Dienstag, 13. Mai 2014

Die Unschuldigen, die schuldig werden müssen - Klassiker der Extraklasse: Lohn der Giganten (1977)



Es beginnt so wortlos wie es hier endet und doch liegt schon eine ausdrucksstarke Melancholie in den Bildern. Da ist ein Filmprojektor, der scheinbar an bessere, schönere und harmonischere Zeiten erinnert und eine Frau, welche die projizierten Bilder betrachtet, dabei deprimiert und verzweifelt dreinblickt. Sie hat die Affäre ihres Geliebten entdeckt. Mit großer Genauigkeit und mit viel Stil und Bedacht schildert Alain Corneau geradlinig seine Geschichte, zunächst steht da eine Dreiecksgeschichte von einem Mann (Yves Montand) zwischen zwei Frau, seiner eifersüchtigen und trübsinnig dreinschauenden Geliebten Dominique  (Marie Dubois), die sich nicht von ihm trennen kann und verzweifelt versucht ihn bei sich zu halten, und einer jungen Schönheit, Julie, die bald ein Kind von ihm erwartet. Die neue Geliebte ist ihr ein Dorn im Auge, wird mit böswilligen und boshaften Augen beäugt, als müsse man sie eliminieren, denn eine ist hier zu viel. Es kommt zum Handgemenge bei einer Zitadelle, die eine (= Julie) flieht, die Andere(= Dominique) begeht aus Verzweiflung Selbstmord. Ein unglücklicher Zufall, was sich daraus ergibt, könnte man meinen. Nun stehen sie unter Mordverdacht, ohne für den Tod von Dominique verantwortlich zu sein. Die Polizei ist misstrauisch und erbarmungslos bei ihren Schlüssen, auch wenn Corneaus Protagonisten Unschuldige sind, die sich nun für ihr Glück schuldig machen (müssen?).




Es liegt eine gewisse Ironie in den Filmen von Corneau: Die Welt stellt sich gegen seine Protagonisten, sie werden in die Ecke gedrängt, das Gesetz hilft ihnen nicht, es arbeitet sogar gegen sie und so müssen sie auf eigene Faust handeln, müssen planen und konstruieren, falsche Fährten legen, sodass das Bild passt. Sie müssen (vor)täuschen, sodass sie augenscheinlich schuldig werden für die Polizei, um die Unschuld des Anderen zu erwirken. Die Frage nach Schuld und Unschuld wird hier ständig neu modelliert. Das ist clever erdacht und schnörkellos inszeniert, denn aus dieser Ausweglosigkeit schafft Corneau Spannung, die er bis zur dramatischen VW-Käfer-Jagd am Ende konsequent auf die Spitze treibt. Daneben scheint auch so manches Mal die ein oder andere menschliche Nuance durch und die großen LKW´s können darüberhinaus als direkter Bezug zu Clouzots »Lohn der Angst« gelesen werden, in dem Montand ebenfalls die Hauptrolle spielte. Corneau geht dahingehend sogar so weit, dass er die finale Szene zitiert und dabei in einen völlig neuen, beinahe schon explosiv-ironischen, Kontext (in Bezug auf Clouzot) setzt. Diese Kompromisslosigkeit für das eigene Glück mündet in der Inszenierung bzw. der flammenden Vortäuschung des eigenen Todes. Doch wie man weiß, läuft kein Plan perfekt, es gibt immer einen unerwarteten Haken, besonders wenn dieser tonnenschwer ist.


7.0 / 10

Autor: Hoffman 

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