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Mittwoch, 7. August 2013

Truffaut Retrospektive #6 - Kritik: Die letzte Metro (1980)



Truffauts »letzte Metro« ist ein Studiofilm geworden, mit Kulissen, die aussehen wie im Theater und einer räumlichen Struktur und Gestaltung, die in ihren Ausführungen beschränkt scheint. Das Szenenbild wirkt künstlich, doch mir gefällt diese eingeschlossene Atmosphäre an Truffauts Film, der sich um eine Theatergruppe und das Theater selbst, während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg, dreht. Ganz dokumentarisch setzt Truffaut den Zuschauer zunächst ins Bild von Zeit, Geschehen und Geschichte. Dabei ist für Truffaut der politische Kontext sekundär, wie immer interessiert er sich vielmehr für seine Figuren und das Leben und auch wenn dies eine Studioproduktion ist, so verzichtete Truffaut auch nicht auf seinen altbekannten Stil, um die Handlung zu erstellen, in dem er sich von der detaillierten Archivarbeit und teils von seiner eigenen Kindheit, in der er diese Zeit erlebt hatte, inspirieren ließ. Dieser Aspekt wird am deutlichsten, wenn Truffaut den Kontrast zwischen Theater und Realität durchleuchtet. Truffauts Werk ist geprägt von Dunkelheit (= als Symbol der Frustration) und sanften Lichtern (= als kleine Hoffnungsschimmer), von geheimen Orten, Verstecken und von der Nacht. Das Theater und die Kinos leben, sie sind voll von Zuschauern, die so versuchen der düsteren Realität zu entfliehen, auch wenn es nur für wenige Stunden ist.





So erinnert das dann auch ein bisschen an Truffauts »Die amerikanische Nacht«, bloß, dass Truffaut dieses Mal nicht das Kino illustriert, sondern seine Faszination hierbei dem Theater gilt, von Vorbereitung, Inszenierung und Premiere, in Zeiten der Besatzung. Dabei ist besonders beachtlich wie subtil er den Grat zwischen hintersinnigem Humor, der gerne auch frech sein darf, und Dramatik bei der Geschichte hält, die Truffaut damit sowohl behutsam als auch des öfteren ironisch erzählt und dank Almendros in ein exquisites Bildergewand gekleidet. Es ist natürlich auch wieder eine Dreiecksgeschichte, welche Truffaut schildert (selbstredend auch nicht ohne Frauenbeine und Chansons!). Der junge Depardieu als Bernard, ein Charmeur, der sich den Frauen liebevoll nährt und Schauspieler, der seine politischen Überzeugen umzusetzen versucht; Deneuve als emanzipierte Theaterchefin, die sich durchsetzen und Kraft nach Außen strahlen muss, was ihr (der Figur, wie auch Deneuves Spiel an sich) einen kühlen Stich verleiht, dahinter verbirgt sich aber mehr, wie die Liebe und ihre Sorge um ihren Mann, für den sie die Flucht plant, dem jüdischen Theaterregisseur Steiner (Heinz Bennent), der isoliert und ohnmächtig im Keller des Theater verborgen verweilen muss und langsam zu verzweifeln droht durch das Warten, dieses endlose und quälende Warten. So dirigiert er nun hinter (oder unter) den Kulissen, durch seine Frau als ausführendes Organ, das Stück. Seine Frau führt ein Doppelleben, von Tarnung und Täuschung, wie im Theater, sie muss die Fassung wahren und nimmt damit eine heikle Position in dieser Zeit von Gefahren, Verdächtigungen, Denunzianten, selbstgefälligen Journalisten und Stromausfällen ein. Da ist Vorsicht geboten.




Denevues Figur steht aber auch in der Liebe im Mittelpunkt von Theater und Realität, im Theater liebt sie Bernard, im Leben gibt sie sich ihrem Mann hin, doch entwickelt Truffaut daraus langsam eine Übertragung von Schein zu Sein; das gilt aber auch für den gesamten Film. Eine besonders amüsante Szene ist in dieser Hinsicht ist jene, wenn Steiner kurz darüber spricht, dass seine derzeitige Situation ihn an ein Theaterstück erinnere, oder eine andere wunderbare Szene ist, wenn er im Zuge der Premiere des Stücks nervös und bangend um den Erfolg des Stückes fürchtet, dabei aufgeregt das Zimmer auf- und abschreitet, während seine Frau die Ruhe selbst  ist, ein witziger Schwenk in die Richtung des von Truffaut verehrten Howard Hawks. Und beim herrlichen Schlussakkord führt Truffaut schließlich persönlich alles mit aberwitzigen Tempo zum Ende und schreitet humorvoll zum Epilog, in dem er nun das Theater und die Wirklichkeit vollkommen miteinander verschmelzen  und zu einem werden lässt.



8.0 / 10

Autor: Hoffman 

Donnerstag, 26. Juli 2012

Die extremistischen Szenen einer entfremdeten Ehe - Kritik: Possession



»I can't exist by myself because I'm afraid of myself, because I'm the maker of my own evil.« - Im ausgeprägten Sinne einer lehrhaften Definition kann die »Besessenheit « als heftiger, irrationaler wie veränderter Zustand des Verhaltens angesehen werden, dies lässt sich wiederum auf die Besitznahme eines Dämons oder einer unbekannten Macht zurückführen, was zur Folge unkontrollierbare Ausbrüche der Erregung hervorrufen kann, so als mystisches Element religiöser Fragmente gilt. - und dann gibt es da Andrzej Zulawskis polarisierendes Werk »Possession« aus dem Jahre 1981, das filmische Schlachtfeld jeweiliger Besessenheit - eine wirkliche Genreklassifizierung so gut wie unmöglich. Mit Hintergrund: Dem geteilten Berlin. Hierbei Westberlin als Metaphern des kalten Krieges und der zugespitzten Fronten. Dies überträgt Zulawski auf seine Protagonisten. Der Schauplatz des gespaltenen Westberlins reflektiert er auf das Eheleben des Paares Mark und Anna, der Mann kehrt von Geschäftsreise zurück - die Stimmung wechselte. Die Ehe der Beiden wird zur Metaphern Berlins. Demnach Zulawskis drastische Abrechnung mit der Ehe - und mit persönlichem Hintergrund seitens Zulawskis.



