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Freitag, 3. Oktober 2014

To live and die in L.A. - Kritik: Maps to the Stars (2014)


Robert Pattinson schwingt sich ans Steuer der Limousine, vergisst dabei aber alles, was David Cronenbergs letzten Film so interessant gemacht hat, im Kofferraum. Stattdessen werden in "Maps to the Stars" einfach nach Belieben Psychoanalyse und Gesellschaftskritik herangezogen, aber nicht zu einem stimmigen Gefüge zusammengesetzt. Ein bisschen Inzest hier, ein Schuss Schizophrenie da, ein bisschen Trauma samt Destruktionstrieb dort und fertig scheint die existentialistische Satire auf die armen, dekadenten Reichen und Schönen, die von innerlicher Leere durchdrungen sind. Soll man jetzt Mitleid haben mit diesen Schablonen, die unter der Käseglocke ihr Dasein fristen, oder soll man bis zu einem Punkt angewidert sein, an dem einem das Schicksal der Figuren nicht mal mehr ansatzweise interessiert? Also in der Praxis ist letzteres der Fall. Diese ganze Welt, die hier geschildert wird, hat mit der Realität der meisten Zuschauer wohl kaum etwas zu tun. Einfühlung, geschweige denn Identifikation, sind ohnehin schwierig und durch die Tatsache, dass die Figuren durch die Bank weg furchtbare Menschen sind (Pattinsons Rolle mal dezent ausgenommen), eigentlich unmöglich. Cronenbergs geniale Fähigkeit, dem Zuschauer auch noch die abnormsten Persönlichkeiten und Sachverhalte nahezubringen, (ich musste mehrmals an "Dead Ringers", "Crash" oder "Spider" denken) wird schmerzlich vermisst. Stattdessen dümpelt der Film orientierungs- und ziellos seinem Ende entgegen und man wird das Gefühl nicht los, dass hier Namensvetter Lynch auf dem Regiestuhl eventuell besser aufgehoben wäre..
"Ich werde keinen Brand mehr legen, sie haben mein Zündfeuer erlöscht.", sagt Mia Waskowska gegen Ende des Films. Das Neue Fleisch ist alt geworden. Schade.

4.0 / 10.0

Autor: MacReady

Freitag, 24. Januar 2014

Limo-Driver - Kritik: Cosmopolis (2012)



Wer eine Reise tut, der hat viel zu erzählen? Wirklich? Was ist aber mit dieser Art von Reise, auf die sich Robert Pattinson in "Cosmopolis" begibt? Der Anlass: Trivial. Das Setting: Eine Limo, in der er vom Rest der Welt getrennt ist, und in der er nahezu alles hat, was man so als Mensch braucht: Knabberzeugs, Bildschirme, Sex und Prostatavorsorgeuntersuchungen. Ist es das, das immer wieder thematisierte "Neue Fleisch"? Es handelt rational, steht mit beiden Beinen jenseits der realen Welt und scheint nur noch daran zu denken, wie es weiter funktionieren kann. Sex wird genau so benötigt wie ein medizinischer Check: Jeden Tag. Nichts wird der Natur überlassen. Doch zu welchem Preis? Pattinsons Rolle ist im Endeffekt doch nur ein armer Wurm. Seine Existenz ist nur über Aktienkurse und Wertpapiere definiert. Das Individuum wird von all diesem, von Menschen erschaffenen Chaos absorbiert und verliert an Bedeutung. Cronenberg deckt hier die Absurdität des Turbokapitalismus auf, da er den reichen und vermeidlich unabhängigen Menschen als armes Würmchen, das in seiner Limo wie eine Märchenprinzessin wirkt und nicht mehr zwischen Geschäftsleben und Privatleben unterscheiden kann, zeigt. Mit seiner Frau redet er nicht anders als mit seinen Securitymännern. Der Friseurbesuch wird behandelt wie ein wichtiges Meeting.... Kein Wunder, dass man da dem eigenen Verfolger zu gerne ins offene Messer läuft, denn dieses "Leben" bietet kaum eine andere Möglichkeit. Das "Neue Fleisch" bleibt weiterhin eine Theorie. Zum Glück.

8,5/10

Autor: MacReady


Freitag, 17. Januar 2014

Cronenberg goes Bildungsbürgertum - Kritik: Eine Dunkle Begierde (2011)


