Mittwoch, 23. August 2017

Im Fahrwasser von Jaws - Kritik: Orca & Tentacoli (1977)

Bereits kurze Zeit nach Spielberg bahnbrechendem Meisterwerk "Jaws", das seither Mittelpunkt zahlloser Texte war, entstanden die ersten sogenannten Rip-Offs, also ungenierte künstlerische Repliken oder Epigonen. Das Erbe des Films besteht somit nicht nur aus einer grassierenden Hai-Paranoia und ungefragten Sequels, die mitunter nach Konsens gewaltig abfallen hinsichtlich ihrer Qualität, sondern auch aus Nachzüglern, die vom Erfolg des Originals profitieren sollen. Der Hai als unsichtbare Gefahr wird zudem seit einer Weile als nicht mehr ganz so unsichtbarer Trash-Garant missverstanden, was Haie in Tornados, Supermärkten oder Venedig umfasst. Von ihren Prämissen her versuchen sich die Billig-Produktionen in ihrer Absurdität gegenseitig zu übertreffen, in der Umsetzung offenbaren sie sich indes als Opfer ihrer forcierten Komik. Jegliche Sympathie scheint bei ihnen fehl am Platz. In diese bedauernswerte Phase fallen glücklicherweise weder "Orca" noch "Tentacoli" (Alternativtitel: Angriff aus der Tiefe; Der Polyp – Die Bestie mit den Todesarmen), weil sie nicht gewollt schlecht sind. Beide eint ihr Produktionsjahr, das mit 1977 nicht nur zufällig 2 Jahre hinter ihrem Vorbild liegt. Ebenfalls auffällig sind die jeweiligen Besetzungen, die im Fall von" Orca" Richard Harris und Charlotte Rampling (!) beinhaltet, und beim Polyp mit John Huston (!!), Shelley Winters oder Henry Fonda (!!) hervorsticht. Nichtsdestotrotz hilft ihnen diese Tatsache nicht über die durchweg schlechte Rezeption hinweg. 




"Orca" beginnt mit einem Hai, der auf ein Schiff zuschwimmt. Bevor er dies erreicht, wird er von einem Orcawal geschnappt. Eine symbolische Szene, die den eigentlichen Herrscher des Meeres erkennen lässt und nicht einer gewissen Frechheit entbehrt. Kapitän Nolan (R. Harris) jagt jedenfalls resolut die Meeresriesen wie einst Captain Ahab. Trotz der prophetischen Warnungen einer Meeresbiologin (C. Rampling) fängt er eine Walmutter samt Fötus, was Papa Orca ganz und gar nicht gefällt. Fortan rächt er sich an den Menschen, indem er ein am Meer gelegenes Dorf demoliert und u.a. ein Haus auf Balken zum Einsturz bringt. Der fachlichen Expertise nach muss Nolan (hihi) mitten aufs Meer hinaus, um sich dem Orca per Showdown zu stellen. Die Konfrontation findet auf Eisschollen statt und kann durchaus archetypisch als Mensch gegen Natur gelten. Kleiner Variationen zum Ursprungsstoff entgegen findet hier eine seltsame Anthropomorphisierung des Orcas statt, der sich an seine Peiniger erinnert und als Selbstjustizler sein totes Weib und Kind rächt. Der Orca selbst ist (zu) häufig zu sehen und trägt zudem die Sympathie beim Geschehen. Damit einher geht eine behauptete Überlegenheit der Intelligenz des Meereswesens, wie sie gerne mal praktiziert wird und nie schlimmer zu Tage kommt als im "Doku"-Quatsch "The Cove". Davon abgesehen verdient Morricones sanfter Score eine Erwähnung, der irgendwie eine Antithese zu Williams bedrohlichen Jaws-Melodien darstellt. 




Das andere Kuriosum, "Tentacoli" stammt aus dem Italien einer Zeit, als Genreproduktionen noch hoch in Kurs standen, womit selbstverständlich auch so manch unverhohlenes Rip-Off gemeint sein kann. Mit den Figuren (zu denen wandelnde Klischees wie die Schöne oder der tölpelige Dicke zählen) lässt sich hier leider nichts anfangen, was besonders aufgrund Hustons Kauzigkeit schade ist. Erneut wird der Angreifer aus der Tiefsee hier substituiert, diesmal mit einem (?) Kraken, der lediglich durch sein Auge oder die einzelnen Fangarme zu erkennen ist. Es wurde sichtlich bei der Gestaltung des Monsters gespart, womit er allerdings ähnlich unsichtbar bleibt wie Spielbergs Hai. Generell lässt sich eine größere Schauerlichkeit als beim Orcawal attestieren, wobei vor allem ein von Haifischen übersätes Meeresgrab in Erinnerung bleibt. Währenddessen ist die Ursache für die Angriffe wieder auf menschliche Machenschaften zurückführbar, die sich diesmal in Radiowellen manifestieren. Ansonsten zeichnet sich der Kraken dadurch aus, dass auch Kinder zu seinen Opfern zählen und er nicht einer Vigilanten-Quest folgt. Seine Angriffe sind willkürlich und eben deshalb beunruhigend. Leider fällt die Inszenierung sonst weitgehend behähig aus und irritiert durch unsinnige Freeze Frames. Ein amüsanter Clou ist hingegen der Einsatz von Orcas zur Bekämpfung des Kraken. Wo der Mensch kapituliert, müssen eben Monster mit Monstren angegangen werden. Zuletzt ist ebenso wie zuvor der Score von Stelvio Cipriani ein Pluspunkt, der das dröge Unterfangen etwas aufwertet, insgesamt aber auch nicht viel retten kann. 

Orca: 3/10
Tentacoli: 4/10

Autor: DeDavid

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