Ein zweites Mal arbeitet Truffaut also nach einer Vorlage von Roché, wieder ist es dabei eine Dreiecksgeschichte, die ihn interessiert, wie einst in »Jules und Jim«. Hier sind es zwei Mädchen (= die Engländerinnen Anne und Muriel), die einen Mann (= der Franzose Claude; Jean-Pierre Leaud) lieben und wieder thematisiert Truffaut sein Lieblingsmotiv der ausweglosen Liebe, doch zieht es ihn hier auch in die Vergangenheit, aber das war ja auch in »Jules und Jim« nicht anders. Man spürt das Herzblut, mit welchem Truffaut an die Arbeit ging, umso tragischer ist natürlich die Bilanz, dass sein Werk schlussendlich zum Misserfolg wurde, trotz Truffauts großer Ambitionen gegenüber dem Film. Besonders interessant ist dabei Truffauts Herangehensweise an die Verfilmung des Romans, die Titelsequenz ist mit den Buchseiten verziert, danach rekonstruiert Truffaut die Zeitepoche mit einer edlen Ausstattung und stilvollen Dekors und wie einst gibt es auch hier den Erzähler aus dem Off, der detailgetreu die Figuren und das Fortschreiten der Handlung schildert. Diese Stimme verbindet gekonnt den Übergang von Roman zu Film, da sie eben auch als direkte Parallele zum Roman gesehen werden kann, den Truffaut auf diese Weise durchdacht und nachvollziehbar komprimiert, auch wenn das dann manchmal etwas zu ausbuchstabiert ist.
Daneben ist auch der konstant ernste und gesetzte Erzählton durchaus ungewöhnlich für den Truffaut dieser Zeit, aber zeigt hier auch schon eine erste Entwicklung und Überlegung seitens des Regisseurs, welche durch die gemächliche Erzählweise noch bestärkt wird. So kann »Les Deux anglaises et le continent« auch als Abwechslung in Truffauts mittlerer Schaffensperiode gesehen werden. Auch wenn man dazu ergänzen sollte, dass Truffauts Film wohl gesittet erzählt sein mag, jedoch nichts von seiner gewandten Art und inszenatorischen Anmut verliert. Im Gegenteil sogar, Truffaut präsentiert eine äußerst ausgewogene Verbindung zwischen Erzählstil und den grazilen Bildern. Da sind nur die Zeitsprünge in der Handlung manchmal etwas zu abrupt. Truffaut ging es hierbei aber, wie er selbst meinte, darum einen körperlichen Film über die Liebe zu erschaffen und dies gelingt ihm vorzüglich durch die belebten und förmlich atmenden Bilder von Almendros, vom Meer oder einfach von der Landschaft, und so baut er damit eine besondere (innere) Ruhe auf, in die man gerne versinken möchte. Es ist so eine sanfte Melodramatik, mit welcher Truffaut seine Geschichte erzählt: Seine Charaktere versuchen die Liebe zu finden und festzuhalten, die Trennung folgt als Opfer für das Glück und für die Liebe. Eine solche Trennung erlaubt aber auch die Geschichte und die Gedanken der Figuren aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Sie sind dabei hin und her gerissen in ihren Entscheidungen und stehen dabei sowohl vor moralischen als auch vor emotionalen (= innerlichen) Konflikten. Und man kann sogar kleine Andeutungen in Richtung des damals aktuellen Kontextes der sexuellen Revolution entdecken, wenn man das Erwachen der Sexualität als eine solche Parallele sehen möchte. Es ist also ein Film über eine wechselhafte und zerbrechliche Liebe. Eine Liebe, die gleichzeitig auch mit dem Schmerz verbunden ist, die absolute Liebe wird damit unmöglich und unerreichbar.
7.5 / 10
Autor: Hoffman
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