Definitionswerk des Vampires. Außerdem Dreyers erster Tonfilm, dabei ertönt dieser hier selbst nur selten? Und wenn: Unbedeutend, unkenntlich, missverständlich und fragmentarisch. Für Dreyer verliert das Wort - wie ironisch auf sein Schaffen bezogen - an jeglicher Bedeutung und erscheint so mehrfach als irrelevant.

Ist denn überhaupt ein Wort von nöten, fragt Dreyer? Ein unkonventioneller Leitgedanke in seiner zeitlischen Einordnung, also zu sehen als begraben. Und enthüllt und das nicht irgendwie ein gewisses Vampirmotiv als Reflexion? Clever. Der Stummfilm überlebt den Tonfilm. Alt trifft auf neu und Dreyers Werk ist verschlungen von der Zeit. Als ewiges Rätsel wie auch als eigenwilliges Artefakt mit seinen eingeblendeten Texttafeln, statt dem Worte oder Dialoge. Nur flüstern und wispern. Verzerrt. Unwirklich. So sind es demnach die Bilder, die Dreyer sprechen lässt. Die rauschenden, verdichtenden, undurchsichtigen Bilder, die es zu entschlüsseln gilt - wenn überhaupt möglich - hellklar und doch so nebelig und in seiner Intention mysteriös. Man muss nicht lange suchen um zu bemerken, dass sich hiermit Dreyer auf den Expressionismus beruft (inklusive seiner grotesken Anleihen) und somit eine selten intensive, befremdliche Stimmung schafft, als würde über seinem Werk ein unheilvoller Schleier liegen. Subtil experimentiert Dreyer, entführt und begibt sich auf eine Reise in die Dunkelheit, fasziniert aber mit seinen Möglichkeiten.



Schon der deutsche Beititel deutet Surrealismus an, Dreyer wechselt unentwegt zwischen Alptraum und Traum und mittendrin sein Protagonist, der Student Allan Grey - auf der Durchreise in einer fremden Stadt, genannt Courtempierre. Die Geschichte ähnelt einer vergangenen Volkssage . Es kommt nicht nur so vor, Dreyer würdigt hiermit den klassischen Grusel - nicht ohne Grund pflegt sein Protagonist scheinbar - mit der eindeutigen Einordnung des gesitteten Bürgers - eine Vorliebe für diesen und reflektiert zugleich so dessen Sehnsüchte. Mit dieser Tradition bindet Dreyer die schaurige Romantik in sein Werk ein - traumhaft - und erinnert an eine längst vergessene Epoche. Ein wahres Wunder von Film. Unvergesslich gliedern sich dazu (technisch revolutionär) bewegliche Schatten, tanzen, faszinieren - kombiniert mit Plansequenzen, während die Beleuchtung (auch in Bezug auf die Schatten) irritiert und Dreyer besonderen Wert auf die räumliche Architektur legt, sein Werk wie den filmischen Raum in Frage stellt. Aus ihm heraus bricht, mit ihm spielt und die Möglichkeit ergreift. Vielleicht erinnert deswegen auch Dreyers Film in seiner filmischen Struktur einem legendenhaften Schauermärchen vergangener Tage. Initative in der Kameraführung, sie studiert wie analysiert und Dreyer, der psychologisiert den Geist seiner Definition. Denn auch seine Figuren stellt Dreyer in Frage, ob Wahn oder Wirklichkeit, zwischen Realismus (gibt es den überhaupt?) und Irrealis. Was sind sie? Nur unheimliche Schattenlichter?



Und dann das Mysterium höchstpersönlich: Der Vampir. Der emanzipierte, weibliche Vampir (im Grunde mit Verbindung zum märchenhaften Motiv der Hexe). Dreyer definiert ihn als Urangst und gespenstischen Blutsauger, zugleich setzt er sich aber aus bekannten Leitgedanken der Kollidierung vom Alten (dem Vampir) und dem Neuen (den Stadtbewohnern) zusammen, der auch als hintersinniges Element aufgefasst werden darf,  wie bei Tobe Hooper, wobei noch vielmehr bezüglich der Differenz von Stummfilm und Tonfilm in Bezug der Filmgeschichte. Andererseits symbolisiert der Vampir somit auch die Adelsherrschaft, sodass auch Dreyer direkten Kontext zu Wienes »Das Cabinett des Dr. Caligari« aufbaut. Das äußerst sich insofern, dass der Vampir selbst Gehilfen, die willenlos unter seinem Bann stehen, befehligt. Wie bei Wienes expressionistischen Zombie, im Bann seines Magiers. Dreyers ewiges Spiel mit Schein und Sein, wenn sich der Student konfrontiert sieht mit dem eigenen Tode in der Enge des Sarges - ein beklemmendes Motiv zwischen Leben und Tod wird essentiell für Dreyers Werk und dessen hypnotische Stimmung und profitable Wirksamkeit und gerade deshalb in seiner Aussage ambivalent. Denn letztlich spekuliert man nur: Was ist Wirklichkeit? Was ist Traum? Doch ich hoffe eines weiß man genau, dass Dreyers Werk auch weiterhin die Zeit bestehen wird. Ich wiederhole mich gern, auch wenn ich diese Form der pseudoepischen Schreibweise selbst missachte: Dreyer als Heiliger des Kinos, sein »Vamypr« ein morbides Wunder des Kinos. Wohlgemerkt: Inflationär gesagt.



8.5 / 10

Autor: Hoffman