Posts mit dem Label Boulanger (Daniel) werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Boulanger (Daniel) werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Mittwoch, 23. Juli 2014

Ab ins Abenteuer! - Klassiker der Extraklasse: Abenteuer in Rio (1964)




Hiermit erfüllte Philippe de Broca sich seinen Kindheitswunsch und drehte seinen Abenteuerfilm ganz in der Tradition von Herge und seinen Helden, inspiriert haben soll er dabei Spielberg und Kumpane. Es beginnt in Paris, mit einem Diebstahl in einem Museum, das gestohlene Objekt ist eine (verfluchte) Maltekenstatue, den Tatort zieren auch (geheimnisvolle) Giftpfeile. So sind es natürlich die liebevollen Klischees, die das Genre braucht und man selbst so liebt, einer solchen Geschichte, die De Brocas Film ausmachen und die er zudem oftmals ironisch kommentiert. Urlaub gibt es  hier nicht, denn das ist ein Abenteuermärchen! Das muss auch Jean-Paul Belmondo bemerken, denn seine Freundin (mit mädchenhaften Charme: Francoise Dorleac) wird (fast schon vor seinen Augen) entführt, also auf, auf zur Rettung und ab in das Abenteuer. Er würde ihr selbst bis ans Ende der Welt folgen, zunächst geht es aber nur (unfreiwillig) nach Rio! Belmondo ist ein Mann, vielleicht sogar ein Hampelmann, mal tollkühn, mal angstvoll und manchmal etwas trottelig, auch wenn das vielleicht der Tatsache geschuldet ist, dass er von diesen Ereignissen nahezu überrannt wird. Das ist eben ein echter Held und die dazugehörige Mademoiselle gibt sich ganz eigenwillig, das heißt sowohl fasziniert von Umgebung und Telefonmasten, als auch so manches Mal dominant, wenn nicht sogar zickig.

Daneben gibt es Professoren, Milliardäre, Sammler, finstere Komplizen und hilfsbereite Straßenjungen. Und was de Broca aus diesen Zutaten macht, das ist ein wilder Ritt: frech, fröhlich und aufgeweckt wird es hier wie auch salopp und temporeich. Beileibe Temposchwierigkeiten gibt es hier keineswegs, da wird durch Wasser geschwommen, man flüchtet sich, man hängt am Seil, dazu ein Flug durch die Luft und ein Kuss an den Stränden Rios, weiter geht es nach Brasília mit einen rosa Wagen mit grünen Sternen, über Barschlägereien bis hin zum Amazonas und dann wieder dorthin zurück, wo alles begann. Es ist eine Welt voller Wunder. Dabei muss ich aber sagen, dass bei aller Leichtfüßigkeit der Inszenierung und den spritzigen Dialogen, das für mich doch manchmal vielleicht etwas dumpfes oder seichtes hatte. Auch finde ich, dass Delerues Score eher willkürlich und zaghaft und wenn dann abrupt eingesetzt wird, bevor er wieder abrupt aufhört, wenngleich Delerue dabei stets die richtigen Töne trifft. Aber das ist äußerst penibel, wie auch mein Wunsch nach mehr Exotik. Nichtsdestotrotz bleibt nach de Brocas Film nur das zu sagen: Was war das doch für ein Abenteuer und da soll noch einer was vom Stau im Verkehr erzählen!


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

Dienstag, 13. Mai 2014

Die Unschuldigen, die schuldig werden müssen - Klassiker der Extraklasse: Lohn der Giganten (1977)



