Dienstag, 28. August 2012

Der Klang des unermütlichen Rebellen - Klassiker der Extraklasse: Sie küssten ihn und sie schlugen ihn




»Les Quatre Cents Coups« - Der Anbeginn alter guten Dinge. Der Beginn der Novuelle Vague. Der Beginn des großen Francois Truffaut. Der Beginn des persönlichen Doinel-Zyklus. Durch den Beginn des Nouvelle Vague auch der Beginn vieler anderer großer Regisseure von Godard, Chabrol, Rohmer (ok, den mag ich nicht) bis Resnais und auch der Beginn des oft zitierten Schlussbildes - obgleich es vor Truffaut wiederum auch nicht möglich gewesen wäre. Aber nicht der Beginn meiner Liebe zum Film - das wäre zu klischeehaft. Der Anbeginn von allem Guten - nun gut das wäre zu weit gefächert. Aber immerhin ein Beginn. Aber genug von zweitrangigen Buchstaben: »400 Blows« aus dem Jahre 1959 legte schließlich den Grundstein für den Anfang wie auch ersten Spielfilm von Francois Truffaut. Und auch dieser Film beginnt: Kunstvoll wie Truffauts gesamtes Schaffen. Mit einer Kamerafahrt durch das bezaubernde Paris. Bevor uns Truffaut kurz darauf mit seinem Alter Ego bekannt macht: Antoine Doinel.




Der Held des Nouvelle Vague. Der Revolutionär. Das Symbol der Nouvelle Vague. Kein Rebell und doch ein Rebell, der gegen die Normen der alten Generation ankämpft. Ein zweckloser Kampf? Noch nicht ganz. Der tapfere Kämpfer. Die Sympathiefigur? Ein respektloser, frecher, dreister, ungeliebten und schelmischer Junge? Auch ein Kleinkrimineller. Und ein Lügner. Als Projektion wie Intention dieser Stilrichtung? Als Kampf des Individuums gegen das Systems? Ja, so was gab es schließlich nur bei Truffaut und seiner selbstreflexionistischen Figur. Überall kleinere filmische Revolutionen. Und ja Doinel als Symbol der Stilrichtung. Der Schrei nach Veränderung. Der Charakter des Doinel lässt sich zweifelsfrei auf den Gedanken dieser übertragen. »Wind of Change« in der Generation wie auch im Medium Film. Der Junge, der sich nicht anpassen will. Weg vom alten hin zum neuen. Eine neue Hoffnung.

Der Wille des Truffaut geschieht aus Kinderaugen und die Konventionsbrüche werden beantragt, etwas kleiner und zahmer, aber noch wie gesagt jeder beginnt klein. Daher mag »400 Blows« doch noch Konventionen enthalten, was so mancherlei Stilmittel betrifft. Unser Antoine Doinel kristallisiert sich stark heraus, während sein Umfeld hierbei mit Klischees belegt wird, um zu verdeutlichen, auch wenn es Truffaut schafft diesen Klischees durchaus Authentizität zu verleihen. Liegt vielleicht auch nur an heutigen Umständen, so etwa die desinteressierte Mutter, der bemühte Stiefvater, der treue Kumpel oder die tyrannischen Lehrer. Doinel grandios dargestellt vom späteren Nouvelle Vague-Star der Herzen, Jean-Pierre Leaud - mit gerade mal 14 Jahren - lebensnah, faszinierend wie auch glaubwürdig gemimt. Mit besonderer Intensität und nicht zuletzt unendlich sympathisch dabei. Schon hier beweist Leaud großes Können. So auch der ewige Träumer, so wird auch »Cinema« selbst gehuldigt, für welches Antoine eine Vorliebe prägt oder essentiell auch das Buch wie von Balzac.

Truffaut, dieser alte Büchernarr reflektiert sich selbst. Wenn auch hier schon seine Handschrift deutlich erkennbar, frisch wie eh und je und mit einem Charme, den man sich nicht entziehen könnte. Federleicht, in manchen Momenten melancholisch wie auch tragisch und doch zugleich so frech und spontan inszeniert, nicht ohne Humor - Truffaut beschwört die Nostalgie des Kinos geschickt herauf. Behutsam erzählt und sensibel gefasst. Verführt auch mit seinen wundervollen Bildkompositionen und seiner poetischen Ader dieser. Stilistisch hervorragend wie auch kühl gefilmt und stets mit Authentizität und purer Eleganz in Szene gesetzt. Die Kamera, intensiv schwebt sie nahezu meisterhaft über den Protagonisten und doch so umfassend. Der Nouvelle Vague lebt.





Vielleicht somit auch ein Beginn für den Coming-of-Age-Film. Wie unendlichfach erwähnt, hier beginnt vieles. Von Stil bis Truffaut. Ein verzückendes Werk. Antoine Doinel gegen die Unterdrückung der Erwachsenen. Ein Kämpfer. Ein unermüdlicher Renner. Bis zur Unendlichkeit oder einfach nur bis zum Meer. Das Schlussbild deutet und setzt dann schließlich den Jungen zwischen Sehnsucht, Zuneigung, Unabhängigkeit und Freiheit. »So shine sweet freedom?« - Es bleibt den unseren verschlossen, doch Truffaut wird fortsetzten - zunächst schießt er noch frech auf seine Pianisten - bevor er Antoine die Liebe mit Zwanzig entdecken lässt.



8.5 / 10



Autor: Hoffman

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