Mitfinanziert durch die Filmförderung Baden-Württemberg und directed by David Cronenberg... Vor einigen Jahren wäre man beim Aussprechen dieser Konstellation wohl selbst ein Fall für die Couch gewesen, doch der Irrsinn hat die Realität mal wieder eingeholt. Wie dem auch sei, Cronenberg beschäftigt sich hier erstmals mit einer - klingt schlimmer als es ist - historischen Begebenheit. Dies führt dazu, dass eine Wertung für "A Dangerous Method" (der deutsche Titel kastriert das Potential der Geschichte ziemlich) irgendwie recht schwierig ist, denn als David-Cronenberg-Film ist er regelrecht uninteressant, da der Film irgendwie so gar nicht wie ein Cronenberg wirkt. Man könnte meinen, es handle sich hier um irgendeine TV-Produktion von irgendeinem Regisseur. Schade! Und auch die Thematik der gegenseitigen Abhängigkeit zweier oder mehr Menschen wurde in "M. Butterfly" oder "Dead Ringers" viel, viel besser und origineller behandelt als hier. Aber dieser Film ist halt für ein Klientel bestimmt, dem man die früheren Werke Cronenbergs niemals zeigen könnte. Allerdings ist das Ergebnis nicht sonderlich schlimm, und weiß sogar zu gefallen. Die Diskussionen zwischen Freud und Jung sind dabei das Highlight des Films, da zumindest Freud als Besserwisser, der keine anderen Ansichten zulässt, entlarvt wird. Aber dass Freuds Ansichten mittlerweile nicht mehr zeitgemäß sind, ist ja auch irgendwie wieder Konsens. Mir persönlich hätte eine generelle Infragestellung der Psychoanalyse sehr zugesagt, denn der Film lässt gegen Ende fast nur den Schluss zu, dass Freuds Ansichten irgendwie nicht so ganz das Gelbe vom Ei sind, während Jung und sein Idealismus ziemlich gut, wenn nicht sogar zu gut wegkommen. Denn die Beziehung zwischen C.G. Jung und seiner Patientin Sabina Spielrein wirft zwar auch Fragen auf, wie weit das Verhältnis zwischen Patient und Analytiker gehen kann und dass es Gefahren mit sich bringt, doch der letzte finale Schritt, der sich wirklich traut, diese "dangerous Method" auch als solche zu bezeichnen, bleibt aus. Aber da hätte die Filmförderung Baden-Württemberg wohl den Geldhahn zugedreht, das SWR-Publikum braucht seine Schranken ja noch. Vielleicht ist Cronenberg demnächst ja mal im "Nachtcafé" zu Gast...

6.0/10

Autor: MacReady

Freitag, 3. Januar 2014

London Dangerous - Kritik: Tödliche Versprechen - Eastern Promises (2007)


Fand ich früher mal besser. Früher wusste ich allerdings auch noch nicht, wer David Cronenberg ist, weshalb früher schon mal nichts besser war. Natürlich ein interessantes Thema, mal die russische Mafia in Europa unter die Lupe zu nehmen. Dabei wirkt "Eastern Promises" auch sicher hundert mal so düster und dreckig wie die Mafiastreifen eines Martin Scorsese. Allerdings geht von ihm nicht mal ansatzweise eine solche Faszination aus wie von "GoodFellas". Dass Cronenberg der verantwortliche Regisseur ist, kann man auch kaum glauben, denn es fehlt irgendwie alles, was einen Cronenberg ausmacht. Natürlich darf auch der gute David mal sein Metier verlassen. Gerade er darf das, hat er sich ja vom Godfather of Body-Horror zu einem der vielschichtigsten und intelligentesten Regisseure unserer Zeit entwickelt. Man nehme nur seinen vorherigen Film, "A History of Violence", in dem er, im wahrsten Sinne des Wortes, eine "Geschichte der Gewalt" erzählt. Er wirft Fragen auf, inwiefern ein Gewalttäter noch ein normaler Familienvater sein kann, und ob man seine kriminelle Vergangenheit einfach so hinter sich lassen kann. "Eastern Promises" hat abgesehen von seinem grimmigen Look wenig, was einem bleibt. Gute Leistungen von Mortensen und Watts, aber das war ja irgendwie klar. Armin Mueller-Stahl ist auch dabei... Und Vincent Cassel auch... Alle mit schönem rrrrrussischän Akzänt. Howard Shore steuert, wie immer, den Score bei. Und am Ende weiß keiner so recht, was das alles sollte, außer, dass Cronenberg einen auf Mainstream macht. Das Ergebnis ist ein ordentlicher Thriller für die "Grand Theft Auto"-Generation - für Cronenberg-Verhältnisse ist das aber zu wenig.

6.0/10

Autor: MacReady


Freitag, 20. Dezember 2013

Im wirren Netz der Erinnerung - Kritik: Spider (2002)


Zum Glück hat sich David Cronenberg nicht dafür entschieden, die Schizophrenie seines Protagonisten zu beleuchten oder groß in Szene zu setzen, da hier sonst ein ähnlicher Wirrwarr wie der grausige "A Beuatiful Mind" entstanden wäre. Spider wird von beginn an als Mensch gesehen, der, nachdem er aus der Psychiatrie entlassen wurde und nun ein trostloses Dasein in einem schäbigen Teil Londons fristet, gedanklich noch einmal in seine Kindheit zurückkehrt. Als kleines Kind musste er mit ansehen, wie sein trunkener Vater seine Mutter wegen einer Dorfprostituierten erschlagen hat - zumindest meint er das. Cronenberg begibt sich damit abermals in den Bereich dessen, was real ist und was nicht. Sein Film zeichnet dabei die Lebensgeschichte eines Jungen, der die traumatischen Erlebnisse seiner Kindheit nie überwunden hat und - bedingt durch seine seelische Erkrankung - dazu verdammt ist, sie immer wieder zu erleben. In der Leiterin des Wohnheims, in dem er als Erwachsener nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie lebt, erkennt er die verhasste Dorfhure, für die sein Vater (zumindest in Spiders Erinnerung) Spiders Mutter getötet hat, wieder und beschließt, sie zu ermorden. Die Story geht dabei allerdings nicht den Weg einer Rachegeschichte, in der das gequälte Kind durch einen Mord endlich Genugtuung empfindet, sondern es wird immer deutlicher, dass man Spiders Erinnerung nicht glauben darf. Schließlich enthüllt Cronenberg, wie Spiders Mutter wirklich starb, was in diesem Falle nicht als Twist, sondern als Kernaussage der Geschichte zu werten ist. Man kann der Erinnerung an grausame Taten und Erlebnisse entfliehen, in dem man sich als Opfer all dessen sieht, was man an Ungerechtigkeiten erlebt hat. Allerdings wird das - völlig unabhängig von einer psychischen Erkrankung - dazu führen, dass man auf ewig in diesem Kosmos gefangen ist, was dazu führt, dass die Taten auch wiederholt werden. Ein Leben in völliger Stagnation.


