Mittwoch, 24. Juni 2015

Jacques Demy Retrospektive #10 - Kritik: Ein Zimmer in der Stadt (1982)






Für Jacques Demy bedeutet »Une Chambre en Ville« eine Heimkehr. Es ist eine Rückkehr in seine Heimatstadt Nantes, die er schon in seinem Debüt »Lola« porträtierte. Die ersten Töne und Bilder, es ist ein Blick über Stadt und Hafen bei einem rot glühenden Sonnenuntergang, sind melancholisch und auch die darauffolgenden Bilder sprechen eine andere Sprache, als man sie denn von Demy bei dieser Rückkehr erwartet hätte: Es sind Bilder der Gewalt. Demy lässt demonstrierende Arbeiter, die für ihre Rechte streiken und Polizisten, die ihren Aufstand zerschlagen wollen, aufeinanderprallen.



Dieser Streik bildet den Hintergrund von Jacques Demys Film, dessen Geschichte, eine Geschichte der Leidenschaft ist, die er ins Jahr 1955 verlegt, schlicht entworfen, aber kraftvoll vorgetragen: Der Metallarbeiter Guilbaud (Richard Berry) stürzt sich in eine Affäre mit einer Frau aus gehobenen Haus (Dominique Sanda), Edith, die unter ihrem Pelzmantel nichts als nackte Haut trägt und deren Mann ein geiziger, eifersüchtiger und impulsiver Fernsehverkäufer im giftig-grünen Anzug (Michel Piccoli, der diesen wie einen Besessenen mimt) ist, den sie nur wegen des Geldes heiratete. Guilbauds verliebte Freundin Violette (Fabienne Guyon), der auch die zunächst naiv-träumerischen Momente dieses Films gehören, will ihn, weil sie schwanger von ihm ist, heiraten. Er muss sich aber eingestehen, dass er nicht mit ihr zusammenleben kann. Sie träumt, er könne nicht träumen. Gerade auch diese Tatsache unterstreicht noch einmal passend den Pessimismus des Films, der ebenso gut auch einen fatalistischen Charakter beherbergt, wenn die Karten gelegt werden. Die Beiden, Guilbaud und Edith, treffen durch Zufall (oder doch Schicksal?) auf der Straße aufeinander, entbrennen füreinander und wollen einander nie mehr verlassen.



Dabei ist der Tod in diesem tragischen Film ebenso präsent wie die Liebe. Es ist auch der Film, bei dem Demy wieder jedes Wort und jeden Dialog singen lässt. Hinter der Musik steckt dieses Mal aber nicht Michel Legrand, sondern Michel Colombier, der den Film in melancholische, sehnsuchtsvolle sowie finstere, zwischendrin immer mal sanfte, und dann wieder stürmische Klänge packt. Dieser gewalttätige zugleich gewaltige Film, bei dem sich mancher aus Wahnsinn glatt mit seinem Rasiermesser blutig zur Tat schreitet, aber Demy nichtsdestotrotz seine enorme Sensibilität für seine Figuren nicht missen lässt, ist wohl auch sein brutalstes und düsterstes Werk. Die Straßen sind karg und grau, die Innenräume zwar durchaus farbenprächtig, jedoch sind dies auch eher gedecktere Farben. So bleiben am Ende dieses wuchtigen Film nur Verwüstung und Zerstörung.


7.5 / 10

Autor: Hoffman 

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