Freitag, 10. Oktober 2014

»The mob doesn't think. It has no mind of its own.« - Klassiker der Extraklasse: Fury - Blinde Wut (1936)



Fritz Langs erster Hollywoodfilm aus dem Jahre 1936 zeigt eigentlich prototypisch mit welchen Problemen sich Lang seitens künstlerischen Arbeit konfrontiert sah als er nach Amerika exillierte, um nun dort Filme zu drehen, Filme wie »Fury«. Mit klaren Einschränkungen seitens der Studios war also zu rechnen. Alles musste nun mehr oder weniger dem Publikum angepasst werden. Seine einstige Idee einen schwarzen Protagonisten zu nehmen, wurde abgelehnt. Ansonsten aber ist er auch so perfide genug für die Thematik der Massenhysterie, mit der Lang erneut sein Motiv aus »M« aufgreift. Bloß ist es dieses Mal ein unbescholtener Bürger, zur Identifizierung für das Publikum wurde so auch aus Anwalt, der Arbeiter Joe. So ist dies auch durchaus positiv zu werten, wenngleich die Rolle des Anwalts Joe´s Sicht auch weitaus besser präzisiert hätte auf das Justizsystem und seinen Glauben an Rechte wie Freiheit und Gerechtigkeit bezogen. Das hätte im besonderen in der Konsequenz der Handlung ein Trumpf sein können. Doch halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten und Möglichkeitsformen auf, funktionierten tut Langs Film schließlich auch so.



Der Unschuldige gerät in die Mühlen der Justiz und wird zum Lynchopfer, von der wilde Hetzerei eines Mobs heraufbeschworen. Die tratschen wie die Hähnen gackern. Der Anfang beginnt versönlich und harmonisch wird das Bild des harmlosen und sympathisch anmutenden Protagonisten Joe (Spencer Tracy) gemalt. Der Zuschauer soll verstehen. Der Zuschauer wird in die Opferperspektive versetzt. Die  Masse jagt den Unschuldigen - ohne eindeutigen Beweis für seine Tat, ohne Rechtfertigung, nur auf Mutmaßung aufgebaut. Ja, die Masse ist manipulierbar, dabei reflektiert Lang zugleich auch scharfsinnig und politisch ambitioniert die damals aktuellen Ereignisse der Zeit, als Vorbild dafür wird natürlich auch Deutschland unter den Nationalsozialisten angedeutet.

Zynisch und ja auch reißerisch rechnet Lang mit System und sozialen Missständen ab, inszenatorisch gibt sich der Meister routiniert. Technisch aber auch angepasster an das amerikanische Kino, auch wenn gerade in der zweiten Hälfte sich der inszenatorische Einfluss des deutschen Expressionismus noch einmal deutlich zeigt, wenn das Polizeirevier brennt, die Bürger in heller Aufregung, Tracy in den Flammen gefangen, während die Meute ihr Werk stolz und mit Funkeln in den Augen betrachtet, so fokussiert sich Lang auf ihre Gesichter, zeigt sie in Close-Ups. Die Intensität in diesen Szenen lässt atemlos. An solchen Stellen bemerkt man doch förmlich wie Lang seine Wurzeln würdig ins amerikanische Kino überträgt, auch die Rückkehr (aus den Flammen) von Tracys Charakter ist geprägt von starken Licht- und Schattenkontrasten, geradezu symbolisch wird ein Satz, in dem Tracy meint, man solle das Licht löschen. Dagegen verstummt geradezu die versönliche erste Hälfte von Langs Werk, eben im Gegensatz zu der bedrückenden Stimmung im zweiten Teil.



Dazu trägt auch Spencer Tracy seiner großartiger Performance bei, gerade hierbei ist der Wandel der Figur doch faszinierend an seinem physischen Spiel exzellent zu beobachten, diese einstige Zufriedenheit und den Glauben an Freiheit und Gerechtigkeit, in Wechselspiel mit Gleichgültigkeit, Zerrissenheit und Rache mimt Tracy mit bestechender Glaubwürdigkeit. Es ist der Verlust seiner einstigen Ideale. Sein einziger Gedanke: Sie sollen das selbe Unrecht erfahren wie er, der Prozess gegen die Lynchjustiz folgt im Gerichtssaal, es wird verhandelt, argumentiert, gelogen und verleugnet. Lang zeigt sich kraftvoll. Nur das Ende stört dahingehend - auch hier vom Studio verordnet und gegen Langs Willen. Ich stimme mit ihm wohl überein, viel zu abrupt und im Gesamtbild viel zu romantisiert nach all diesen Ereignissen, auch wenn ich für diese Variante auch ein gewisses Verständnis habe. Schaden tut es dem Film ja letztlich nur geringfügig.



7.5 / 10

Autor: Hoffman

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