Mittwoch, 29. Juni 2016

Short Cuts: Steven Spielberg (#1)


Die Farbe Lila (1985)


Spielbergs Werk ist ein in sich gespaltetener Film, der sich einerseits als Melodram, Gefühlskino, Kitsch versteht, das sich ganz den Gefühlen hingibt, andererseits schildert Spielberg diese Geschichte überaus naiv, im gewissen Maße sogar zu leichtfüßig und fröhlich, reichert seinen Film mit illustrer Komik an, lässt Antagonisten zu Karikaturen werden, die ihre Gewalt verlieren, lächerlich werden.
Das ist zu komisch. Überhaupt wird die Drastik, das Gefängnis, in dem sich Celie wähnt, nie wirklich gezielt und spürbar entfaltet, sondern nur in einzelnen (natürlich auch viel erzählenden) Einstellungen angetippt. Spielberg bleibt sehr sanft, sehr versöhnlich und lässt seine Protagonisten nie ihren Lebensmut verlieren, ist stets bestrebt das Gute zu betonen und hervorzuheben. Damit vereinfacht er die Situation (und die Figuren) natürlich auch. Darauf muss man sich einlassen. Es ist schlichtweg ein herzlicher Film, der einen eben herzlichen Umgang mit seinen Figuren pflegt (seinen Antagonisten vielleicht sogar vergibt). Es ist ein Film über Freundschaft und über Liebe, von denen Spielberg hier so süßlich erzählt, ein Film über die Kraft der Liebe, der aber auch - mag das vielleicht an seiner Leichtigkeit liegen oder vielleicht auch an seinen schnell wechselnden Jahreszeiten? - bündig wirkt. Es ist ein traditionell inszeniertes Melodram, das manchen Stellen beinahe so wirkt, als hätte Spielberg diesen naiven Hollywoodfilm in den 50er- oder 60er-Jahren gedreht (es kommen bisweilen Erinnerungen an Raoul Walshs »Band of Angels« herauf) und würde ihn genauso durchdacht inszenieren, denn natürlich liegt in seinem Handwerk eine merkliche Souveränität, die man seinem Film nicht absprechen kann und da ist natürlich noch ein anderer Punkt, den man Spielberg zugute halten muss, denn er schildert seine Geschichte vor allem mit menschlicher Wärme.

6.0 / 10


Der Soldat James Ryan (1998)




Wenn Spielberg sich mit Geschichte beschäftigt, dann lastet seinen Film etwas mythisches an. Das ist auch bei diesem Werk der Fall, was wohl auch nicht unproblematisch ist. Spielberg hält eine subjektive Erinnerung, einen Eindruck vom Krieg fest. Besonders zu Beginn, wenn er sich eindringlich in die subjektive Schilderung des D-Days begibt durch die Handkamera, ein Mittendrin erzeugt, ein körperliches Kino, in dem er auch Grausamkeiten nicht ausspart, ist sein Werk von einer eruptiven Kraft, einer erschütternden Kraft, die einen mit der ganzen Brutalität des Krieges konfrontiert. Danach wird Spielberg konventioneller, biegt sich eine Heldengeschichte aus amerikanischer Perspektive zurecht, in der der letzte Teil (= der jüngste Bruder und Sohn) einer Familie zurück zu ihr gebracht werden muss, zurück in die warmen Hände der Mutter in der Heimat (natürlich kann man auch sagen, dass der Film die Mutter und die Heimat gleichsetzt). Es ist ein Auslöser, der Spielbergs Familien-und Versöhnungs-Ideologie sehr gut deutlich macht, dafür muss man aber auch äußerst gutgläubig mit dem Film sein, um ihm das abzukaufen. Spielberg schildert danach also eher eine geradlinige und formal glattere, folglich auch konventionellere Kriegsodyssee, die ihren Sinn bekommt (und darin liegt ja auch der Widerspruch des Films, dass er damit auch sein gesamten Einstieg und dessen Aussage negiert), in der es um die Menschlichkeit geht, ein Leben zu retten, um jeden Preis. Ärgerlich ist daneben an diesem Film aber vor allem sein dumpfes Gut-und-Böse-Schema, das der oft genug Film betont (Ich habe tatsächlich ein Problem mit dem Deutschen, der aussieht wie das amerikanische Klischee eines Russen [siehe: Indiana Jones  and the Kingdom of the Crystal Skull], und der nachdem er empathisch freigelassen wurde, wieder zu denjenigen am Ende zählt, die kaltblütig mit dem Krieg weitermachen und niemanden verschonen; folglich war die Begnadigung ein Fehler, Mitleid für den Deutschen falsch und nur ein Amerikaner darf Gott spielen, über Leben und Tod entscheiden).

