Mittwoch, 14. März 2018

Heranwachsen im grauen Beton - Kritik: Insel der Schwäne (1983)


Im Jahre 1983 entstand dieser Film der DEFA, »Die Insel der Schwäne«, ein mystisches Ding, dessen erste Bilder uns ein Floss, das auf einem Fluss treibt in einer leicht nebelhaften Umgebung präsentiert, die diesem Ort etwas überhöhtes geben. Schon dort bemerkt man, dass man gerade in Hinsicht der DEFA etwas andersartiges vor sich hat, ein Ding, das etwas poetisches in seiner Kargheit findet. Es ist weiterhin ein Ort, an dem auch die Schwäne über das Wasser gleiten. Diese Natur, die Herrmann Zschoche in den ersten Minuten seines Films zeigt, strahlt Erhabenheit aus. Zwei Jungen sind auf diesem Floss zu finden. Einer, Stefan, nimmt Abschied von dieser Heimat. Er verabschiedet sich von seinem Freund, seiner Großmutter und seinem Dorf.  Seinem Freund wird er aber weiterhin Briefe schreiben. Er wird in die Großstadt Berlin umziehen, wo sein Vater eine neue Wohnung und Arbeit als Bauarbeiter gefunden hat. Stefan ist unglücklich über diesen Umzug. Die Ankunft in Berlin erfolgt bei Nacht. Überall sind die Lichter und die Plattenbauten, diese gewaltigen Adventskalender, die Stefans Heim bilden werden. Sie strahlen eine schauerliche Größe aus. Sie sind etwas, dem man nicht trauen kann. Sie erscheinen wie kalte und in eintönige Farben gehaltene Höhlen. Das ist nur grauer Beton, aber mit Komfort (also mit Bad, Heizung und warmen Wasser). Dieser realistisch gehaltene Film wird dabei immer von etwas illusionärem durchbrochen, was sich anscheinend in Stefans Gedankenwelt abspielt. Es sind Fantasiegestalten, so zum Beispiel eine anarchistische Rockband, von denen Stefan ein Plakat von seinen Freund mitbekommen hat und sich »Ritter, Tod, Teufel« nennt. Sie tauchen immer wieder auf und tanzen auf den Fassaden. Hier in Marzahn, dem Gebiet für Neubauten, ist alles noch im Entstehen. Das meiste ist unfertig, überall wird noch gebaut. Es sollen noch mehr dieser kargen Bauten entstehen. Diese Welt, die der Film zeigt, ist noch im Rohzustand und eben diese Welt sieht dadurch eben auch grau und trüb aus. 



Herrmann Zschoches Blick auf diese Realität ist nüchtern. In dieser Welt gelten strenge Vorschriften. Zschoches Film gehört seinen jugendlichen Protagonisten. Er schildert eine schlichte Geschichte über das Erwachsenwerden, mehr eigentlich noch einen Zustand, sensibel und empfindsam. Er bleibt nah und leise an seinen Figuren. Er beobachtet mit Ruhe. Die Dialoge haben dazu fast einen lakonischen Charakter. Sie sind verknappt. Die Spielplätze der Kinder, das sind Schlammgruben, die die Kinder aber mit dem Schrott, der dort liegt, lieb gewonnen zu haben scheinen. Es ist das Einzige, was für sie in dieser Landschaft geblieben ist, was aber auch betoniert werden soll. Sie wünschen sich Tunnel und Wiesen, keinen Beton und protestieren. In diesem Punkt zeigt sich auch die kritische Auseinandersetzung des Films mit der Baupolitik der DDR. Die Erwachsenen haben kein Verständnis für die Bedürfnisse der Jugendlichen, nur bei den Mutterfiguren und Lehrerinnen findet man Ansätze davon. Väter haben dagegen nur Probleme mit dem Kreuz. Stefan freundet sich mit dem ängstlichen Jungen Hubert an, der auch in seinem Haus lebt und der von seinen Eltern (die nie in Erscheinung treten) vor die Tür gesetzt wird, damit er sie nicht stört, und steht ihm bei. Hubert möchte sich daraufhin unbedingt vor seinem neuen und mutigen Freund beweisen und legt sich mit älteren Jungen (unter anderem: Sven Martinek) an, die den harten Kerle markieren und ihn daraifhin erpressen und drangsalieren. Und dann gibt es auch noch solche Momente wie diese eine Montage von kurzen Erlebnissen, die Stefan mit einer verliebten Klassenkameradin (eines von zwei Mädchen, die in Stefan verknallt sind) erlebt mit einem Lied, das alles überdeutlich ausspricht, was nicht schon sowieso klar ist. Und dann ist da noch dieses faszinierend-rundimentäre und schlagartige Ende eines unfertig erscheinenden Film in einer unfertigen Umgebung, das eigentlich so gut wie alles in der Luft lässt. Zwar wählt Zschoche einen finalen dramatischen Punkt in der Geschichte, der auch überstanden wird, aber danach hört der Film einfach so auf, ohne noch etwas zu sagen oder einen runden Abschluss zu finden. Wie dem also auch sei: Es ist ein Werk, das sich auf jeden Fall wieder zu entdecken lohnt. 


                                                                 7.0 / 10


Autor: Hoffman 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen