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Mittwoch, 29. Juli 2015

Der (fragliche) Weg zum Erfolg? - Kritik: White Star (1983)




Nachdem Roland Klick als Regisseur von »Christiane F.« rausgeschmissen wurde, was Klick als einen persönlichen Untergang sah und durch Uli Edel ersetzt wurde, da es mit Produzent Bernd Eichinger zu künstlerischen Differenzen kam, wusste er, dass er sofort einen anderen Film machen musste oder er würde nie wieder einen Film drehen. Dieser Film war »White Star«, der ein Film über Träume, den Weg zum Erfolg, das Scheitern und natürlich »Future« ist, in dem der Musikpromoter Ken Barlow, der in den 60er Jahren irgendetwas zu tun gehabt haben soll mit den Rolling Stones, versucht den jungen Moody Mudinsky, ein ehemaliger Keyboardspieler einer kleinen Punkband, der sich jetzt als Solokünstler versucht, zum leuchtenden Stern am Musikhimmel zu machen. Dabei greift Barlow bei der Promotion, die für Klick stets etwas mit Lüge und Betrug zu tun hat, zu extremen Methoden, um den Jungen zu einem Star zu machen. 



Er lässt ihn in einem Punkschuppen auftreten, in der diesen der »Sound der Zukunft« präsentiert werden soll, in dem Barlow selbst einen Aufruhr einfädeln lässt, um daraufhin die Polizei auflaufen zu lassen, damit sein Schützling in die Schlagzeilen gerät und somit in das Sichtfeld der Menschen. Er lässt die Wände der Stadt, die übrigens Berlin ist, mit Plakaten vollkleben, die eine Tour ankündigen, während das erste Album noch nicht einmal fertig ist, die er aber eigentlich platzen lassen will. Er geht sogar so weit, dass er ein Attentat auf seinen Star verüben lässt. Er sucht die Publicity. Für ihn ist das Marketing wichtiger als die Musik, womit er den exakten Gegensatz zum naiven Moody darstellt, der eigentlich nur seine Musik machen will und der (damals heroinsüchtige) Dennis Hopper mimt diesen Wahnsinnigen inbrünstig, als würde er diesen Charakter förmlich in sich aufsaugen. Er spielt ihn mal schwitzend und abgehalftert, dann aber wieder auf seine Weise glanzvoll. Er treibt das Ganze weiter und weiter, ist unnachgiebig und lässt sich von seinem Ziel nicht abbringen.



Klick gibt diesem Charakter aber auch seine tragische und verzweifelte Seite, wenn er in den Spiegel blickt, nachdem er sich auf einer versifften Toilette mit Baseballschläger gegen ein paar Punks gewehrt hat, gegen die er am Ende verloren hat und von denen er am Ende sogar bepinkelt wurde. Er, der so hoch nach oben möchte, findet sich in diesem Moment ganz unten wieder. Oder auch dann, wenn er den alten Zeiten nachtrauert, in denen es richtige »Stars« und richtigen »Rock´n´Roll« gab. Roland Klicks Werk, das am Ende auch (den Drehbedingungen geschuldet) wie ein Fragment anmutet, ist in seiner durchaus gegebenen Grobschlächtigkeit ein ausgefallener und irgendwo auch galliger Film, der aufregend-chaotisch und wild ist, wenn Hopper in seinem Auto als Beispiel mit seinem Schützling auf dem Rücksitz, der während der wilden Fahrt seinen weißen Anzug anziehen soll, zu einer Pressekonferenz rast, gegen die anderen Verkehrsteilnehmer wütet (»Verdammt, was wir brauchen ist verdammt richtige Wirtschaftskrise, damit sich nicht jedes Arschloch ein Auto leisten kann!«), lautstark hupt und dem Jungen dessen Image erklärt, wie seine Geschichte wäre und wie er sich darstellen müsse. So ist das, was am Ende hier herausgekommen ist, ein exzentrischer, regelrecht übersteigt-ruppiger Film, der aber gerade deshalb so einen gewaltigen Reiz ausstrahlt.


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

Dienstag, 22. Januar 2013

Fassbinder Retroperspektive #3 - Klassiker der Extraklasse: Angst essen Seele auf (1973)



»Nix Angst. Angst nix gut. Angst essen Seele auf« - »Angst isst Seele auf. Das klingt schön. Sagt man das so bei euch?« - Ein schöner Titel. Ich meine einer der schönsten Titel von allen, trotz grammatikalischer Verächtlichkeit. Wenn ich so bei mir - eventuell auch mit mir - überlege muss ich doch feststellen, dass für mich "Angst essen Seelen" - auch bekannt unter dem Arbeitstiel: »Alle Türken heißen Ali« - aus dem Jahre 1973 eigentlich den perfekten Prototyp eines Rainer Werner Fassbinder Films abgibt. Jedes kleine Detail bedacht und feinfühlig inszeniert. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass bei diesem Fassbinder auch wohl am deutlichsten seine Liebe zu Douglas Sirk durchschimmert - nicht nur weil er im Grunde, dessen Grundgeschichte referiert und sie kompakt von Fassbinder in seinen Kontext gebracht wird, nein weil "Angst essen Seele" genau jenes ist, was für ich in seiner besten Form Fassbinder-Kino ist, auch wenn das ohne Frage plump daher gesagt sei, allein der Titel verzückt. Das muss was heißen.