7.5/10

Autor: MacReady

Samstag, 14. Dezember 2013

Let's play! - Kritik: eXistenZ (1999)


Cronenberg goes beyond reality - again! Fast zwanzig Jahre nach "Videodrome" hat sich die Welt gewandelt. Die Allmacht der Mattscheibe wird durch die Allmacht des Computerspiels abgelöst. Das Leben als einziges Spiel im Spiel; erhältlich für folgende Plattformen: Mensch.
Auch wenn das nach Filmen wie "Matrix" und "Inception" wahrlich kein neuer Hut mehr ist, ist "eXistenZ" nach wie vor ein bemerkenswerter Vertreter der Gattung der Mindgame-Filme. Das liegt vor allem an Cronenbergs ruhiger und analytischer Herangehensweise, mit der er die Welt des Spiels "eXistenZ" erforscht. Diese Welt unterscheidet sich nur geringfügig von der "realen Welt", weshalb natürlich die Frage aufkommt, was das ist, das man in der Regel als "Realität" bezeichnet. Da hier nicht die Verwirrung des Zuschauers im Vordergrund steht, bleibt diese Frage am Ende offen und ermöglicht eine eigene Deutung sowie ein höheres Bewusstsein für die Welt des Künstlichen. Gut so.

8.0/10

Autor: MacReady

Freitag, 13. September 2013

Ich liebe mein Auto - Kritik: Crash (1996)



Wenn man einen Autounfall hat, ist das in der Regel nicht so schön; es kostet Geld, das Auto ist kaputt und im schlimmsten Fall ist man verletzt oder tot. Das ist der gängige Blickwinkel, aus dem man einen Autounfall betrachtet. Cronenberg schaut sich das Ganze natürlich aus einem anderen Blickwinkel an. Bei ihm wird aus dem Rammen schnell ein Rammeln und das Auto zum Kondom des Insassen. Ein Autounfall ist demzufolge nicht weniger als das Verlangen nach einem Ausbruch, einer Flucht, aus dem von Technik bestimmten Alltag einer Gruppe Menschen. Wie man erwarten kann, bietet Cronenberg auch hier wieder eine Reihe bizarrer Bilder, die man so schnell nicht mehr vergisst, und die wieder auf seine Vision vom neuen Fleisch hinarbeiten. Die Verschmelzung von Mensch und Technik findet hier allerdings auch in sexueller Hinsicht statt. Das Auto - zwar irgendwo eine Art Gefängnis oder Kondom - als ein Ort der Leidenschaft und Sehnsucht. Und das wird hier sehr groß geschrieben. Hinter all dem augenscheinlich bizarren und kalten Gecrashe verbirgt sich die Sehnsucht nach echten Gefühlen und Liebe. Im normalen Alltag scheint dies nicht mehr möglich zu sein: der Sprit ist alle und man ist ausgebrannt. So zieht es die Leute auf die Straße, um über das Bekannte hinaus zu gehen und Grenzen einzureisen. Etliche Filme hätten so ein Verhalten natürlich als "psychisch krank" abgestempelt, doch Cronenberg nimmt seine Figuren ernst und interessiert sich für diese Dreiecksbeziehung aus Mensch - Maschine - Mensch. Was er damit allerdings genau sagen will, wird nicht geklärt. Der Film ist weder Warnung vor solchem Verhalten, noch ein Aufruf zur Selbstzerstörung. Dass der Regisseur diesen Weg wählt, ist lobenswert, da der Film so auf vielen Ebenen zugänglich ist und weitaus mehr als nur eine Interpretation zulässt. Ich find's auf jeden Fall ziemlich geil.