Es beginnt so wortlos wie es hier endet und doch liegt schon eine ausdrucksstarke Melancholie in den Bildern. Da ist ein Filmprojektor, der scheinbar an bessere, schönere und harmonischere Zeiten erinnert und eine Frau, welche die projizierten Bilder betrachtet, dabei deprimiert und verzweifelt dreinblickt. Sie hat die Affäre ihres Geliebten entdeckt. Mit großer Genauigkeit und mit viel Stil und Bedacht schildert Alain Corneau geradlinig seine Geschichte, zunächst steht da eine Dreiecksgeschichte von einem Mann (Yves Montand) zwischen zwei Frau, seiner eifersüchtigen und trübsinnig dreinschauenden Geliebten Dominique  (Marie Dubois), die sich nicht von ihm trennen kann und verzweifelt versucht ihn bei sich zu halten, und einer jungen Schönheit, Julie, die bald ein Kind von ihm erwartet. Die neue Geliebte ist ihr ein Dorn im Auge, wird mit böswilligen und boshaften Augen beäugt, als müsse man sie eliminieren, denn eine ist hier zu viel. Es kommt zum Handgemenge bei einer Zitadelle, die eine (= Julie) flieht, die Andere(= Dominique) begeht aus Verzweiflung Selbstmord. Ein unglücklicher Zufall, was sich daraus ergibt, könnte man meinen. Nun stehen sie unter Mordverdacht, ohne für den Tod von Dominique verantwortlich zu sein. Die Polizei ist misstrauisch und erbarmungslos bei ihren Schlüssen, auch wenn Corneaus Protagonisten Unschuldige sind, die sich nun für ihr Glück schuldig machen (müssen?).




Es liegt eine gewisse Ironie in den Filmen von Corneau: Die Welt stellt sich gegen seine Protagonisten, sie werden in die Ecke gedrängt, das Gesetz hilft ihnen nicht, es arbeitet sogar gegen sie und so müssen sie auf eigene Faust handeln, müssen planen und konstruieren, falsche Fährten legen, sodass das Bild passt. Sie müssen (vor)täuschen, sodass sie augenscheinlich schuldig werden für die Polizei, um die Unschuld des Anderen zu erwirken. Die Frage nach Schuld und Unschuld wird hier ständig neu modelliert. Das ist clever erdacht und schnörkellos inszeniert, denn aus dieser Ausweglosigkeit schafft Corneau Spannung, die er bis zur dramatischen VW-Käfer-Jagd am Ende konsequent auf die Spitze treibt. Daneben scheint auch so manches Mal die ein oder andere menschliche Nuance durch und die großen LKW´s können darüberhinaus als direkter Bezug zu Clouzots »Lohn der Angst« gelesen werden, in dem Montand ebenfalls die Hauptrolle spielte. Corneau geht dahingehend sogar so weit, dass er die finale Szene zitiert und dabei in einen völlig neuen, beinahe schon explosiv-ironischen, Kontext (in Bezug auf Clouzot) setzt. Diese Kompromisslosigkeit für das eigene Glück mündet in der Inszenierung bzw. der flammenden Vortäuschung des eigenen Todes. Doch wie man weiß, läuft kein Plan perfekt, es gibt immer einen unerwarteten Haken, besonders wenn dieser tonnenschwer ist.


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

Mittwoch, 12. Februar 2014

Truffauts menschlicher Todesengel - Klassiker der Extraklasse: Die Braut trug schwarz (1968)



Truffaut hat sich mit »Le Mariée était en noir« dem Spannungskino Alfred Hitchcocks verschrieben. So ist dieser Film nach William Irish (von dem schon Hitchcock einen Roman verfilmte) in gewisser Weise das Produkt der fruchtbaren Interviews von Truffaut mit dem Meister, mit welchem er zeigt, was er gelernt hat und das er auch weiß das Gelernte umzusetzen. Hier ist der Einfluss von Hitchcock von den Einstellungen bis zur stimmungsvoll-schummerigen Musik, die Hitchcocks (ehemaliger) Stammkomponist Bernard Herrmann lieferte, am deutlichsten und trotzdem ist Truffauts Film eigenwillig. Der Beginn ist mysteriös: Eine Frau (präzise: Jeanne Moreau) begibt sich direkt auf ihren Weg, sie hat ein Ziel und trägt schwarz. Ihr Name ist Julie Kohler. Und schon hier gelingt Truffaut der Suspense, denn man fragt sich: Was geht hier vor? Wer ist sie? Warum tötet sie? Truffaut gibt sich dabei reizvoll-geheimnisvoll und undurchsichtig.



Sie ist eine Frau, die einen Auftrag (= ein persönliches Anliegen) hat und abrechnen will. Zunächst fragt man sich, wieso sie das tut? Erst beim zweiten Opfer enthüllt er das Geheimnis dieser Frau, wenngleich er dabei immer noch Fragen offen lässt und sie erst später (vollständig) offen legen wird: Sie trug einst weiß und wollte heiraten. Ihr Mann wurde bei der Hochzeit nach der Trauung vor der Kirche erschossen. Fünf Männer sind für seinen Tod verantwortlich. Der Tod ist hier ein zentrales Motiv des Films. Es geht um die Obsession einer Frau, um eine Frau, die besessen ist vom Tod, in dem Sinne, dass sich an denen rächen will, die den Tod ihres Mannes verschuldeten. Danach erzeugt Truffaut einerseits durch die Beziehungen zwischen den Figuren die Spannung, aber ebenso durch die Frage, wie Julie es tun wird. Wie sie diese Männer töten wird. Die Spannung liegt hier meist in der Situation. Es ist ein fatalistischer Film könnte man meinen, in dem der Tod eine Vorherbestimmung ist für diese Männer. Es ist eine Reise ohne Ausweg und ohne Reue, den Truffauts Protagonistin kompromisslos bis zum Ende gehen wird. Truffaut schildert diese irreale Reise seiner Protagonistin präzise und klar, während Coutard stilvolle Farbbilder (= Truffaut bereute es letztlich nicht in Schwarzweiß gedreht zu haben; da die Farbbilder dem Film sein Mysterium nehmen würden) einfängt. Sinn und Nutzen stehen für ihn dabei im Vordergrund, weniger der Realismus. Er legt keinen Wert auf die Wahrscheinlichkeit der Dinge. Er schert sich nicht darum und ist sich dem wohl bewusst, so ist es manchmal ansatzweise auch durchaus gewitzt von ihm eingefädelt. Und doch wird die Geschichte bodenständig erzählt.



Diese fünf Männer, das sind aber auch keine Bösewichte, in aller erster Linie sind sie Menschen. Menschen, die ein alltägliches Leben führen, die mit der Miete im Rückstand sind, sich selbst verloben wollen, Kind und Familie haben oder Künstler sind. Nur einer von ihnen ist ein wirklicher Ganove. Truffaut ordnet jeden von ihnen gewisse Attribute zu. Charles Denners Charakter sticht dabei heraus, da er von Julie besessen scheint. Vielleicht liebte er sie (oder doch nur ihre Statur?) wirklich. Diese Fünf, das sind Männer, die die Frauen begehren und von Julie sofort angezogen sind und sich verführen lassen. Die denken, sie (und natürlich ihre Beine) wären magisch. Sie sind schwach gegenüber dieser Frau und glauben alles (oder wollen alles glauben). Sie sind dennoch Schuldige in der Unschuld. Sowieso ist hier bei Truffaut die Frage von Schuld und Unschuld eine ambivalente Angelegenheit. Weiß wird zu Schwarz und Truffauts Protagonistin, mit der unter anderem auch das Motiv der Femme Fatale innovativ verpackt, ist eine Unschuldige, die schuldig wird. Julie Kohler ist ein eiskalter (Todes-)Engel. Eine Betitelung, die mir passend scheint um ihren zweigesichtigen Charakter bündig zu umschreiben, zum einen ist sie anonym und abweisend, aber auch leidenschaftlich, sie ist distanziert wie auch verletzlich und ebenso handelt sie gleichgültig wie auch menschlich. Truffaut schafft es dadurch diesen Charakter sympathisch zu machen, sodass man Mitleid für sie empfindet. Sie ist letztlich eine Frau, die von Schmerz, Trauer und Wut gezeichnet wird. Eine Frau, die sich nach dem Absoluten sehnte und nun dieses Absolute repräsentiert, zum einen, weil sie ihrem verstorbenen Ehemann ewige Treue halten wird, zum anderen weil sie ohne Umschweife ihren Rachefeldzug beenden wird. Jedoch ist die Liebe sowie das Glück damit für sie eine Utopie geworden, etwas, was sie nicht mehr erreichen kann. Das Töten bringt ihr keine Genugtuung. Sie bleibt einsam. Sie ist eine Frau, die an diesem Tag, als ihr Mann starb, bereits mit ihm gestorben ist.




8.0 / 10


Autor: Hoffman