Zulawskis Film ist ein Werk, das sich im Grunde jeder möglichen Objektivität entbehren mag oder solchen Kriterien - für Zulawski selbst diente dieser Film wohl auch als Verarbeitung seiner persönlichen Scheidung von seiner Frau. Insofern bebildert er er die extremistischen Szenen einer Ehe und begibt auf eine irrationale Irrfahrt - jedes Bild scheint selbst ein Symbol zu sein. Die Bilder von trostlos bis klinisch und düster.

Zulawski offenbart, dafür braucht der Zuschauer Verständnis. Einen Eingang, gar Zugang, gibt es nicht. - man versucht dies nüchtern zu betrachten. Problematisch: Nicht möglich. Geht nicht. Wenn Zulawski Inszenierung einschlägt wie ein tosender Blitz. Man könnte somit einerseits durchaus behaupten, bei Zulawski müsse man sich auf eine irrationale Herausforderung einlassen - so provoziert er auch ausschweifend und mit reflektierter Wut, dass es einem filmgewordenen Vulkan gleichen mag, geladen voller Energie und Kraft, wengleich auch roh und ungeschliffen, aber auch ungeschönt von Zulawski angepackt - dies fördert aber den Eigenwillen seines Werkes und faszinierte mich.

Gerade diese rohe und teils rabiate, stürmische Art überträgt Zulawski gleichauf aber auch auf seine beiden Akteure. Sie agieren wuchtig und ja über jedem Limit. Trotzdem passend. Ungewohnt blutjung: Sam Neill - habe ihn nie so facettenreich gesehen und abwechslungsreich-explosiv in Hinsicht von Mimik und Gestik. Für mich: Grandios. Da hat man Zulawski sofort gern - irgendwie. Während Isabelle Adjani mitreißt, verstört und unvergesslich spielt. Eine aufbrausende Persönlichkeit. Als Feature noch ein ausschweifend agierender Heint Bennent als Esoteriker? Zweifelsfrei beeindruckend. Und Zulawski treibt seine Protagonisten an den Rande einer Odyssee des Wahnsinns. Sogar mit Explosion, die braucht ja jeder und veranlasst somit mehrfach bereits zur Spaltung und Deutung des Zuschauers ist - ironisch: Der individuelle Zuschauer selbst als Metaphern. - so bleibt es nicht unschwer zu erkennen das Zulawski bei diesen Szenen einer Ehe großflächig die Entfremdung des Paares thematisiert - Antonioni packend referiert - andererseits wie gesagt lässt sich Zulawskis Werk aber auch deutlich als drastische Abrechnung wie exzessive Satire auf die Ehe lesen.

Zunächst als obskures Labyrinth später dann als blutiger Horrortrip, wenngleich Zulawski nur zu verzückend das apokalyptisch ähnelnde Grauen entfesseln lässt und spätestens beim extremistischen Ausbruch der Besessenheit enthüllt Zulawski - seine Protagonisten sind nur Marionetten in seinen Händen, die er an die Grenzen ihres Seins und ihrer menschlichen Psyche treibt. Der surrealistischer Orkan an Emotionen. Ein schonungsloser Blick auf die entfesselte Bestie, dem Menschen. Zulawski bricht die Barrikaden und definiert dabei seine eigenen Gesetzte des Films, ohne jemals überhaupt daran zu denken vor einer Brechung der Konvention halt zu machen. Extrem, grob, selbstzerstörerisch, aber genauso aufregend mitanzuschauen. In Anbetracht von Zulawskis Schaffen im Grunde die konsequente Weiterentwicklung, radikal in der Ausübung. Man braucht sichtlich Verständnis für ein solches Werk und muss Zulawski selbst wohl mit wohlgesinnten und kulanten Blick entgegensehen.




Man könnte Zulawski daher demnach auch als einen durchtrieben Exorzisten von Konventionen beschreiben, der diese mit dem höchsten Maß an radikaler Umsetzung versucht seinem Film auszutreiben. Gerne doch. Und lassen sich auch religiöse Versatzstücke, wie dem leibhaftigen Antichristen und Motive der Vergebung und Verdammnis, darin erkennen. Zulawski arbeitet mit vielerlei Symboliken und Metaphorik, wie sie jeder gerne hat. Die Kamera hektisch zugleich aber auch grandios geführt. Manch eine Kameraeinstellung verdeutlicht zudem die groteske Note des Surrealen, es mutet absurd und doch schonungslos an. Die inzestuöse und mystische »Kreatur« als Metaphern der menschlichen Sehnsüchte und Wünsche. - So macht Zulwaski aus den zerrütteten Szenen einer Ehe einem albtraumhaften, surrealen und exzessiven Trip. Ein Abstieg in die Hölle - Befremdlich? Durchaus. Am Ende der stürmischen Odyssee enthüllt Zulawski noch ein letztes Mal die menschlichen Abgründe - im apokalyptischen Sinne und trübt die Welt in Finsternis. Was für ein Pessimist.



8.0 / 10

Autor: Hoffman