9.0/10

Autor: Macready

Samstag, 24. August 2013

Hier geht es nicht nur um explodierende Köpfe! - Kritik: Scanners (1981)



Cronenberg zögert nicht lange bis er zum Thema seines Filmes vordringt, es ist eine reine Kopfsache: Gedankenkontrolle, Psychologie auf Paranoiabasis, die Telepathie als Machtspiel der Gedanken. Ist das Qual, Fluch oder Gabe, den Menschen ins Innerste ihres Denkens zu blicken? In der Umsetzung kommt Cronenbergs Film dabei zunächst etwas unbeholfen daher, ist aber in Ansätzen ebenso faszinierend wie auch grandios, wie die kalte und eiserne Rationalität der Umgebung, dazu die mechanischen, rauschenden und verzerrten Klänge. Isoliert wirken die Kulissen, durchaus passend zum Protagonisten Cameron, wie sein erster Auftritt als ein Außenstehender, dadurch, dass er selbst ein Scanner ist, seiner Umwelt verdeutlicht.
Stephen Lack als Protagonist stellt dabei dennoch auch schon wieder eine Problematik dar, er spielt starr und viel zu einseitig, wenngleich er den einen durchdringenden Blick durchaus beherrscht, den er aber auch fast über die gesamte Laufzeit hält; sein Spiel ist limitiert. Dazu ist sein Charakter auch viel zu konturenlos, als, dass man ihm wirklich Sympathien abgewinnen und diesen Charakter festigen könnte. So dominiert im Gegensatz zu Lack Michael Ironside als Kontrahent, der die Gesellschaft zerstören will, die ihn geschaffen hat.



Cronenberg arbeitet in Hinsicht seiner Figuren also mit (beinahe überdeutlichen) schwarz-weiß Schemen, welche aber durch das Motiv der zwei Seiten einer Medaille (= Brüderlichkeit) durchaus einen interessanten Anstrich erhalten, auch wenn die Geschichte dahinter ebenso etwas abgeschmackt ist. An sich ist Cronenbergs Film geradlinig erzählt, die Dramaturgie dafür ist schlaff. Cronenberg bemüht sich zunächst seinen Protagonisten zur Heldenfigur zu stilisieren nach altbekannten Mustern, samt Läuterung und Lehrmeister, als wäre das hier ein kurzweiliges Heldenepos, um Macht und Weltherrschaft, mal ganz abseits von den gesprengten oder zerplatzten Köpfen. Daneben ist die Geschichte auch gepflastert von einigen, wenigen reißerischem Momente, bei denen sich Cronenberg scheinbar bei den 70er Jahren Actionfilmkonventionen bedient hat. Der Ton dient zudem der Unterstützung von gewissen Elementen, wie der Verbindung von Mensch und Mechanik (= das Computernetzwerk), wirksam wird das variiert. Die markanteste Sequenz (und damit auch der eigentliche Höhepunkt des Films) bleibt aber das Duell der beiden Widersacher als (erbarmungslose) körperliche Deformation, welche durch den Geist ausgetragen wird und schließlich in der Transzendenz von Geist auf Körper endet, ein typisch-cronberg´scher Moment - und ein Großartiger dazu.



6.0 / 10

Autor: Hoffman 

Dienstag, 20. August 2013

Im Bann der Mattscheibe - Kritik: Videodrome


"Videodrome" - geiler, fleischiger 80er-Jahre-Schocker oder nach wie vor brisante Reise an die Grenzen der Wahrnehmung? Ich würde sagen: beides, denn Cronenberg geht es in "Videodrome" nicht wirklich um Medienkritik. Wie auch? Soll er Gewaltdarstellung in den Medien anprangern, aber gleichzeitig selbst der Mitbegründer des Body-Horrors sein? In "Videodrome" handelt es sich um eine etwas andere Medienkritik. Es geht nicht darum, was die Medien zeigen. Es geht darum, wie wir, der Zuschauer, der Konsument - oder gar der Teilnehmer? - damit umgehen.




Wir benutzen, sofern wir nicht blind sind, vornehmlich unsere Augen, um das zu erfassen, was wir als "Wirklichkeit" bezeichnen. Das funktionierte auch einige tausend Jahre recht gut, ehe uns in Form der neuen Medien wie dem Fernsehen eine neue Wirklichkeit zugänglich gemacht wurde. Wo liegen die Grenzen? Beides spielt sich vor dem menschlichen Auge ab. Was ist hier echt? Sicher, man meint, klar unterscheiden zu können, was die Wirklichkeit ist, und was nicht. Aber nehmen wir mal ein Beispiel: Schaut man die Tagesschau, geht man davon aus, dass es sich beim Gezeigten um die Wirklichkeit handelt, aber warum sollte das nicht für einen Spielfilm gelten? Sicher, seit "Matrix" kennt solche Gedankenspiele jeder, aber ... na ja... Cronenberg war schneller da. Ätsch-bätsch. Und er ist nach wie vor der Meister darin, wenn es darum geht, dass die Menschen sich und ihre Umgebung, oder das, was sie empfinden, in Frage stellen.
"Videodrome" spinnt dieses Gedankenspiel mit einer ordentlichen Portion Blut, Gedärme, Zynismus und Humor zu einem bis heute einmaligen und verstörenden Trip, den man nicht vergisst. Wer erschafft diese andere Wirklichkeit. Der Fernsehsender oder Regisseur, der solche Filme sendet oder dreht, oder der Zuschauer, der sie mit seinen Augen sieht? Kann man aus dieser Wirklichkeit irgendwie wieder raus, bzw. ist sie besser oder schlechter als die andere? Eine genaue Antwort liefert der Film nicht, kann er auch nicht. Diese Frage muss sich jeder, der "Videodrome" sieht, selbst beantworten.