6.5 / 10


Gefährten (2011) 


Fraglos kann man wohl sagen, dass »War Horse« (sofern man den vierten Teil der Indiana Jones Reihe ausklammern mag) der am meisten gescholtene Spielberg der letzten Jahrzehnte ist, immer etwas stiefmütterlich behandelt wird, was wohl schlicht daran liegt, dass so genannte »Pferdefilme« vielleicht einfach nicht mehr mit ihrer hemmungslos treuherzigen und blauäugigen Gesinnung in diese Zeit passen. Nur noch einer scheint daran zu glauben und das ist Steven Spielberg. Bei diesem Film bewegt sich Spielberg auf dünnem Eis. Er erzählt eine Boy-meets-Horse-Story, in der es um Freundschaft zwischen einem Pferd und einem idealistischen Jungen geht, bei dem er das alte Hollywood (oder überhaupt ein traditionelles Kino der "epischen" Geschichtenerzähler) wieder aufleben lassen will, wie es einst Ford (How Green was my Valley) oder David Lean produzierten, die Spielberg offenherzig zitiert. Man kann eigentlich sagen (auch wenn der Film auf britischen Boden spielt und von einem amerikanischen Filmemacher umgesetzt wurde), dass der Film so ein bisschen eine Heimatfilm-Ideologie bis zu einem bestimmten Grad wieder heraufbeschwört. Er beginnt mit verspielter Frohmut, was John Williams mit leichtfüßigen Klängen begleitet, bevor Spielberg den Stoff langsam zu dramatisieren beginnt. Es ist eine Routinearbeit, die Spielberg mit diesem Film abgeliefert hat, die er wieder ganz der Naivität anvertraut. Er bedient wieder einmal geschickt die Klaviatur, um Emotionen zu wecken, wozu John Williams einen wesentliche Teil mit seiner erhabenen Musik beiträgt. Spielberg hält den Stoff leicht bekömmlich, sein Film ist dabei aber teils erschreckend banal (z.B. die Sache mit dem Pflug) und durchschaubar. Wenn Spielberg dann sein Pferd von seinem Jungen trennt und in den ersten Weltkrieg schickt, wo es von Besitzer zu Besitzer wechselt, die zum Großteil relativ austauschbar erscheinen, die es auch alle gut mit dem Tier meinen, dann wird der Film mehr und mehr fade. Interessant dabei ist aber, dass das Pferd stets Begleiter bleibt und Spielbergs Fokus oft immer mehr auf die Menschen gerichtet ist. Spielbergs Film funktioniert eigentlich "nur" als sentimentales Überwältigungskino, etwas das bei mir nun schlichtweg nicht funktionierte, weil der Film mehr vom Moment als von (wie gesagt eher blassen) Figuren lebt. Wobei man wenigstens sagen muss, dass Spielberg hier einen vergleichsweise angenehmen, wenn dabei auch insgesamt harmlos dahinstreifenden, und historisch orientierten Vertreter des »Pferdefilms« (sofern man diese Einordnung überhaupt akzeptieren will) kreiert hat, bei dem Spielberg wie immer weniger um die konkrete Historie an sich geht, sondern mehr um die Emotionalität des Mythos, den er anhand seines heroischen Pferdes beschreibt. Aber die Abschlussbilder, bei denen Spielberg "Vom Winde verweht" zitiert, die Silhouetten im Sonnenuntergang, die sind unter anderem, das muss man wirklich sagen, wirklich phänomenal.

5.5 / 10

Autor: Hoffman  

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