Lars
(Ryan Gosling) ist anders. Schüchtern und mit schwerfälligem Lächeln beißt er
sich durchs Leben, während er kaum Freunde hat und ein sehr verkompliziertes
Verhältnis zum anderen Geschlecht pflegt. Sein Bruder Gus (Paul Schneider) und
dessen Frau Karin (Emily Mortimer) sorgen sich zunehmend um den jungen,
alleinstehenden Mann, der sich in den eigenen vier Wänden, die nicht mehr als
eine Garage zieren, verbarrikadiert. Letztlich scheint aber doch alles gut,
denn Lars hat eine an der Angel; sie sei aus dem Internet und hieße Bianca, sei
an den Rollstuhl gebunden und spräche nicht viel, liebenswert sei sie aber auch,
plaudert er fast explodierend vor
Aufregung. Als Lars seine ‚Errungenschaft“ beim familiären Abendmahl
präsentiert, ist es jedoch nur einer, der sich erleichtert freut: nämlich Lars
selbst. Karin und Gus sind hingegen eher schockiert über die mitgebrachte ‚Dame‘.
Weil Bianca ist eine Gummipuppe…
Klingt
schräg? Na klar. Und mal im Ernst: Wer schaut sich diesen Film nicht an, um
etwas schräges Einfühlsames zu erleben? Nur ist „Lars und die Frauen“ letztlich
nicht mehr als ein gestelltes, honigumwobenes Pipitränen-Theater auf
Telenovela-Soap-Niveau, dass die Gemeinschaft im Chor singen lässt und Lars
doch tatsächlich filmübergreifend mit einem Stück Plastik therapiert – ohne Einwand.
Wenn die fürsorgliche Biobrotdorfärztin meint, man müsse Lars einfach sein
Spiel spielen lassen, bis es eben aus ist, willigt die Gemeinde natürlich ein.
Eine Parabel planloser Dämlichkeit. Ach, wie schön und ich frage mich: Wo ist das Klo? Es ist nicht scheußlich,
will ein Film herzerwärmend sein, es ist aber ekelhaft, will er ein Teddybärenbild
vermitteln – zumindest, wenn er gesellschafts- und realitätsbezogen sein
möchte. Außergewöhnlich ist dieser Film aber – lässt man die skurrilen
Heilmethoden einmal außer Acht – nicht im Geringsten. Es gibt keinen
Gegenspieler und daher auch keinen Gegenwind. Lars redet mit seiner Puppe, als
ob sie ein Mensch wäre, Gus pflegt die Puppe, als ob sie ein Mensch wäre und
Karin schminkt die Puppe, als ob sie ein Mensch wäre. Unnormales wird normal
und schlussendlich beliebig melodramatisch. Bewusst ist mir, dass es sich
hierbei um einen seelischen Ersatz handelt. Noch nicht einmal eine prinzipielle
Partnerin stellt Bianca für Lars dar. Für ihn ist sie von Anfang an er. Ein
irgendwie verdrehtes, nicht abwegiges Spiegelbild. Auf emotionaler Distanz
bleibt mir diese grundinteressante Thematik aber trotzdem, weil ist dieser Film
letztlich nicht mehr als das Tagesgeschehen einer glücklichen wie bekloppten
Kuckuckswelt, in der ich um Himmels Willen nicht leben wöllte, weil man sich
nicht einmal auf die fachkräftigen Ärzte verlassen kann. „Lars und die Frauen“
ist unsympathisch, weil er so sympathisch ist. Die aufgedrückte
Glasklar-Botschaft im Stile von „übe Verstehen und Geduld, lerne zu erkennen, dass ein niemand so ist wie du und ich“ ist – fachmännisch und kulant gesagt –
lobenswert; leider aber auch ein bruchfestes Siegel für altertümliche
Lehrweisheiten aus der Mottenkiste. Wer ein Faible dafür hat und weint, wenn
die Ohren was Wichtiges vernehmen (müssen), der sollte sich gewiss sein:
Angucken!
Schauspielerisch
ist „Lars und die Frauen“ ein solides Beispiel dafür, dass Ryan Gosling ein
talentierter junger Mann ist, der seinen hier verkörperten Lars sehr behutsam
und respektvoll gegenübertritt. Einen neugöttlichen Kraftakt habe ich jedoch
nicht entdecken können, was wohl mein Eigenverschulden ist, weil ja Ryan
Gosling draufsteht. Ganz schnell vergessen sind hingegen die zahlreichen Nebenpuppen
– ganz im Gegensatz zu Bianca, die auftrumpfen kann.
Wer
auf verrückte Leidensgeschichten steht, auf Klischees – trotz origineller Gummipuppe
– nicht verzichten kann und Gosling sehen möchte, wie er Mut zum Schnauzer
zeigt, dem sei „Lars and the Real Girl“ wärmstens empfohlen. Alle anderen müssen sich diese Tristesse nicht geben und können damit auch gut wissend bleiben, dass ein an Wahnvorstellung erkrankter Mensch, mag er noch so schrullig-lieb sein, vor allem eines braucht: ärztlich professionelle Hilfe.
4.5 / 10
Autor: Iso
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