9.0/10

Autor: MacReady

Samstag, 17. August 2013

I believe I can fly.. - Kritik: Die Fliege (1986)


Ich beginne diesen Kommentar mal mit einem Zitat, das ich in der Wikipedia entdeckt habe:

„Aber das, was David Cronenberg aus der ‚Fliege‘ gemacht hat, scheint mir eine neue Stufe krankhafter Phantasie. Hier ist eine Stufe erreicht, die mich nötigt, nach einem Verbot dieses und ähnlicher antimenschlicher Werke zu schreien. Wenn ich allein schon lese, daß Cronenberg für diesen Irrsinn alles in allem 15 Millionen Dollar zur Verfügung standen, wird mir speiübel.“

– Rolf Giesen: Sagenhafte Welten – Der phantastische Film, S. 308, München, 1990


Auch wenn ich von Verboten nicht viel halte, kann ich Herr Giesens Reaktion absolut verstehen, und das auch noch fast 30 Jahre nach erscheinen des Films. Dieser Film ist wirklich krank, was Cronenberg hier macht, hebt das ganze Genre auf eine neue Stufe und sucht noch immer seines Gleichen. Das "Kranke" oder "Abscheuliche" an seiner "Fliege" sind dabei nicht mal die blutigen Effekte. Nein, es ist, wie Cronenberg diese Geschichte erzählt. Cronenberg nähert sich der Geschichte des idealistischen Wissenschaftlers Seth Brundle, der durch ein extrem doofes Missgeschick beim Testen seiner neuesten Erfindung - einer Maschine, die es ermöglicht, Materie von A nach B zu teleportieren - mit einer Fliege, die sich zufällig in der Maschine befand, fusioniert, sehr ambivalent. Einerseits hat man das Gefühl, als wäre Cronenberg selbst eine Art verrückter Wissenschaftler, der von oben auf das Kammerspiel, welches der Film zu großen Teilen ist, hinabblickt und Brundle(fliege)s Niedergang mit großer Neugier verfolgt, und es auf einer analytischen Ebene betrachtet. Er zeigt sowohl die positiven Aspekte der Verwandlung, als auch die negativen, ohne sich dabei genau zu positionieren, doch am Ende ist sein kleines Experiment tot - das ist von Anfang an, ohne dass es jemand aussprechen muss, klar. Das hat schon schier etwas Gemeines oder Bösartiges, wie Cronenberg mit seinem Protagonisten umgeht, und dem Zuschauer dabei Stück für Stück vermittelt, dass der Mensch durch eine fortschreitende technische Entwicklung selbst irgendwann zu einer Art Auslaufmodell wird, das durch etwas Neues - möglicherweise einer "Brundlefliege" - ersetzt werden muss. Der ganze Film nur ein krankes Experiment? Natürlich nicht. "The Fly" ist auch eine Liebesgeschichte. Brundle verliebt sich kurz vor seinem missglückten Experiment in die Journalistin Veronica Quaife, die aus seiner neuesten Erfindung zunächst noch eine große Story machen will. Veronica ist es auch, die Brundle, als dieser noch begeistert von den ersten Auswirkungen seiner Teleportation ist, darauf aufmerksam macht, dass er sich verändert hat, dass er etwas Anderes geworden ist. Und je weiter diese Verwandlung fortschreitet, desto eher wird ihr klar, dass Seth Brundle gar nicht mehr existiert. Dennoch empfindet sie noch Gefühle für ihn, weshalb sie bis zum Schluss an ihm hält, und ihm erst, als er nach einer zweiten misslungenen Verwandlung zu einer Mischung aus Mensch, Fliege und Maschine geworden ist, und nicht mehr lebensfähig ist, den Gnadenschuss gibt.



Das ist der wahre Horror in "The Fly". Man will es irgendwie nicht wahrhaben, dass dieser idealistische Wissenschaftler, der nicht mal sonderlich an Profit interessiert ist, wegen einem lächerlichen Zufall zu irgendeinem Menschfliege-Ding wird. Das ist wirklich noch Horror, der sich für seine Figuren interessiert. Ein regelrechtes Horrormelodram mit Nachwirkung, das einen auch noch nach dem Sehen beschäftigt. Denn während des Sehens war ich als Zuschauer mehr daran interessiert, wie sich Brundle denn so macht, was als nächstes kommt und wie weit es Cronenberg noch treibt, ehe er sein (misslungenes) Experiment aufgibt. Erst wenn der Abspann rollt, wird allmählich klar, was das für ein vielschichtiger Film ist. Sowohl Analyse, als auch Melodram und auch eine Art Warnung, dass man den technischen Fortschritt nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Und wenn man mal genauer überlegt: Gibt es solche Fälle wie Brundlefliege nicht schon längst in der Realität? Künstliche Gelenke; Prothesen, die es ermöglichen, schneller zu laufen; Organtransplantation; Präimplantationsdiagnostik; etc. pp. Ist der klassische Mensch schon zum Auslaufmodell geworden?