Vielleicht liegt es nur daran, dass ich zugleich auch großer Sirk-Fan bin und Fassbinder diesen nun mal mit sichtlich genug Eigenwillen würdig zitiert und somit lässt sich wohl in Bezug auf Sirk hierbei zunächst sagen, dass Parallelen zu ihm und Fassbinder nie aussagekräftiger waren. Fast eine Hommage. Denn so nimmt Fassbinder einerseits Sirks "Was der Himmel erlaubt" und teils auf die Rassismuskritik bezogen seinen "Solange es Menschen gibt" - später sind solche Referenzen auch in "Die Ehe der Maria Braun" deutlich erkennbar, dort im Falle von Sirks "Zeit zu leben und zu Sterben" - und vereint sie in seiner Handlung.

 Eigentlich somit auch eine konsequente Fortführung von Fassbinders vorhergehenden "Händler der vier Jahreszeiten", in welchem auch teils Sirk-Versatzstücke durchstrahlten. Eine Liebe, zwei Disparitäten, der älteren Witwe Emmi und dem jüngeren Marokkaner Ali. Ein ungleiches Paar, welches von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden kann und bei der Gesellschaft auf Intoleranz und Missachtung stößt. Fassbinders Rassismus- wie auch Gesellschaftskritik scharf wie ein Rasiermesser und zugleich entlarvt Fassbinder auch stets bitterböse, aber auch mit einer latenten Menge an Ironie, das Bürgertum selbst und seine Auseinandersetzung mit der Integration zwischen Toleranz und Intoleranz. Trotzdem ist Fassbinders Film auch hier geprägt von seiner speziellen Künstlichkeit, jedoch hatte dies gerade bei "Angst essen Seele auf" bei mir eine seltsam-einnehmende Wirkung.


Um es so zu sagen dies war für mich nie passender. Selten hat mich ein Fassbinder so von Anfang bis Ende faszinierend. Jedes Details so präzise ausgearbeitet und doch so gekonnt inszeniert wie einfach aus dem Bauch heraus. Interessant bleibt bei dieser Distanz zum Zuschauer auch, dass Fassbinder hierbei nicht auf seinen vertrauten Kameramann Ballhaus setzte, da er möglicherweise zu markant und herausstechend in der Führung seie, stattdessen auf Jürgen Jürgens. Somit wirkt Fassbinders Werk gleichauf in einem Zuge gesagt realitätsnah. Nüchtern und minimalistisch von Jürgens gefilmt, mit kühler Note. Jürgens Kameraführung ist wesentlich einfacher und simpler gehalten als die von Ballhaus, dennoch es funktioniert. So entwickelt sich dadurch eine recht eigenwillige Stimmung, die in ihrer inneren Trostlosigkeit von Fassbinder behutsam angepackt wird und kunstvoll angepasst wird. Anders gesagt Jürgens Kamera ist zurückhaltender. Und das gibt Fassbinder Raum um den Fokus auf seine Charaktere und die Geschichte zu richten, sodass der Zuschauer sich insofern völlig auf diese konzentrieren kann. Die Szenerie glänzt durch eben diese Einfachheit und Fassbinders Mellodram kann sich somit auf seine völlig eigene Weise entfalten. Nicht zuletzt auch Brigitte Mira weiß mit ihrem sensiblen Spiel zu faszinieren..Auch  El Hedi ben Salem als Ali überzeugt. Die Chemie stimmt. Und auch Fassbinder selbst wunderbar als prolettischer Schwiegersohn, hinterher auch mit ironischen Einsatz. Natürlich mögen seine Figuren teils klischeehaft sein, doch werden diese glaubwürdig von ihm inszeniert und als Reflexion benutzt. Ein weiterer positiver Standpunkt wäre hierbei, dass Fassbinder Douglas Sirks Prinzip des großen Melodrama wirklich verinnerlicht und somit der Wall der großen Gefühle von Fassbinder in der Kürze verarbeitet wird, was wahrscheinlich auch diese sonstige teils sperrige Künstlichkeit von Fassbinders Filmen für mich insofern so hypnotisch machte.




Wiederum ist das eines der wahrscheinlich deprimierendensten und zugleich doch schönsten Melodramen, die Fassbinder inszenierte. Bei Fassbinder muss man einfach Superlativen anstreben, besonders bei diesem. Vielleicht übertreibe ich auch nur. Ich könnte es selbst nicht in Worte fassen, dieses "Angst essen Seele auf". Kurios zwischen Tragik und Ironie. Zwischen einer beruhigenden, aber auch bedrückenden Regie. Irgendwo zwischen Distanz und der inneren Nähe. So frei werden dabei Künstlichkeit, Feingefühl und Ehrlichkeit vermischt. Oder einfach ein mehr als virtuos eingefädeltes Glanzstück seitens Fassbinders, auch wenn das unbeholfen klingt. Und letztlich ist dies passiert, was ich vor kurzem noch für unmöglich hielt - ich habe mich doch in Fassbinder verliebt. Wieder einmal.



9.0 / 10

Autor: Hoffman