»Nix Angst. Angst nix gut. Angst essen Seele auf« - »Angst isst Seele auf. Das klingt schön. Sagt man das so bei euch?« - Ein schöner Titel. Ich meine einer der schönsten Titel von allen, trotz grammatikalischer Verächtlichkeit. Wenn ich so bei mir - eventuell auch mit mir - überlege muss ich doch feststellen, dass für mich "Angst essen Seelen" - auch bekannt unter dem Arbeitstiel: »Alle Türken heißen Ali« - aus dem Jahre 1973 eigentlich den perfekten Prototyp eines Rainer Werner Fassbinder Films abgibt. Jedes kleine Detail bedacht und feinfühlig inszeniert. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass bei diesem Fassbinder auch wohl am deutlichsten seine Liebe zu Douglas Sirk durchschimmert - nicht nur weil er im Grunde, dessen Grundgeschichte referiert und sie kompakt von Fassbinder in seinen Kontext gebracht wird, nein weil "Angst essen Seele" genau jenes ist, was für ich in seiner besten Form Fassbinder-Kino ist, auch wenn das ohne Frage plump daher gesagt sei, allein der Titel verzückt. Das muss was heißen.
Vielleicht liegt es nur daran, dass ich zugleich auch großer Sirk-Fan bin und Fassbinder diesen nun mal mit sichtlich genug Eigenwillen würdig zitiert und somit lässt sich wohl in Bezug auf Sirk hierbei zunächst sagen, dass Parallelen zu ihm und Fassbinder nie aussagekräftiger waren. Fast eine Hommage. Denn so nimmt Fassbinder einerseits Sirks "Was der Himmel erlaubt" und teils auf die Rassismuskritik bezogen seinen "Solange es Menschen gibt" - später sind solche Referenzen auch in "Die Ehe der Maria Braun" deutlich erkennbar, dort im Falle von Sirks "Zeit zu leben und zu Sterben" - und vereint sie in seiner Handlung.
Eigentlich somit auch eine konsequente Fortführung von Fassbinders vorhergehenden "Händler der vier Jahreszeiten", in welchem auch teils Sirk-Versatzstücke durchstrahlten. Eine Liebe, zwei Disparitäten, der älteren Witwe Emmi und dem jüngeren Marokkaner Ali. Ein ungleiches Paar, welches von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden kann und bei der Gesellschaft auf Intoleranz und Missachtung stößt. Fassbinders Rassismus- wie auch Gesellschaftskritik scharf wie ein Rasiermesser und zugleich entlarvt Fassbinder auch stets bitterböse, aber auch mit einer latenten Menge an Ironie, das Bürgertum selbst und seine Auseinandersetzung mit der Integration zwischen Toleranz und Intoleranz. Trotzdem ist Fassbinders Film auch hier geprägt von seiner speziellen Künstlichkeit, jedoch hatte dies gerade bei "Angst essen Seele auf" bei mir eine seltsam-einnehmende Wirkung.
Um es so zu sagen dies war für mich nie passender. Selten hat mich ein Fassbinder so von Anfang bis Ende faszinierend. Jedes Details so präzise ausgearbeitet und doch so gekonnt inszeniert wie einfach aus dem Bauch heraus. Interessant bleibt bei dieser Distanz zum Zuschauer auch, dass Fassbinder hierbei nicht auf seinen vertrauten Kameramann Ballhaus setzte, da er möglicherweise zu markant und herausstechend in der Führung seie, stattdessen auf Jürgen Jürgens. Somit wirkt Fassbinders Werk gleichauf in einem Zuge gesagt realitätsnah. Nüchtern und minimalistisch von Jürgens gefilmt, mit kühler Note. Jürgens Kameraführung ist wesentlich einfacher und simpler gehalten als die von Ballhaus, dennoch es funktioniert. So entwickelt sich dadurch eine recht eigenwillige Stimmung, die in ihrer inneren Trostlosigkeit von Fassbinder behutsam angepackt wird und kunstvoll angepasst wird. Anders gesagt Jürgens Kamera ist zurückhaltender. Und das gibt Fassbinder Raum um den Fokus auf seine Charaktere und die Geschichte zu richten, sodass der Zuschauer sich insofern völlig auf diese konzentrieren kann. Die Szenerie glänzt durch eben diese Einfachheit und Fassbinders Mellodram kann sich somit auf seine völlig eigene Weise entfalten. Nicht zuletzt auch Brigitte Mira weiß mit ihrem sensiblen Spiel zu faszinieren..Auch El Hedi ben Salem als Ali überzeugt. Die Chemie stimmt. Und auch Fassbinder selbst wunderbar als prolettischer Schwiegersohn, hinterher auch mit ironischen Einsatz. Natürlich mögen seine Figuren teils klischeehaft sein, doch werden diese glaubwürdig von ihm inszeniert und als Reflexion benutzt. Ein weiterer positiver Standpunkt wäre hierbei, dass Fassbinder Douglas Sirks Prinzip des großen Melodrama wirklich verinnerlicht und somit der Wall der großen Gefühle von Fassbinder in der Kürze verarbeitet wird, was wahrscheinlich auch diese sonstige teils sperrige Künstlichkeit von Fassbinders Filmen für mich insofern so hypnotisch machte.
Wiederum ist das eines der wahrscheinlich deprimierendensten und zugleich doch schönsten Melodramen, die Fassbinder inszenierte. Bei Fassbinder muss man einfach Superlativen anstreben, besonders bei diesem. Vielleicht übertreibe ich auch nur. Ich könnte es selbst nicht in Worte fassen, dieses "Angst essen Seele auf". Kurios zwischen Tragik und Ironie. Zwischen einer beruhigenden, aber auch bedrückenden Regie. Irgendwo zwischen Distanz und der inneren Nähe. So frei werden dabei Künstlichkeit, Feingefühl und Ehrlichkeit vermischt. Oder einfach ein mehr als virtuos eingefädeltes Glanzstück seitens Fassbinders, auch wenn das unbeholfen klingt. Und letztlich ist dies passiert, was ich vor kurzem noch für unmöglich hielt - ich habe mich doch in Fassbinder verliebt. Wieder einmal.
9.0 / 10
Autor: Hoffman
Ich habe den Titel nie verstanden, jetzt ist er mir klarer geworden. :D
AntwortenLöschenFreut mich, dass ich da endlich Licht ins Dunkeln bringen konnte. Da hab ich meinen Bildungsauftrag für heute ja erfüllt. :)
Löschen