Diese Fragen in Kombination mit einer emotionalen Bindung zur Geschichte machen "The Fly" nach wie vor zu einem der intensivsten, klügsten und besten Horrorfilme überhaupt. Ein Film der einfach so viel besser ist als es das Genre von ihm verlangt. Solche Horrorfilme gibt es mittlerweile leider viel zu selten, obwohl ein Film wie "The Fly" eigentlich jeden ansprechen sollte. Und es ist auch verständlich, dass das bis heute Cronenbergs kommerziell erfolgreichster Film ist, da er zuvor und danach nicht mehr so viele Zuschauer erreichen konnte. Egal ob Horrornerd, Filmsnob oder Gelegenheitsschauer; "The Fly" lässt niemanden kalt. Wohl niemand wird sich nach dem Film in seiner eigenen Haut wohlfühlen. Irgendwie beruhigend, wenn man bedenkt, wie viele Folterfilme mittlerweile versuchen, ihre Brutalität durch irgendeinen Pseudosubtext zu rechtfertigen.


8.0/10

Autor: MacReady



Dienstag, 13. August 2013

Ein bizarr-sinnliches Theaterstück - Kritik: M. Butterfly (1993)


Auch nach der zweiten Sichtung erweist sich "M. Butterfly" als ein Film, zu dem ich einerseits ganze Bücher schreiben wöllte, aber der mir auf der anderen Seite schier die Sprache verschlägt. Zwar sucht man Cronenbergs Vorliebe für fleischigen Bodyhorror vergebens, doch auch dieser Film ist einfach durch und durch ein Cronenberg. Abermals interessiert sich Cronenberg dafür, wie wir die Realität auffassen. Aus diesem Grund macht er sich die klassische Thematik einer Madame Butterfly - einer chinesischen Dame, die sich in einen weißen Ausländer verliebt und sich ihm völlig unterwirft - zu nutzen , allerdings mit dem feinen Unterschied, dass die Rollen diesmal vertauscht sind, und dass die "Butterfly" nur vorgibt eine "Madame" zu sein, um ausländische Diplomaten auszuspionieren.


Rene Gallimard, in den 1960er-Jahren Mitarbeiter der franz. Botschaft in Peking, verliebt sich in diese(n) "Butterfly", und möchte am liebsten seine eigene, imperialistisch geprägte, Liebesgeschichte erleben. Doch es kommt andersherum: fasziniert von den - angeblichen - Bräuchen und Sitten seiner - angeblichen - Butterfly, gerät er immer mehr zum Spielball selbiger, und scheint nur das sehen zu wollen, was ihm in seinen westlichen Blick auf das Reich der Mitte passt. Cronenberg geht dabei nämlich sehr clever vor: Dem Zuschauer wird schnell klar, dass sich hinter der Madame eigentlich ein Monsieur im Auftrag der chinesischen Regierung versteckt. Er ist allerdings auch dazu gezwungen, die Geschehnisse durch ein Fernglas zu betrachten, da Cronenbergs Regie durchweg sehr distanziert und ruhig ist. Gallimard, den Jeremy Irons hervorragend verkörpert, hat diese Möglichkeit nicht. Er sieht sich als Held seines eigenen Theaterstücks, und ignoriert auch etliche seltsame Angewohnheiten seiner Butterly: Er darf sie (ihn) nicht nackt sehen, die Schwangerschaft und Geburt des gemeinsamen Kindes will sie (er) an einem abgeschiedenen Ort ohne ihn verbringen, usw.
Dabei stellt sich dem Zuschauer mehr und mehr die Frage, was er denn tun würde, wenn er in Gallimards' Situation wäre: Man würde wahrscheinlich ähnlich handeln, da es wohl eine menschliche Eigenart ist, nur das zu sehen, was man sehen will.



Denn als sich die Butterfly vor Gericht als ein "er" zu erkennen gibt, leugnet Gallimard, ihn jemals geliebt zu haben. Er hat nicht ihn als Menschen geliebt, sondern das, was er für ihn verkörpert hat, auch wenn er feststellen muss, dass Haut und Stimme nach wie vor die selben sind, die er an seiner Butterfly so mochte. Er verkraftet nicht, dass er einfach nur das gesehen hat, was er sehen wollte, obwohl die Anhaltspunkte mehr als offensichtlich waren. "M. Butterfly" ist somit ein Film über die menschliche Wahrnehmung, aber auch darüber, wie sehr wir doch von Vorurteilen und Wunschdenken geprägt sind und gesteuert werden.


8.5/10

Autor: MacReady

Freitag, 5. Juli 2013

Über die Nebelberge weit in den CGI-Sumpf - Kritik: Der Hobbit (2012)

Es ist zwar schon einiges richtiges und wichtiges zum Start der Tolkien-Adaption-Prequel-Trilogie gesagt worden, doch angesichts einer derart gewaltigen Anhängerschaft, die natürlich schon lange bevor sie den Film überhaupt erst gesehen haben, wussten, wie toll die nächste Reise nach Mittelerde wird, kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, wie Peter Jackson sein Erbe in den Sand gesetzt hat.

