Dienstag, 15. Oktober 2013

Über despotische Ehemänner und leidende Hausfrauen - Klassiker der Extraklasse: Du sollst deine Frau ehren (1925)




»I´m mistress here now! Do you understand?« - Dieser Dreyer wieder! In den kann man sich doch nur verlieben! Ab jetzt schlägt auch ein Teil meines kleinen Herz für ihn und seine Filme, die man selbst mit großen Worten nicht einmal exakt klassifizieren könnte. Was als eine große Weitsichtigkeit seiner Werke angesehen werden kann. Da gibt es thematische Genreverstrickungen und Überschneidungen. Grenzen, die gesprengt werden! Solch ein Gefühl überkam mich zumindest als ich Dreyers »Du sollst deine Frau ehren« aus dem Jahre 1925 genauer unter die Lupe nahm, nirgendwo wollte er reinpassen oder sollte er reinpassen, weder im einzelnen als Drama noch Komödie, vielleicht ist auch als Satire gedacht. Wenngleich die Handlung von Dreyers Werk wohl eher auf eine Komödie spekulieren lässt, einer Familiengeschichte: In der die arbeitstüchtige Frau von ihrem fast schon despotisch regierenden Gatten unterdrückt wird, bis das alte Kindermädchen einschreitet, die Dame erholen lässt und den Herrn des Hauses erneut erzieht und ihn die vielzählige Aufgaben seiner geliebten Frau vor Augen führt.




Das hatte sich der Dreyer clever erdacht. Denn irgendwie reflektiert er doch so passend den zeitlichen Realismus und revolutioniert! Was wohl? Das Kino. Denn auch Herr Dreyer darf als einer der ersten die Frau kraftvoll emanzipieren, was hier sogar im mehrdeutigen Gewand anzutreffen ist, da Dreyer einerseits die Bedeutung der Frau und ihrer häuslichen Arbeit schildert, andererseits sie im Verlaufe der Geschichte dominieren lässt gegenüber dem Manne (in Form des Kindermädchens). Im Grunde könnte man Dreyers Film so auch in erster Linie als authentisches Familienporträt sehen, in der Dreyer die familiäre Stellung und Situation präzise schildert und durchweg nuanciert analysiert. Die klassische Familie mit Mutter, Vater und drei Kindern, einem Jungen, einem Mädchen und einem Kleinkind. Vielleicht ist das doch nicht so klassisch. Die Mutter leidet unter der Repression ihres Mannes, welcher aus der Freude der Frau an der Hausarbeit seine höchst kritischen Ansprüche stellt, während er (wie es auf den ersten Blick scheint) ruhen und seinen Egoismus pflegen darf. Immerhin verdiene er ja das Geld. Nichts scheint ihm zu genügen, überall muss seine Frau getadelt werden, kein Dank pflastert seine Lippen, die Frau ist gedemütigt. Der Mann, der Haustyrann: »Brute!«

 Selbst die Kinder stellt er in die Ecke, aus erzieherischen Gründen, damit sie sich bessern. Es ist faszinierend wie intensiv und wie durchdacht dabei Dreyer seine Geschichte aufbaut und konstant strukturelle Tiefe erzeugt - und das bereits im Jahre 1925! Insofern beeindruckend, wie er sie erzählt und ja um erneut dies zu betonen, was er erzählt. Technisch hervor sticht dabei der (scheinbare) Kammerspiel-Effekt, den Dreyer durch den direkten Fokus auf die Wohnung der Familie bestärkt, selten gibt es Außenaufnahmen, Dreyer beschränkt den Raum und nimmt die Details ins Auge. Er nutzt geschickt Detail- und Nahaufnahmen zur intensiveren Auseinandersetzung und erzeugt dabei eine rundum stimmige Dynamik zwischen den Bildern. Er ermöglicht so gleichzeitig auch ein erweiterten Blick auf seine Charaktere, die von Dreyer differenziert gezeichnet werden - auch gegen die Erwartungshaltung der Geschichte selbst, doch wie gesagt Dreyer ist in seiner Virtuosität nicht zu unterschätzen.




Wenn der Manne (großartig: Jonathan Meyer) nun man eigenen Leibe die Erniedrigung zu spüren bekommt verdichtet sich das Charakterbild. Der Mann bleibt nicht nur ein eindimensionaler Tyrann, sondern wie jeder von Dreyers Figuren ein Mensch und hart arbeitender Vater, der versucht seine Familie so gut wie möglich durch zubringen und somit seinen Frust seiner Familie präsentiert. Er ist besorgt um Geld und Finanzen. Daraus resultiert sein Verhalten der Frau gegenüber, die sich dieser Tatsache bewusst ist und so ihrem Mann stets versucht es ihm Daheim recht zu machen, doch begibt sie sich somit in ihrer aufopferungsvollen Fürsorge an den Rande des Nervenzusammenbruchs. Die Mutter braucht eine Zeit der Ruhe. Während ja (ich rekapituliere hier oft den Rahmen) das Kindermädchen die Führung übernimmt. Gerade wenn dies eintritt lassen sich seitens Dreyer durchaus auch einige humoristische oder satirische Momente finden. Dreyer macht das sehr hintersinnig, denn er verwendet auch Metaphern, welchen dahingehend im weiteren Sinne eine besondere Wirkung zugesprochen wird, ob das weinende Kind als Symbol des Unfriedens, der Unzufriedenheit und des Abbruches der Familienidylle oder die (wieder) tickende Kuckucksuhr (samt Herz) als intakter Rhythmus des Familienlebens oder anders gesagt das Herz, das wieder schlägt. Die Harmonie kehrt zurück. Auch wenn man letztlich ebenso davon ausgehen kann, dass Dreyer mit doppelten Boden arbeitete, da ist Aufmerksamkeit geboten. Zumindest die letzten Worte lassen - trotz menschlicher Wärme und Einklang - skeptisch zurück.



8.0 / 10

Autor: Hoffman

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