»Wenn ihr wüsstest wie dreckig ihr seid...« - Was für ein Film?! Was für ein Film! Was für ein Fassbinder! Was war das bloß wieder für ein meisterhaftes Stück Zelluloid seitens Fassbinder. Fassbinder und das Theater, das ist "Die bitteren Tränen der Petra von Kant". Denn eigentlich liegt der Vorlage hier Fassbinders eigenes Theaterstück zu Grunde, woraus er das Drehbuch selbst anfertigte und so ist es letztlich wenig verwunderlich, dass Fassbinders Film aus dem Jahre 1972 selbst einem Theaterstück (systematisch unterteilt in 5. Akte) gleicht, doch ich bitte dies nicht falsch zu verstehen, vernehmlich ist das ein mehr als reizvoller Gedanke am Film, welchen Fassbinder in Hinsicht eines Kammerspiels natürlich auch wieder vollkommen ausbaut.
Das heißt Fassbinders Kammerspiel funktioniert dabei auf einer recht simplen Ebene, zwei Stunden lang reflektiert er in Petras Appartement ihren Lebens- und Leidensweg, den man so gesehen als Spirale in den Abgrund bezeichnen dürfte oder gar als eine Studie des Verfalls und darin ist Fassbinder in Hinsicht der Intensität der Bilder mal wieder kaum zu übertrumpfen. Logisch, Michael Ballhaus führt die Kamera - auf minimalistischen Pfaden - schwebt förmlich präzise über dem Geschehnissen und kreiert in seiner Einfachheit Bilder voller Kraft und Virtuosität, die eine nahezu seltsame Sogwirkung (wie auch bei so manch anderen Fassbinder) erzeugen, daran leistet aber auch gerade besonders die von Fassbinder eigenwillige, künstliche erschaffene Atmosphäre Abhilfe, die wahrscheinlich als Reflexion der plastischen Welt der Modeschöpferin angesehen werden könnte. Und so greift r dabei in seinem kleinen Appartement auf viele Symbole und Metaphern selbst zurück, allein das offen platzierte Bett im Zimmer könnte insofern als Himmel symbolisiert werden aus dem von Kant und letztlich so in eine Abwärtsspirale der Gefühle und Raserei gerät, ernüchtert am Boden erwacht, bis zu den bitteren Tränen treibt Fassbinder dabei sein Kammerspiel.
Einfach in der Inszenierung aber von exzessiver Energie seiner unzähligen Darstellerinnen (Man könnte gar von dem Glanz dieser erblinden: Carstenensen, Schygulla, Hermann, Mattes, Schaake, Fackeldey) getragen und auch dadurch gewinnt Fassbinders Kammerspiel einen besonderen Reiz, er drehte ohne männliche Darsteller. Die einzigen Männer erscheinen hier allseits präsent porträtiert oder sind in geringen Sekunden zu sehen auf Fotos. Sichtlich ungewöhnlich, doch dabei umso faszinierender in der Umsetzung wie auch in der Intention Fassbinders, der hierbei bekanntlich den Versuch einer Emanzipation der Frau schildert.
Einen Versuch des Überlebens, in der dominanten Welt und daran zerbricht sie wie eine Plastikpuppe. Man zeigt sich von dieser Welt enttäuscht und zurückgeschlagen. Der Leidensweg der Petra van Kant. Fassbinder zeigt starke Frauen. Somit reflektiert er diesen immer weiterführenden Fall der van Kant und schildert so ihre Einsamkeit und insofern fügt sich auch das Bild des Kammerspiels, eingeengt, zurückgezogen und verlassen, wobei Fassbinder dadurch keinesfalls auch seine favorisierten Motive von Spiegeln als Reflexionsfläche vergisst, so auch die Leeren des Appartements der Petra van Kant als Widerspiegelung ihres seelischen Zustandes. Sie ist wie gefangen und in ihrer Verzweiflung, in diesen unwirklich wirkenden Räumen mit theatralischer Ausgabe und der bewusst gesetzten kitschigen Ausstattung und Stil des Films, so ist er aber auch auf seiner stilistischen Ebenen gekünstelt, jedoch intensiv und auf seine Art schonungslos.
Natürlich ist er so auf seine Art recht gewöhnungsbedürftig, diese ungewohnte Künstlichkeit und diese innere Leere der Räume, trotz markanter Merkmale des Appartements, so aber auch irgendwie authentisch und somit tragisch wie auch faszinierend mit exakten und doch emotional geladenen, kraftvollen Dialogen präzisiert. Eigenwillig in seiner Schilderung des Kammerspiels, aber ungemein einnehmend gestaltet und nicht zuletzt ein Meisterstück, was zusammenbringt was schon immer zusammen gehörte Fassbinder und das Theater in offensiver Form, so bitter wie eben die Tränen der Petra van Kant. So etwas konnte eben nur Fassbinder.
8.0 / 10
Autor: Hoffman
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