Ein Kinderbuch wird also zur opulenten, dreiteiligen Fantasyoper aufgeblasen. Um Leerlauf (den es selbstverständlich trotzdem gibt) zu verhindern, stehen ja glücklicherweise noch die Anhänge aus den anderen Büchern zur Verfügung. Damit das Fanherz aufjauchzen kann, gibt es implementierte Auftritte gestandener Lord of the Rings-Größen wie Elijah Wood, Christopher Lee oder Cate Blanchett. Hauptsache der dürftige Inhalt kann somit ausgeweitet werden. In der Praxis beginnt das dann mit einer viel zu ausladenden Exposition, Zwergenparty inklusive. Dass all die einzelnen Zwerge nur schwer voneinander zu unterschieden und fast durchweg völlig austauschbar sind, sei nur mal nebenbei erwähnt. Mit steigender Zwergenzahl, potenziert sich gleichfalls der Anteil dümmlicher Slapstickmomente. Man könnte dem jetzt widersprechen und argumentieren, dass es "eben eine Verflimung eines Kinderbuchs sei" und Jackson "gute Arbeit geleistet hat". Doch was der erste Trailer noch an andächtiger Abenteuerlust versprach, verkam schon beim ausgedehnten zweiten zur albernen Fantasy-Sause. Alles gar nicht mal SO übel.

                                                    




[Edit: Aus einer Weigerung der Autors heraus, von der visuellen Qualitäts des Fims etwas zu verbreiten, gibt es diesmal nur ein eigenes künstlerisches Erzeugnis zu sehen. Minimalismus ist Trumpf! ]


Was nämlich am Unangenehmsten ins Auge springt, ist die unsägliche Optik. Damit ist nicht die - völlig uninteressante - 48 fps-Variante gemeint, sondern der absolute Überschwall an CGI. Es fällt nicht leicht, überhaupt etwas zu entdecken, was nicht technisch modeliert und daher verunstaltet wurde. Ganze Goblin- und Orkshorden könnten genau so gut einem zeitgemäßen Computerspiel entsprungen sein. Doch um dem einen draufzusetzen, sind sogar Tiere (bspw. die Hasen des unfassbar nervenden Radagasts), ganze Hintergründe oder einzelne Gegenstände schlichtweg unecht. Faszinierend wie ein eskapistisches Filmgenre immer wieder so artifiziell sein muss. Und wieso zur Hölle sieht das hässlicher aus als zu Zeiten der Gefährten, der zwei Türme und des Königs? Eine Ausnahme gibt es dann allerdings schon: Andy Serkis, der seine Motion-Capture Paraderolle sichtbar verinnerlicht hat, verhilft dem Film zu einer kammerspielartigen, fast brillanten Szene, die den Gesamteindruck aber nur wenig aufbessern kann. Die Lust, den neuen Gefährten auch weiterhin auf ihrer Reise beizuwohnen, hält sich doch arg in Grenzen, zumal der Trailer zu THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG keine Besserung verspricht...ganz im Gegenteil. Vorsichtig gesagt wäre es vielleicht besser gewesen, Guillermo del Toro hätte das Führungsruder in der Hand behalten und Jackson würde nicht mit diesem öden Auswuchs, sondern mit der schelmhaften Energie seiner Anfangszeit als Regisseur, der Neuseeland von Untote oder Außerirdische unterwandern ließ, assoziiert werden.

                                                  4 / 10

Autor: DeDavid


Dienstag, 9. Oktober 2012

Scorsese hat das Kino gern - Kritik: Hugo Cabret



Ich mag Martin Scorsese. Sehr sogar. Wer tut das eigentlich nicht? Hat der Herr uns doch mit Meisterwerken wie "Taxi Driver", "GoodFellas" oder "Raging Bull" beglückt. Den kann man nur mögen, meiner Meinung nach. Aber trotzdem, wie bei so vielen Regisseuren ist auch bei Scorsese meiner Meinung nach ein Abwärtstrend zu erkennen. Seine Zusammenarbeit mit Leonardo DiCaprio ist nicht schlecht, keine Frage. Ich fand alle Filme eigentlich gelungen, beziehungsweise im Falle von "Departed" ausserordentlich gelungen. Doch im Vergleich zu seinen Filmen, die er mit De Niro drehte, merkt man schon, dass Scorsese mit keinem seiner Di Caprio Filme in der selben Liga spielt. Aber gut, es waren und sind nach wie vor meist gute Filme dabei raus gekommen und Scorsese hat im Vergleich zu Regisseuren wie John Carpenter im Lauf der Jahre nicht sein eigenes Grab ausgehoben. Ich mag ihn noch immer, ganz einfach. Eventuell ist er ja der beste lebende Regisseur, auch wenn ich mich mit solchen Aussagen immer eher etwas zurückhalten möchte. Nun, im Jahr 2011 kommt also selbiger, von mir sehr geschätzter (um das noch einmal zu betonen), Herr Scorsese mit einem neuen Film daher: "Hugo Cabret". Okay, wenn ich ehrlich bin: Schon den Namen fand ich komisch und als ich dann noch die Beschreibung las, dachte ich, dass das der erste Scorsese sein würde, mit dem ich rein gar nichts anfangen könnte. Das wäre das Ende einer Ära gewesen. Das wollte ich nicht riskieren. Und daher mied ich den Kinobesuch und verdrängte den Film einfach und schwelgte weiter in der Vergangenheit, mit Meisterwerken wie "Taxi Driver" und "GoodFellas"...


Hinterköpfe im Fokus. Ganz klar eine Hommage an Tarkovskys ›Stalker‹


Aber gut, auch wenn ich ein Hinterwäldler bin, habe ich trotzdem Zugang zu diesem "Weltnetz", oder wie man das nennt, und daher bekam ich Wind von all den Lobeshymnen auf "Hugo". Zuvor wurde mir dieser Film nur privat von Personen, die ich filmtechnisch für nicht zurechnungsfähig halte, empfohlen. Ich wusste nicht wirklich ob ich mir das antuen sollte, ich war, wie so oft, misstrauisch und dachte, dass das nur wieder einer dieser manipulativen Hypefilme wie "(500) Days of Summer" wäre, dem ich sogar in die Falle gegangen bin. Das durfte nicht noch einmal passieren! Doch von großen Vorsätzen bleibt oftmals nicht viel übrig und so  gelangte die DVD durch puren Zufall vor ein paar Tagen in meine skeptischen Hände.
Und so machte ich es mir auf dem heimischen Sofa bequem um einen weiteren Film dieses sehr verehrten Regisseures zu sehen. Jedoch verlor ich schon nach zwanzig Minuten das Interesse an dem Film und war in Gedanken ganz wo anders... Kann auch sein, dass ich für ca. zehn Minuten kurz wegdöste, da mir der Film schon nach kurzer Zeit nicht wirklich zusagen wollte. Die Inszenierung war mir ein wenig zu viel des Guten, zu gewollt, zu viel CGI, zu verträumt... Kurz: ich fands kitschig und das ist eigentlich immer doof. So wurde diese Sichtung eigentlich zu einer kompletten Farce, da es eigentlich, aufgrund meiner geistigen Abwesenheit, keine war. Ich war einfach ziemlich enttäuscht. Ich dachte wirklich, dass sei der erste Scorsese, den ich doof finde. Aber irgendwie wollte ich ihm dann doch eine neue Chance geben, da mein Verhalten nicht gerade schön war und ich gehört hatte, dass das, was den Film so toll macht, erst nach einer Weile zur Geltung kommt. Und ausserdem spielten Christopher Lee, Ben Kingsley und der von mir, trotz "Brüno", sehr geschätzte Sacha Baron Cohen mit, den ich für einen großen Künstler, Komiker und Schauspieler halte.




Also gut, neuer Tag, neues Glück: Den Anfang spulte ich weg und setzte den Film ab ca. Minute 30 einfach mal fort. Und hey! Er gefiel mir auf einmal. Die Geschichte vom kleinen Waisenjungen Hugo Cabret, der im Paris des Jahres 1930 einer Spur seines toten Vaters nachgeht und dabei dem Filmpionier Georges Méliès hilft, seine, für Verschollen geglaubten, Filme zurückzubekommen ist einfach eine richtig schöne Liebeserklärung eines richtig großen Regisseurs an das Kino. Ich war schon ein wenig sauer auf mich selbst, dass ich mich am Vortag so ignorant verhalten hatte. Denn Scorsese versucht und schafft es hier, das Publikum für einen Pionier des Films und seine Werke zu begeistern. Es ist einfach eine richtig tolle Zeitreise mit lauter Anspielungen und Hommagen an die großen Klassiker der Stummfilmzeit, von "Die Reise zum Mond" über die Filme Charlie Chaplins und Fritz Langs "Metropolis" bis zu Pabsts "Die Büchse der Pandora". Alles dabei. Dem geneigten Filmfreund, Filmkenner oder auch Cineasten wird hier wirklich fast schon warm ums Herz. Und - und das finde ich viel wichtiger - Scorsese versucht hier auch ein jüngeres Publikum anzusprechen und dieses für die Pioniere des Films zu begeistern. Eventuell war Scorsese um die Entwicklung des Mediums besorgt und deshalb lag ihm dieser Film so am Herzen, denn durch Filme wie "Hugo Cabret" könnte ein jüngeres Publikum wieder erkennen, was Film wirklich bedeutet und nicht auf Dilettanten wie Michael Bay und Marcus Nispel reinfallen. Die Sichtung hat wirklich Spaß gemacht und konnte selbst einem notorischen Pessimisten und Griesgram wie mir oftmals ein Lächeln auf die Fratze zaubern. Das ist wirklich die pure Magie des Films. Wunderbar. 

Jedoch muss ich auch noch anmerken, dass "Hugo" primär eher ein Kinderfilm ist und ich merkte auch bei der Zweitsichtung, dass ich nicht unbedingt zur Zielgruppe gehöre, da Scorseses Inszenierung zwar schön ist, aber nach wie vor für mich ein wenig zu CGI-lastig, verträumt und kitschig war. Aber ihr, wenn ihr das Geschwafel überhaupt lest, und den Film noch nicht gesehen habt, sollt euch von meinem Genörgel nicht abschrecken lassen. Es ist ein schöner Film, den ich jeden weiterempfehlen kann, da man hier wirklich noch die Magie des Films spürt, was heute nur noch auf wenige Hollywoodproduktionen zutrifft. Alleine schon dafür mein Dank an Scorsese, dass er zeigt, dass die Magie des Kinos noch nicht völlig verschunden ist. Und natürlich freut es mich auch, dass mir auch dieser Scorsese, auch wenn er sehr untypisch war, gefallen hat und der gute Mann bei mir weiterhin seine weiße Weste behält.







7,5/10


Autor: MacReady